- Beyond Budgeting
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Beyond Budgeting[1] (in jüngerer Zeit auch "Beta-Kodex" genannt; deutsch sinngemäß „Budgetierung überwinden“) ist eine 1998 in England initiierte Forschungsinitiative und ein Managementmodell für Organisationen jeder Art "jenseits von Weisung und Kontrolle". Es wird als eine Alternative zum tayloristischen, bürokratisch-hierarchischen Organistaionsmodell verstanden und definiert sich durch 12 Leit-Prinzipien. Entwickelt wurde das Modell aus fallstudien- und theoriebasierter Forschung zwischen 1998 und ca. 2002. Bis heute wird der Beyond Budgeting Round Table getragen durch eine Mitgliedergemeinschaft von Unternehmen aus 4 Kontinenten.
Inhaltsverzeichnis
Vergleich mit bekannten Vorgehensmodellen
Beyond Budgeting ist eine Alternative zu den klassischen Ausprägungen des Managements als Steuerungssystematik für funktional und hierarchisch geteilte "Pyramidenorganisation". Die 12 Prinzipien des Beyond Budgeting skizzieren, wie Organisationen statt der funktionalen Pyramidenstruktur zu einer "radikal dezentralisierten", funktional integrierten Netzwerkstruktur gelangen können. Für solche Strukturen fanden die Initiatoren der Beyond-Budgeting-Bewegung bereits verschiedene erfolgreiche Fallbeispiel-Organisationen in der Praxis. Theoriewissenschaftlich bedient sich Beyond Budgeting dabei u. a. bei der Systemtheorie, der Kybernetik, der Chaos-Theorie und Konzepten wie der lernenden Organisation.
Historie
Beyond Budgeting entwickelte sich aus dem Versuch im Finanzmanagement, eigenen stringenten und gern hoch gehandelten Ansätzen formalisierter Budgetplanung zu entkommen. Diese bekannten Vorgaben werden von Adepten des Beyond Budgeting als Führungsmodell der Steuerung und Kontrolle bezeichnet. Das entspricht einem primär durch intern definierte Kennzahlen und pekuniär fokussierten Konzept der Unternehmensführung. Nun soll durch Beyond Budgeting die marktorientierte unternehmerische Zielplanung wieder in den Vordergrund rücken.
Als eine der ersten identifizierten Beyond Budgeting Organisationen kann die schwedische Handelsbanken bezeichnet werden, die bereits in den 70er Jahren einen radikalen Veränderungsprozess [2] durchlief. Handelsbanken war eine von rund 25 Organisationen, die in der Entwicklungsphase des Beyond-Budgeting-Modells von den Direktoren des BBRT besucht und in Form von Fallstudien beschrieben wurde. Andere auf diese Weise in Form von fallstudienbasierter Forschung beschriebenen Unternehmen waren AES (USA), Schneider Electric, Ikea, Borealis, sowie Guardian Industries. Aus der fallstudienbasierten Forschung wurde nach und nach ein prinzipiengeleitetes Modell abgeleitet, das die gemeinsamen Eigenschaften der verschiedenen Unternehmen subsumiert. Die Veröffentlichungen des BBRT zwischen 1997 und 2002 dokumentieren diese Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Das definitive "Set" von 12 Prinzipien kristallisierte sich in 2001 und 2002 heraus. Weitere Fallbeispiele kamen in der zweiten Forschungsphase hinzu, darunter auch das deutsche Unternehmen dm-drogerie markt, das sich Anfang der 90er Jahre von der klassischen Führung über Budgetierung, Jahrespläne und fixierten Leistungsverträgen und die Kontrolle von deren Einhaltung verabschiedete. Weitere Pionierunternehmen, die in verschiedenen Beyond-Budgeting-Publikationen genannt und erforscht wurden, sind Aldi, Southwest Airlines, Toyota, W.L.Gore, Google, Egon Zehnder International, Trisa, und andere.
