Zwangseinweisung

Zwangseinweisung
Redundanz Die Artikel Unterbringung und Zwangseinweisung überschneiden sich thematisch. Hilf mit, die Artikel besser voneinander abzugrenzen oder zu vereinigen. Beteilige dich dazu an der Diskussion über diese Überschneidungen. Bitte entferne diesen Baustein erst nach vollständiger Abarbeitung der Redundanz. HDeinert2002 23:42, 24. Apr. 2007 (CEST)

Eine Zwangseinweisung ist die gegen den Willen des Betroffenen durchgeführte rechtlich vollzogene Unterbringung eines Menschen mit psychischen Auffälligkeiten oder Störungen in einer geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik. Der Begriff ist nicht identisch mit dem formalrechtlichen Verfahren der Unterbringung psychisch Kranker.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Selbstgefährdung

Selbstgefährdung spielt sowohl bei der Notfallpsychiatrie als auch bei der Betreuung chronisch Kranker oder verwirrter Personen eine Rolle. Eine Zuschreibung, welche psychischen Störungen oder Erkrankungen mit einer akuten Selbstgefährdung verbunden sind, kann im Einzelfall ärztlich nicht getroffen werden. Es gibt zwar statistische Unterschiede, aber es kommt auf den Schweregrad der Störung und auf das Ausmaß bereits eingetretener gefährdender Verhaltensweisen oder Äußerungen an. Wichtig ist auch, ob noch ein Kontakt zwischen Arzt und Patient herstellbar ist, ob der Patient zu verlässlichen Absprachen imstande ist und ob er sich auch freiwillig behandeln lassen will. Psychiatrisch qualifizierte Notdienste wie in Hamburg wurden eingerichtet, damit diese Fragen von einem Fachmann geprüft werden. Weiterhin ist bei der betreuungsrechtlich begründeten Zwangseinweisung die Reaktion des Umfeldes, z. B. der Angehörigen von Bedeutung. Störungen, die statistisch häufiger mit akuter Selbstgefährdung assoziiert sind, sind akute organische oder funktionelle Psychosen, z. B. schizophrene Störungen. Schwere Depressionen gehen zwar oft mit Suizidgefährdung einher, führen aber statistisch seltener zu Zwangseinweisungen. Psychosomatische Störungen und Anorexie fallen in der Regel nicht unter die genannten Voraussetzungen, weil keine Unterbringung in psychiatrischen Kliniken erfolgt, sondern in psychosomatischen und Psychotherapie-Kliniken. Bei betreuungsrechtlich begründeten Zwangseinweisungen geht es nicht nur um unmittelbare suizidale Gefährdungen, sondern auch andere schwere störungsbedingte Formen der Selbstgefährdung, z. B. Nichtbehandlung schwerster körperlicher Leiden, schwerste Verwahrlosung, rechtlich auch um die Gefahr einer schweren Verfestigung chronischer psychischer Störungen oder um Hilflosigkeit mit Gefahr des Verhungerns oder Erfrierens oder Herumirrens. Derartige Voraussetzungen bestehen statistisch häufiger bei Demenzen, chronischen Psychosen wie Schizophrenie, schweren Suchtleiden.

Fremdgefährdung

Zwangseinweisungen im Rahmen der Länder-Unterbringungsgesetze erfolgen auch bei anders nicht abwendbarer akuter Gefahr, dass Dritte zu Schaden kommen. Dies kann der Fall sein, wenn Personen durch krankhafte Verkennung angegriffen werden, der Betroffene unkontrolliert am Straßenverkehr teilnimmt oder massiv andere öffentliche Rechtsgüter gefährdet. Hier gilt das oben Gesagte: Es gibt zwar statistische Häufungen z. B. bei Verwirrtheit durch akute organische Psychosen, schizophrenen Störungen, stoffgebundenen, z. B. alkoholabhängigen oder durch Drogen hervorgerufenen Störungen, aber auch Persönlichkeitsstörungen. Es kommt aber aus rechtlicher und ärztlicher Sicht auf den Einzelfall an.

