Zum Frauenstein

Zum Frauenstein
Farbbild der Fassaden der Häuser Frauenstein (links) und Salzhaus (rechts) am Römerberg, um 1896.

Die Gesellschaft Zum Frauenstein ist eine Vereinigung einflussreicher Familien in Frankfurt am Main, die auf die Gründung im Jahr 1382 als Stubengesellschaft Zum Salzhaus – in Konkurrenz zu der älteren Gesellschaft Zum Römer (später Alten Limpurg) – zurückgeht. Seit dem Bürgervertrag vom 23. Mai 1613 standen ihr Sitze im Rat der Stadt zu; im Lauf der Zeit bildete sich das Gewohnheitsrecht der Frauensteiner heraus, stets mit 6 Mitgliedern im Rat vertreten zu sein (während den Limpurgern 14 Sitze zustanden). Seit Mitte des 19. Jahrhunderts besteht die Gesellschaft nicht mehr.

Inhaltsverzeichnis

Versammlungsorte der Gesellschaft

Der historische Versammlungsort der Gesellschaft war das Salzhaus, ein Teil der Römerzeile; dieses Haus wurde in den Jahren 1417 bis 1423 auch von einer zweiten Stubengesellschaft Zur güldenen Schmiede genutzt, wobei während dieser Zeit beide Gesellschaften unter dem Namen der letzteren fusionierten. Noch zwei weitere Gesellschaften – Zum Löwenstein und Zum Laderam – bestanden zu Beginn des 15. Jahrhunderts in Frankfurt; diese lösten sich bis zum Ende des Jahrhunderts wieder auf; ihre Mitglieder wurden von den zwei verbliebenen Gesellschaften aufgenommen, sofern sie ihnen nicht schon vorher angehört hatten, denn die Mitgliedschaft bei zwei oder mehr Gesellschaften war damals noch zulässig und keinesfalls ungewöhnlich.

Im Jahr 1423 bezog die Gesellschaft Zur güldenen Schmiede ein neues Lokal, nämlich das dem Salzhaus benachbarte Haus Frauenstein und nannte sich fortan Zum Frauenstein; sie erwarb das Haus 1444 und ließ es 1484 im Stil der Spätgotik völlig neu erbauen; 1694 gab sie es auf und zog in das Haus Braunfels auf dem Liebfrauenberg um.

Das Haus Braunfels war nicht nur das Versammlungshaus der Gesellschaft, sondern zugleich der Veranstaltungsort des nach der Berufung Georg Philipp Telemanns zum städtischen Musikdirektor seit 1713 jeweils donnerstags stattfindenden „wöchentlichen große Concerts“ – einer Mischung aus geselligem Musizieren und Konzert-Darbietung des von den Frauensteinern geförderten, studentischen Collegium musicum. Hier und in der fast benachbarten Barfüßerkirche, deren Kapellmeister Telemann war, hat für Deutschland tatsächlich das „bürgerliche“ Konzertwesen begonnen (die erste Veranstaltung war Telemanns Passionsoratorium am 2. April 1716 in der Barfüßerkirche), denn erstmals wurde für musikalische Darbietungen Eintrittsgeld genommen, während Musikaufführungen bis dahin ausschließlich Gottesdiensten oder höfischen Veranstaltungen vorbehalten und natürlich gratis waren.

Mitglieder

Die meisten der 122 alten Frankfurter Geschlechter hatten sich ursprünglich in der Gesellschaft Alten-Limpurg zusammengefunden. Daneben gab es noch 48 weitere Geschlechter, die nicht den Limpurgern angehörten; diese waren, falls überhaupt, bei den Frauensteinern zusammengeschlossen. Dort war man erheblich liberaler und nahm Fremde auf; überhaupt hatten in Handel oder Handwerk großgewordene ‚neureiche‘ Familien nur bei den Frauensteinern eine Chance auf gesellschaftliche Anerkennung und Aufstieg in politische Ämter und Würden.

Letzteres zeigt sich drastisch im Umgang der Frankfurter mit der Frage, wie man mit den ab 1580 aus den Niederlanden zuströmenden reformierten Glaubensflüchtlingen umgehen solle. Während die Limpurger sich weigerten, diese aufzunehmen, waren die Frauensteiner diesbezüglich nicht so streng, wie z.B. die Mitgliedschaft eines Friedrich Wilhelm Philipp von Malapert gen. Neufville beweist, denn sowohl die Malapert wie die Neufville gehörten eben diesen reformierten Familien an, die als reiche Kaufleute und Bankiers – ähnlich wie die Calvinisten in Zürich im festen Glauben an die Prädestinationslehre, wonach sich die Auserwähltheit des Menschen an seinem materiell messbaren Erfolg zeige – Frankfurt zu dem Börsenplatz machten, als den wir ihn heute noch kennen.

Die Frauensteiner hatten ebenso wie die Limpurger im Laufe der Zeit fast alle das Adelsprädikat verliehen bekommen, das mit einer entsprechenden Wappenbesserung einherging. Der Anspruch auf Geburtsadel war fortan eine Art ungeschriebenes Gesetz, und wenn sie sich in einer Bittschrift von 1816 an die Bundesversammlung „Adeliche Uralte Gesellschaft Frauenstein zu Frankfurt am Main“ nennen, so hat das Attribut ‚adelig‘ nun ganz pragmatische Bedeutung. Der Titel ‚Burggraf‘ jedoch, der immer wieder auftaucht, bezeichnet den für ein Jahr amtierenden Stubenmeister und ist kein Adelstitel.

Bezeichnend für die Geschlossenheit dieser Gesellschaften ist ihre Heiratspolitik. So wurden gern Ehen zwischen Familien geschlossen, die beide derselben Gesellschaft angehörten, es blieben also die Limpurger und Frauensteiner weitgehend unter sich.

Politischer Einfluss

Die Gesellschaften Alten-Limpurg und Zum Frauenstein hatten bis zum Ende der Freien Reichsstadt 1806 hohen Einfluss im Rat der Stadt. Nach dem Fettmilch-Aufstand war im Bürgervertrag vom 23. Mai 1613 bestimmt worden, dass bei der Besetzung der beiden ersten, ausschließlich den Patriziern zustehenden Ratsbänke die Frauensteiner und die rechtsgelehrten Graduierten besonders zu berücksichtigen seien, was schließlich dazu führte, dass sich eine Art Parität von Limpurgern und Frauensteinern im Stadtregiment ergab.

Literatur

  • Rainer Koch: Grundlagen bürgerlicher Herrschaft. Verfassungs- und sozialgeschichtliche Studien zur bürgerlichen Gesellschaft in Frankfurt am Main (1612-1866). Wiesbaden 1983
  • Hans Körner: Frankfurter Patrizier. Historisch-Genealogisches Handbuch der Adeligen Ganerbschaft des Hauses Alten-Limpurg zu Frankfurt am Main. München 1971
  • Franz Lerner: Die Frankfurter Patriziergesellschaft Alten-Limpurg und ihre Stiftungen. Frankfurt am Main 1952

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