Begriff und Prinzipien
Der Begriff Beyond Budgeting bezeichnet ein "Paradigma". Zugleich ist Beyond Budgeting eine "Bewegung", getragen durch eine Mitgliederorganisation namens Beyond Budgeting Round Table, BBRT. Ein entscheidendes Merkmal von Beyond Budgeting als "Paradigma" ist, dass es Prinzipien definiert, die traditionellem, von tayloristischen Prinzipien getragenem Management entgegenläuft. Im Gegensatz zu anderen Management-Konzepten ist Beyond Budgeting damit weder ein Werkzeug, noch eine Standardlösung. Es beschreibt vielmehr ein Modell im systemischen Sinn, und zugleich eine „Denkweise“.
Der Beyond Budgeting Round Table wurde 1998 von Robin Fraser, Jeremy Hope und Peter Bunce als Arbeitsgruppe "Beyond Budgeting Round Table" innerhalb des Industrieverbands CAM-I (Consortium of Advanced Management, International) gegründet. In 2001 wurde BBRT zu einer eigenständigen not-for-profit-Organisation, unabhängig von CAM-I.
Vorgehensweise
Die Vorgehensweise fußt auf einem Set von untereinander interdependenten Prinzipien. Diese Prinzipien stehen im Gegensatz zu den impliziten und expliziten Prinzipien auf Frederick W. Taylor und andere zurückgehenden sogenannten "tayloristischen", von Beyond Budgeting-Vertretern als "traditionell" bezeichneten Management-Modell, das oftmals auch als "command-and-control"-Modell (Weisung und Kontrolle) bezeichnet wird. Für den Erfolg einer Organisation in dynamischen, nicht-linearen Umwelten sind nach Beyond Budgeting zwölf Prinzipien bedeutsam, die von 1998 aus fallstudienbasierter Forschungsarbeit heraus sukzessive identifiziert und ab 2001 vom BBRT in jeweils sechs Performance-Management- und sechs Führungsprinzipien untergliedert wurden:
Führungsprinzipien
- Werte – mit einigen wenigen, klaren Werten, Zielen und Grenzen lenken, nicht mit detaillierten Regelwerken
- Verantwortung – allen Mitarbeitern ermöglichen, selbstverantwortlich zu denken und unternehmerisch zu handeln; nicht die Befolgung von Plänen anregen
- Selbständigkeit – Teams die Freiheit und den Raum zum Handeln geben, ohne Mikro-Management von oben
- Organisation – ein schlankes Netzwerk aus ergebnisverantwortlichen Teams schaffen, keine zentralistische, funktional geteilte Pyramide
- Kunden – alle Mitarbeiter auf ihre Kunden ausrichten; nicht auf Hierarchie und Machtbeziehungen
- Transparenz – Information zum Zweck der Selbststeuerung offen zugänglich bereitstellen, nicht den Zugang hierarchisch begrenzen oder Informationsmacht zulassen
Performance-Management-Prinzipien
- Ziele – relative Ziele für kontinuierliche Verbesserung setzen, keine fixierten Leistungsverträge verhandeln
- Belohnung – gemeinsamen Erfolg basierend auf erbrachter Teamleistung belohnen; nicht Mitarbeiter durch Zielerreichung motivieren oder anreizen
- Planung – als kontinuierlichen und integrierten Prozess praktizieren, nicht als jährliches Top-down-Event
- Ressourcen – dann bereit stellen, wenn sie benötigt werden, nicht durch jährliche Zuteilung und Allokation
- Koordination – Zusammenarbeit marktlich-dynamisch koordinieren, nicht über Planungszyklen
- Kontrolle – basierend auf relativen Indikatoren, Trends und Soll-Ist-Vergleichen, nicht mittels Planabweichung
Fallbeispiele, Pioniere, Vereinigungen innerhalb des Beyond-Budgeting
Als Pioniere werden Unternehmen gezählt, die den Übergang hin zu einer prinzipiengeleiteten, flexiblen, dezentralisierten und wirtschaftlich erfolgreichen, den 12 Prinzipien des Beyond-Budgeting-Modells folgende Organisation vollzogen haben. Typischerweise hat diese Transformation zu "Beyond Budgeting" bereits vor der Entwicklung des Beyond-Budgeting-Modells stattgefunden. Jedes der Pionierunternehmen entwickelte sein eigenes Unternehmensmodell.