Folgen für Betroffene und Angehörige

Angehörige sind, wie die Verbände der Angehörigen Psychisch Kranker betonen, häufig durch die psychischen Störungen eines Familienmitgliedes psychisch und sozial sehr schwer belastet, oft überfordert, nicht selten traumatisiert. Betroffene erleben die Zwangseinweisung häufig als gewaltsam und unnötig, etliche erkennen aber gar nicht, dass sie formalrechtlich zwangsweise untergebracht werden. Ein Teil der Betroffenen wird durch Ereignisse im Umfeld der Zwangseinweisung, z. B. Polizeimaßnahmen oder Fesselung oder den Umgebungswechsel schwer belastet, manche verarbeiten die Situation als traumatische Erfahrung und reagieren langfristig mit Stressreaktionen und massiver Ablehnung psychiatrischer Hilfe. Andere Betroffene sind nach Besserung der psychischen Störungen imstande, im therapeutischen Gespräch Hilfe anzunehmen. An Altersdemenz und schweren organisch begründeten Psychosen leidende Personen realisieren je nach Schweregrad nicht mehr, ob sie rechtlich untergebracht wurden. Aber auch sie können auf eine Zwangseinweisung emotional sehr stark ablehnend reagieren. In jedem Fall hängt die subjektive Verarbeitung der Zwangseinweisung weniger von den rechtlichen Bedingungen, als von den tatsächlichen Abläufen und Erlebnissen ab. Es muss also für die Psychiatrie immer auf einen möglichst schonenden Umgang mit jedem Patienten ankommen. Dies wird in Kliniken als Gegenstand der Fort- und Weiterbildung und des Qualitätsmanagements aktiv reflektiert und offen kommuniziert.

Deutschland

Rechtliche Grundlagen

Zwangseinweisung meint im engeren Sinne die direkte zwangsweise Verbringung in die Klinik, also das tatsächliche Geschehen. Unterbringung ist ein rechtlicher Vorgang. Unter welchen Voraussetzungen ein Kranker gegen seinen Willen in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen werden kann, ist gesetzlich geregelt. Es gibt hierfür verschiedene materiell rechtliche Grundlagen:

  1. Sofort wirksame Zwangseinweisungen erfolgen fast immer öffentlich-rechtlich nach den in jedem Bundesland bestehenden Unterbringungsgesetzen, zum Beispiel dem Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG). Diese enthalten wie in vergleichbaren westlichen Ländern Bestimmungen für Sofortmaßnahmen durch die Verwaltungsbehörden. Voraussetzung ist immer ein aktuelles ärztliches Zeugnis. Inhaltlich werden Selbst- oder Fremdgefährdungen vorausgesetzt, die durch die psychische Störung bedingt sind und anders nicht abgewendet werden können. Sofortige oder „vorläufige“ Unterbringungen gelten höchstens bis Ablauf des Folgetages. Nach Einweisung muss eine Aufnahmeuntersuchung durchgeführt werden. Diese kann dazu führen, dass der sogenannte 24-Stunden-Beschluss ausläuft. Bei schweren Störungen, bei denen die Gefährdung weiter angenommen werden muss und keine freiwillige Behandlungsgrundlage erreichbar erscheint, wird das Vormundschaftsgericht eingeschaltet. Dieses ist für das Unterbringungsverfahren zuständig.
  2. Betreuungsrechtliche Unterbringungen nach § 1906 Abs. 1–2 BGB können ebenfalls Zwangseinweisungen bewirken, wenn der rechtliche Betreuer hierfür zuständig ist und rechtzeitig erreichbar ist. Der Betroffene wird mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes von seinem Betreuer untergebracht. Voraussetzung ist eine gravierende Gefahr der Selbstschädigung oder Selbsttötung. Bei dieser betreuungsrechtlichen Unterbringung ist ebenfalls das Vormundschaftsgericht zuständig und es wird dasselbe Verfahren beschritten.
  3. Zwangsweise Einweisungen psychisch oder suchtkranker Straftäter erfolgen auf Grund strafrechtlicher Bestimmungen im Verfahren nach § 126 a einstweilig der Strafprozessordnung StPO und materiell rechtlich nach den Paragraphen 63 und 64 Strafgesetzbuch StGB (vgl. Maßregelvollzug).

