Psych-KG

Psych-KG

Für Menschen mit psychischen Krankheiten bestehen in Deutschland Gesetze (oft als PsychKG abgekürzt), welche die Rechtssicherheit des Kranken und die Zwangsmaßnahmen gegen ihn sicherstellen sollen.

In Deutschland haben die einzelnen Bundesländer Gesetze über „Schutz“ und „Hilfen“ für psychisch kranke Menschen erlassen. In Baden-Württemberg und Bayern und im Saarland heißen diese Bestimmungen Unterbringungsgesetz, in Hessen Freiheitsentziehungsgesetz.

Inhaltsverzeichnis

Zahlen

Unstrittig ist die seit den 80er Jahren steigende Zahl der Patienten, die gegen ihren Willen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden. Pro Jahr werden in Deutschland mittlerweile etwa 110.000 Menschen nach den Unterbringungsgesetzen der Länder (UBG/PsychKG) und dem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelten Betreuungsrecht in der Bundesrepublik zwangsweise untergebracht. In NRW haben sich die Unterbringungsverfahren nach PsychKG zwischen 1986 und 1997 nahezu verdoppelt. Nach BGB sind sie – ohne sogenannte unterbringungsähnliche Maßnahmen - gar um das Neunfache gestiegen. Wolf Crefeld stellte 1998 in einer NRW weiten Erhebung fest, dass das Risiko einer zwangsweisen Unterbringung nach PsychKG in einigen Kommunen 10 mal höher ist als in anderen und auch von Bundesland zu Bundesland erheblich differiert. In NRW und Bayern lag 1995 das Risiko nach PsychKG oder BGB untergebracht zu werden um 85 % über dem von Thüringen und Brandenburg.

Gesetzesinhalte

Das seit 1952 gültige Hessische Freiheitsentzugsgesetz erlaubt eine Zwangseinweisung nur, wenn "eine erhebliche Gefahr für ihre Mitmenschen droht und diese nicht anders abgewendet werden kann", oder wenn eine erhebliche "Gefahr für sich selbst" besteht. Das Bayrische Unterbringungsgesetz ermöglicht die Zwangseinweisung auch, wenn im "erheblichem Maß die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet" ist. Die Psychisch-Kranken-Gesetze ermöglichen die Unterbringungen auch, wenn "bedeutende Rechtsgüter anderer erheblich gefährdet" sind. Sie regeln die Befugnisse von Polizei, Ordnungsämtern, Sozialpsychiatrischen Diensten und Gesetzlichen Betreuern. Außerdem wird geregelt, wann Zwangsuntersuchungen, Zwangsmaßnahmen und -Behandlungen erlaubt sind. In den neueren Gesetzen wird auch beschrieben, dass ambulante vor- und nachsorgende Hilfen angeboten und Beratungsangebote gemacht werden sollen. Der Zwangseingewiesene hat zwar das Recht, behandelt zu werden, doch hat er nicht die Wahl, ob er sich mit Medikamenten oder psychotherapeutisch behandeln lässt. In einigen Länder-Gesetzen wird auch der sozialpsychiatrische Dienst ermächtigt, Hausbesuche und ärztliche Untersuchungen durchzuführen.

Zuständigkeit

Meist ist das örtliche Ordnungsamt (§12 PsychKG) für Hilfen nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen zuständig. Das gerichtliche Verfahren für freiheitsentziehende Unterbringung ist im FGG, §§ 70 ff geregelt. Maßnahmen nach PsychKG kann jeder anregen. In Brandenburg kann auch ein rechtlicher Betreuer die PsychKG-Unterbringung beantragen.

Zwangsbehandlung

Eine Behandlung gegen den Willen des Betroffenen ist in Nordrhein-Westfalen auch bei nicht vorhandener Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen nur in den Fällen von Lebensgefahr, von erheblicher Gefahr für die eigene und für die Gesundheit anderer Personen zulässig.

Soweit ein Betreuer (mit entsprechendem Aufgabenkreis) bestellt ist, gilt für die PsychKG-Unterbringung folgendes:

Der Betreuer darf nur zum Wohl des Betreuten handeln (§ 1901 BGB). Sein Wohl hat der Betreute vorrangig selbst zu bestimmen, sofern er nicht krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, dieses zu erkennen. Daher kann der Betreuer grundsätzlich nicht gegen den Willen des Betreuten an seiner Stelle in die Behandlung einwilligen, wenn nicht die Gesundheit des Betreuten erheblich gefährdet ist. Bei einer schizophrenen Erkrankung wird das im Allgemeinen von den Gerichten angenommen.

