Zündeln

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Ausgebrannter Container

Der Begriff Pyromanie (von griech. πῦρ (pyr) = Feuer, μανία (mania) = Raserei) bezeichnet die pathologische Brandstiftung und wurde im frühen 19. Jahrhundert geprägt, siehe dazu auch Monomanie. Diese Lehre lehnt die Psychiatrie und insbesondere die forensische Psychiatrie seit Anfang des 20. Jahrhunderts entschieden ab, im Gegensatz zur Manie, die jedoch nichts mit derartigen Zwangshandlungen zu tun hat.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsgeschichte

Der Begriff entstammt der Monomanielehre der französischen Psychiater Jean Etienne Dominique Esquirol und Charles Chretien Henry Marc.

Deutsche Entsprechungen des Begriffs

Der Begriff bedeutet zunächst „Monomanie der Brandstiftung“. Im deutschen Sprachraum werden u.a. folgende Entsprechungen gefunden:

  • „pathologische Brandstiftung“
  • „triebhafte Brandstiftung“
  • „süchtiges Brandstiften“
  • „zwanghaftes Brandstiften“

Nicht selten wird der Begriff auch völlig außerhalb eines psychiatrischen Kontextes gebraucht, um Personen zu charakterisieren, die gern beziehungsweise leidenschaftlich mit Feuer umgehen (zündeln).

Ablehnung des Begriffs in der forensischen Psychiatrie

Mit der Ablehnung der Monomanielehre bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde auch der Begriff der Pyromanie von der Psychiatrie verworfen.

Übernahme des Begriffs in die Internationale Klassifikation psychischer Störungen

Der Begriff der Pyromanie findet sich noch in der ICD-10 im Kapitel F63 („Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“), unter anderem mit der Kategorien F63.3 „pathologische Brandstiftung [Pyromanie]“.

Problematisch an der Aufnahme des Begriffs in psychiatrische Klassifikationssysteme ist, dass hiermit die Erwartung geweckt wird, Brandstiftungen mit Merkmalen der „Pyromanie“ würden als psychische Störungen von Gerichtspsychiatern und Gerichten als schuldmindernd anerkannt.

In populärwissenschaftlichen Zusammenhängen, in Feuilletons oder gerade auch im Internet taucht der Begriff immer wieder auf, in der Regel mit der mehr oder weniger offen formulierten Annahme, dass hier eine psychische Störung vorliege.

Kriterien

Pyromanie ist ein klar umrissenes Krankheitsbild. Im „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“, dem international gültigen Diagnosekatalog der Psychiatrie, finden sich eindeutige Kriterien:

  • Die bewusste und vorsätzliche Brandstiftung in mehreren Fällen.
  • Große Anspannung und Erregung vor der Tat.
  • Großes Interesse an Feuer und allem, was damit zu tun hat.
  • Freude oder Erleichterung während der Brandstiftung
  • Die Brandstiftungen wurden nicht aus finanziellen Gründen, Rachegelüsten etc. unternommen.

Verbreitung

Pyromanie ist insgesamt relativ selten, ist aber unter Brandstiftern häufig verbreitet. In einer großen Studie in den USA fanden sich unter 1145 erwachsenen männlichen Brandstiftern 39% mit einer Pyromanie. Bei Frauen ist Pyromanie kaum vorhanden.

Oftmals wird angenommen, dass besonders viele Brandstifter selbst Mitglied in einer Feuerwehr sind. So haben Pyromanen aufgrund ihrer Krankheit oft eine gesteigerte Motivation, in eine Feuerwehr einzutreten, jedoch wird versucht, dies durch eine geeignete soziale und strafrechtliche (Führungszeugnis) Mitgliederauswahl zu verhindern. Auch eine Kontrolle innerhalb der sozialen Gruppen der Feuerwehr verhindert solche Tendenzen. Jedoch ist dieses Problem keine Besonderheit der Feuerwehr – auch andere Gruppen könnten ähnliche Anziehungspunkte für nicht geeignete Mitglieder darstellen (vergleiche Vorurteile: Schützenverein, Bundeswehr). Deshalb ist ein professioneller und differenzierter Umgang mit dem Thema notwendig.

Folgen und Komplikationen

Pyromanie kann zu Brandstiftung und zur damit verbundenen Sachbeschädigung führen; auch Menschen können dadurch gefährdet werden. Der Pyromane macht sich deshalb strafbar.

Behandlung

Die Behandlung erfolgt psychotherapeutisch und verhaltenstherapeutisch.

Weblinks

Literatur

  • Karl Birnbaum: Die psychopathischen Verbrecher. Thieme, Leipzig 1926.
  • Horst Dilling u.a. (Hrsg.): Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10, Kapitel V (F); klinisch-diagnostische Leitlinien. Huber, Bern 2006, ISBN 3-456-84286-4
  • Jean Etienne Dominique Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen. Hartmann, Leipzig 1827.
  • Jean Etienne Dominique Esquirol: Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Medizin und Staatsarzneikunde. Voß, Berlin 1838 (2 Bde.)
  • Werner Janzarik: Themen und Tendenzen in der deutschsprachigen Psychiatrie. Springer, Berlin 1974.
  • Charles Chretien Henry Marc: Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Rechtspflege Voß, Berlin 1843/1844 (2 Bde.)
  • André Matthey: Nouvelles recherches sur les maladies de l’esprit précédées considérations sur les difficulté de l’art de guérir. Paschoud, Paris, 1816.
  • Tobias Müller: Störungen der Impulskontrolle – Alter Wein in neuen Schläuchen? In: Rolf Baer u.a. (Hrsg.): Wege psychiatrischer Forschung. Perimed, Erlangen 1991, ISBN 3-88429-390-7
  • Henning Saß u.a.: Diagnostische Kriterien des diagnostischen und statistischen Manuals psychischer Störungen. DSM-IV-TR. Hogrefe, Göttingen 2003, ISBN 3-8017-1661-9
  • Ulrich Venzlaff, Friedemann Pfäfflin: Persönlichkeitsstörungen und andere abnorme seelische Entwicklungen. In: Klaus Foerster (Hrsg.): Psychiatrische Begutachtung. Elsevier, München 2004, ISBN 3-437-22900-1
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