Sobald und soweit psychische Störungen Grund einer Zwangseinweisung sind, sind die genannten rechtlichen Grundlagen anzuwenden. Allerdings können Polizeibehörden Personen bei Gefahr im Verzuge auch nach den Sicherheits- und Ordnungsgesetzen oder Gefahren-Abwehrgesetzen der Länder festhalten. In fast allen Ländern und Regionen werden auf diese Weise Personen, die psychisch auffällig erscheinen, noch auf der Polizeiwache einem Notarzt oder je nach Verfügbarkeit der Dienste einem Psychiater vorgestellt. In einzelnen Regionen bringen Polizeibeamte Betroffene gleich in eine psychiatrische Klinik und ersuchen dort, das weitere Verfahren einzuleiten.

In Statistiken werden auch Situationen als Zwangseinweisung gezählt, bei denen Personen in einer psychiatrischen Klinik notfallmäßig auf einer geschlossenen Station zurückgehalten werden. Die „zwangsweise Zurückhaltung“ erfolgt, wenn eine bis dahin freiwillige Behandlung nicht mehr durchgehalten werden kann, der Patient aber stark gefährdet erscheint und die Klinik verlassen will. Gleiches gilt, wenn ein Patient die Klinik verlassen hat und Anzeichen für eine akute Gefahr eines Suizides bestehen. Die Polizei wird dann gebeten, nach dem Patienten zu suchen. Diese Schritte können sowohl unter Anwendung der Länder-Unterbringungsgesetze mit sofortiger Wirkung als auch auf betreuungsrechtlicher Grundlage vollzogen werden.

Verfahren

Eine sofort wirksame Zwangseinweisung nach Länder-Unterbringungsrecht setzt je nach Bundesland ein ärztliches Zeugnis, in einigen Ländern auch ein Attest durch einen in der Psychiatrie erfahrenen Arzt voraus. Die Verwaltungsbehörde bringt unter. Der Transport kann mit oder ohne Polizeibeteiligung erfolgen und erfolgt meist in Krankentransportwagen. Nach Einweisung führt der Psychiater eine Eingangsuntersuchung durch und muss erneut die Voraussetzungen einer Unterbringung beurteilen. Bestehen diese weiter, wird dem Vormundschaftsgericht eine ärztliche Stellungnahme zugeleitet. Die Vormundschaftsgerichte entscheiden meist nur vorläufig. Die Richter holen meist innerhalb der ersten Tage die persönliche Anhörung nach und entscheiden über die Dauer einer einstweiligen Unterbringung, die meist für 2–6 Wochen angeordnet wird. Die Einzelheiten des Verfahrens sind im Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit FGG festgelegt. Dazu gehören Verfahrensgarantien wie die Beiordnung eines Verfahrenspflegers, die richterliche Anhörung, die Einbeziehung von Bezugspersonen und Vorschriften zur Dauer der Unterbringung. Die psychiatrische Klinik muss nicht nur die Unterbringung mit längerer Dauer immer genauer begründen, sondern muss auch therapeutisch daran interessiert sein, bald eine Kooperation und freiwillige Behandlung der Betroffenen zu erreichen. Dies gelingt in einem großen Teil der Fälle. Übersehen wird oft, dass die weitere betreuungsrechtliche Unterbringung auch außerhalb psychiatrischer Kliniken in geschlossenen Heimen erfolgen kann.

Das Verfahren bei psychisch oder suchtbedingten Straftaten ergibt sich aus der Strafprozessordnung (StPO) und weicht von den Regelungen einer Zwangseinweisung und -Unterbringung aus rechtlichen Gründen stark ab.

Österreich

Siehe → Unterbringung (Österreich)

Schweiz

Siehe → Fürsorgerischer Freiheitsentzug

Siehe auch

Literatur

  • Karl-Ernst Brill, Rolf Marschner: Psychisch Kranke im Recht – Ein Wegweiser ISBN 3-88414-395-6
  • Bohnert: Unterbringungsrecht, ISBN 3-406-47174-9
  • Cording, C., W.Weig(Hrsg.): Zwischen Zwang und Fürsorge. Die Psychiatriegesetze der deutschen Länder.