In allen Bundesländern ist bei Eingriffen mit erheblicher Gefahr für Leben und Gesundheit eine Einwilligung des rechtlichen Betreuers notwendig, wenn der Betreute einwilligungsunfähig ist. In Niedersachsen, dem Saarland und Sachsen gilt dies für jedwede Behandlung, in Brandenburg und Rheinland-Pfalz für jeden körperlichen Eingriff.

In Brandenburg, NRW und Rheinland-Pfalz ist darüber hinaus eine Erörterung des Behandlungsplans auch mit dem Betreuer vorgesehen, in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern gilt dies ebenfalls auf Wunsch des Betroffenen. In Brandenburg und NRW sind freiheitsbeschränkende Maßnahmen auch dem Betreuer mitzuteilen. In Thüringen ist der Betreuer auf Wunsch des Betroffenen nachträglich von stattgefunden unaufschiebbaren Behandlungen zu informieren.

Für den rechtlichen Betreuer gilt darüber hinaus, dass er, sofern die Voraussetzungen des § 1904 Abs. 1 BGB vorliegen, es sich also um eine risikobehaftete Behandlungsmaßnahme handelt, seinerseits die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen hat. Diese ist unabhängig vom Unterbringungsbeschluss des Gerichtes.

Betreuungsrechtliche Unterbringung

In allen Bundesländern ist parallel neben der öffentlich-rechtlichen Unterbringung nach Psychischkrankenrecht bei Menschen, die unter rechtlicher Betreuung stehen, eine Unterbringung durch einen Betreuer im Rahmen des § 1906 BGB möglich. Dies ist nur möglich bei Selbstgefährdung, nicht bei Fremdgefährdung. Das gleiche gilt für eine Unterbringung durch einen Bevollmächtigten, wenn diesem in einer Vorsorgevollmacht die Befugnis zur freiheitsentziehenden Unterbringung ausdrücklich eingeräumt wurde (§ 1906 Abs. 5 BGB).

Vor- und Nachrang der Unterbringungsarten

Die materiell-rechtlichen Unterbringungsvoraussetzungen in § 1906 BGB, der für Betreuer und Bevollmächtigte gilt, und für Unterbringungen nach den PsychKGen sind unterschiedlich. Während bei § 1906 BGB ausschließlich auf die Selbstgefährdung der betroffenen Person abgestellt wird, sind in den PsychKGen sowohl die krankheitsbedingte Selbstgefährdung als auch die Fremdgefährdung Unterbringungsgründe. Dies bedeutet: Liegt eine Selbstgefährdung der betroffenen Person vor, die sowohl unter § 1906 BGB als auch den entsprechenden Paragraphen des jeweiligen PsychKG fällt und hat diese Person einen Betreuer, dessen Aufgabenkreis das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst, besteht eine Konkurrenz beider Unterbringungsarten. Hier stellt sich immer wieder die Frage: ist eine der beiden Unterbringungsarten gegenüber der anderen nachrangig?

Denkbar wären 3 mögliche Lösungen:

  • die PsychKG-Unterbringung ist vorrangig gegenüber der BGB-Unterbringung
  • die BGB-Unterbringung ist vorrangig gegenüber der PsychKG-Unterbringung
  • beide Unterbringungsarten stehen gleichrangig nebeneinander

Aus der Sicht der betroffenen Personen macht es zwar vom Ergebnis her keinen Unterschied, wer die Freiheitsentziehungsmaßnahme verantwortet. Da jedoch gerade der Vollzug der Unterbringungsanordung oft mit Gewaltanwendung verbunden ist, stellen sich gerade Betreuer oft auf den Standpunkt, dass sie eine Unterbringung nach dem PsychKG befürworten, um selbst „im Hintergrund“ bleiben zu können und mit einem einigermaßen intakten Vertrauensverhältnis nach der Entlassung des Patienten mit ihm weiter arbeiten zu können.

In einer Reihe von PsychKGen (in Baden-Württemberg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen) ist die Formulierung zu finden, dass der Willen desjenigen maßgebend ist, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht besitzt. Dies kann auch ein Betreuer sein. Eine solche Formulierung enthält einen bedingten Vorrang der BGB-Unterbringung. Allerdings bedeutet es nicht, dass ein unter Betreuung stehender Betroffener deshalb nicht nach dem PsychKG untergebracht werden dürfte. Schließlich kann der Betreuer zu einer anderen Schlussfolgerung kommen als die nach PsychKG zuständige Behörde, er kann z. B. die Unterbringungsnotwendigkeit verneinen oder wenn er sie bejaht, deshalb keine eigene Unterbringung anordnen wollen, weil er die künftige Zusammenarbeit mit dem Betreuten gefährdet sieht. In solchen Fällen ist es der nach PsychKG zuständigen Stelle unbelassen, selbst eine Unterbringung zu bewerkstelligen.