Deutscher Wissenschafts-Verlag, Baden-Baden, 2003, ISBN

  • Coeppicus: Sachfragen des Betreuungs- und Unterbringungsrechts, ISBN 3-170-16333-7
  • Deinert/Jegust: Das Recht der psychisch Kranken (Textsammlung), 2. Aufl, ISBN 3-887-84993-0
  • Kopetzki: Grundriss des Unterbringungsrechts (f. Österreich), ISBN 3-211-82890-7
  • Probst: Betreuungs- und Unterbringungsverfahren; Berlin 2005, ISBN 3503087451
  • Spengler, A., H.Dreßing, M.Koller, H.J.Salize (2005): Zwangseinweisungen – bundesweite Basisdaten und Trends. Nervenarzt 76: 363–370
  • Winzen: Zwang. Was tun gegen Betreuung und Unterbringung? ISBN 3-928-31608-7

Weblinks

Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Zwangseinweisung — Zwạngs|ein|wei|sung 〈f. 20〉 gesetzlich erzwungene Einweisung, z. B. in eine psychiatrische Klinik * * * Zwạngs|ein|wei|sung, die: ↑ zwangsweise (a) Einweisung (in eine psychiatrische Klinik o. Ä.). * * * Zwạngs|ein|wei|sung, die: ↑zwangsweise… …   Universal-Lexikon

  • Zwangseinweisung — Zwạngs|ein|wei|sung …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Unterbringung — Eine Zwangseinweisung ist die gegen den Willen des Betroffenen durchgeführte rechtlich vollzogene Unterbringung eines Menschen mit psychischen Auffälligkeiten oder Störungen in einer geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik.… …   Deutsch Wikipedia

  • Zwangsbehandlung — Die Artikel Unterbringung und Zwangseinweisung überschneiden sich thematisch. Hilf mit, die Artikel besser voneinander abzugrenzen oder zu vereinigen. Beteilige dich dazu an der Diskussion über diese Überschneidungen. Bitte entferne diesen… …   Deutsch Wikipedia

  • Psych-KG — Für Menschen mit psychischen Krankheiten bestehen in Deutschland Gesetze (oft als PsychKG abgekürzt), welche die Rechtssicherheit des Kranken und die Zwangsmaßnahmen gegen ihn sicherstellen sollen. In Deutschland haben die einzelnen Bundesländer… …   Deutsch Wikipedia

  • PsychKG — Für Menschen mit psychischen Krankheiten bestehen in Deutschland Gesetze (oft als PsychKG abgekürzt), welche die Rechtssicherheit des Kranken und die Zwangsmaßnahmen gegen ihn sicherstellen sollen. In Deutschland haben die einzelnen Bundesländer… …   Deutsch Wikipedia

  • PsychKg — Für Menschen mit psychischen Krankheiten bestehen in Deutschland Gesetze (oft als PsychKG abgekürzt), welche die Rechtssicherheit des Kranken und die Zwangsmaßnahmen gegen ihn sicherstellen sollen. In Deutschland haben die einzelnen Bundesländer… …   Deutsch Wikipedia

  • Psych KG — Für Menschen mit psychischen Krankheiten bestehen in Deutschland Gesetze (oft als PsychKG abgekürzt), welche die Rechtssicherheit des Kranken und die Zwangsmaßnahmen gegen ihn sicherstellen sollen. In Deutschland haben die einzelnen Bundesländer… …   Deutsch Wikipedia

  • Psychisch-Kranken-Gesetze — Für Menschen mit psychischen Krankheiten bestehen in Deutschland Gesetze (oft als PsychKG abgekürzt), welche die Rechtssicherheit des Kranken und die Zwangsmaßnahmen gegen ihn sicherstellen sollen. In Deutschland haben die einzelnen Bundesländer… …   Deutsch Wikipedia

  • Der Selbstmord — Der Suizid (von neulateinisch suicidium aus dem Präfix sui = sich und caedere = töten, respektive caedium = Tötung; gr. autocheiria) ist das willentliche Beenden des eigenen Lebens, sei es durch beabsichtigtes Handeln oder absichtliches… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”