Die Gesetze aus Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen enthalten keine Vor- und Nachrangregelung.

Brandenburg: Keine Vor- und Nachrangregelung enthalten; der Betreuer ist sogar zur PsychKG-Unterbringung antragsberechtigt; willigt der Betreuer nicht ein, so stellt die Gesundheitsbehörde den Antrag; sie soll u.a. die Betreuungsbehörde einbeziehen

Berlin, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein: Nachrang der PsychKG-Unterbringung insoweit, wenn eine Unterbringung nach dem BGB tatsächlich angeordnet worden ist, d.h.: öff.-rechtliche Unterbringung ist möglich, wenn eine zivilrechtliche Unterbringung unterbleibt.

In NRW sollte nach dem Regierungsentwurf des neuen PsychKG aus dem Jahre 1998 keine Unterbringung nach PsychKG mehr möglich sein, wenn Unterbringung nach BGB angeordnet werden kann. Bei gleichzeitiger zivil- und öffentlich-rechtlicher Unterbringung wäre die PsychKG-Unterbringung somit nachrangig gewesen. Jedoch ist dieser Versuch, die PsychKG-Unterbringung eindeutig nachrangig zu gestalten, nicht in die endgültige Gesetzesfassung aufgenommen worden. In der Begründung der Änderung des § 11 Abs. 3 heißt es: „Es wird klar gestellt, dass eine Vorrangigkeit des Betreuungsrechts vor Maßnahmen nach diesem Gesetz nicht besteht. Bei einer Prüfung über den Vorrang der besseren Unterbringungsform ist es nicht zulässig, die Rechts- und Verfahrensgarantien der Unterbringung nach diesem Gesetz mit einem zivilrechtlichen Unterbringungsverfahren zu umgehen. Im Interesse der Betroffenen kann im Einzelfall die Maßnahme durchgeführt werden, die am effektivsten ist und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den geringsten Eingriff darstellt. Die Einrichtung einer Betreuung ist grundsätzlich langfristiger angelegt und kann für Betroffene belastender sein als eine kurzfristige Unterbringung nach diesem Gesetz. (NRW-Landtagsdrucksache 12/4467, S. 47)

Fazit: die meisten Bundesländer, soweit überhaupt eine entsprechende Regelung besteht, überlassen dem Betreuer sozusagen den Vortritt: entscheidet sich dieser für eine Unterbringung (geht also sein Willen in diese Richtung), so erfolgt keine Unterbringung nach PsychKG.

Strafrechtliche Unterbringung

Außerdem ist die strafrechtliche Unterbringung möglich (§ 63 StGB), wenn ein psychisch kranker Straftäter weitere erhebliche Straftaten zu begehen droht und schuldunfähig (§ 20 StGB) ist. Diese Freiheitsentziehung erfolgt aufgrund strafgerichtlicher Entscheidung im Rahmen des Maßregelvollzugs.

Rechtsprechung

OLG Hamm, Beschluss vom 19. Dezember 2006 - Az: 15 W 126/06: Patientenverfügung gegen Unterbringung?:

Schließt eine mit einer Vorsorgevollmacht verbundene Patientenverfügung die stationäre psychiatrische Behandlung aus, so steht dies einer Unterbringung auf der Grundlage des § 11 PsychKG Nordrhein-Westfalen nicht entgegen, sofern der Vorsorgebevollmächtigte den Schutz des Betroffenen bei einer erheblichen Eigengefährdung nicht gewährleisten kann. Eine Behandlung gegen den Willen des Patienten ist aber nur bei akuter Fremdgefährdung gestattet.

siehe auch

Literatur

  • Bohnert: Unterbringungsrecht, Beck-Verlag München ISBN 3-406-47174-9
  • Deinert: Betreuertätigkeit und Freiheitsentziehungen nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen; BtPrax 2000, 191
  • Deinert/Jegust: Das Recht der psychisch Kranken (Textsammlung), 2. Aufl. Bundesanzeiger, Köln 2006, ISBN 3-89817-477-8
  • Kopetzki: Grundriss des Unterbringungsrechts (f. Österreich), ISBN 3-211-82890-7
  • Zwang. Was tun bei Betreuung und Unterbringung? ISBN 3-928-31608-7

Wissenschaftliche Untersuchungen

Weblinks

PsychKGs und UBGs

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