Zu den Pionieren des Beyond-Budgeting-Modells zählen Unternehmen wie Aldi, dm-drogerie markt, Svenska Handelsbanken, W.L.Gore, Semco, AES, Guardian Industries, Dell, Toyota, Southwest Airlines, Ahlsell, Ikea, Egon Zehnder International, Google, Flight Center, Herman Miller, Whole Foods, Trisa, WM-Group, Schindlerhof und Resource Informatik.
Interessengruppen
Beyond Budgeting Round Table
Als Interessengruppe hat sich das Beyond Budgeting Round Table (BBRT) [3] gegründet. Die Arbeit des BBRT soll aufzeigen, wie Unternehmen mit Beyond Budgeting' erfolgreicher vorgehen als mit klassischen Methoden. Dort wurden die 12 Führungsprinzipen beschrieben.
Diese Prinzipien wurden vom Beyond Budgeting Round Table (BBRT) seit Januar 1998[4] entwickelt und bisher weiter betreut.
Der BBRT zählte zwischen nach 1998 um 2007 über 150 Mitglieder (die Not-for-Profit-Organisation finanziert sich vorrangig durch Mitgliedsbeiträge), darunter namhafte Konzerne und auch öffentliche Organisationen, wie Unilever, Statoil, die Weltbank, Wachovia, T-Online, UBS, Japanese Tabacco und andere. Die meisten Mitgliedsunternehmen stammen aus Nordamerika und Europa.
Beyond Budgeting Transformation Network und BetaCodex Network
Nach dem Eintritt in den Ruhestand von Robin Fraser, BBRT-Mitbegründer und Direktor, und ideell dem "Vater" des Transformationsflügels innerhalb des BBRT Ende 2007, gründeten die verbleibenden Vertreter des Transformationsansatzes Anfang 2008 die "open source"-Bewegung "Beyond Budgeting Transformation Network", oder BBTN[5]. Mit diesem Netzwerk sollen Unternehmen beim Übergang vom Führungsmodell der Steuerung und Kontrolle zu Beyond Budgeting aktiv zu unterstützen. Im Jahr 2009 wurde das Netzwerk in BetaCodex Network umbenannt - das Beyond Budgeting-Modell wird von dieser Community seitdem auch als der "Beta-Kodex" bezeichnet.
Während der BBRT weiterhin vorrangig forschend und als Denkfabrik agiert, versucht das BetaCodex Network vor allem ein Netzwerk von umsetzungsinteressierten und transformierenden Organisationen mit der dazugehörigen Entwicklung von Ressourcen und Methoden hervorzubringen.
Weiterentwicklung
Jüngere Publikationen zeigen die Entwicklung von Beyond Budgeting zu einem ganzheitlichen Ansatz zur Unternehmensführung und tiefgreifenden Veränderung ganzer Organisationen, wie etwa bei Pflaeging. Zusätzliche, in den letzten Jahren veröffentlichte Publikationen bestätigen diesen Trend. Andere Publikationen zeigen einen Übergang von einer Beschreibung als Führungsansatz zu einem Modellierungsansatz, wie etwa in Morlidge, Steve; Player, Steve: Wirtschaft und Management - Future Ready - How to Master Business Forecasting, Wiley, 2009/2010.
Siehe auch
- Taylorismus/ Scientific Management
- Zero-Base-Budgeting
- Zielkostenrechnung
- Götz Werner/ dm-drogerie markt
Literatur
- Bjarte Bogsnes: Implementing Beyond Budgeting. Unlocking the Performance Potential. Wiley & Sons, New York NY 2008, ISBN 978-0-470-40516-1.
- Jürgen H. Daum (Hrsg.): Beyond Budgeting. Impulse zur grundlegenden Neugestaltung der Unternehmensführung und -steuerung. Martin Meidenbauer Verlag, München 2005, ISBN 3-89975-533-2.
- Gablers Wirtschaftslexikon. Beyond Budgeting, Definition, Detaillierte Erklärung.[6]
- Jeremy Hope, Robin Fraser: Beyond Budgeting. Wie sich Manager aus der jährlichen Budgetierungsfalle befreien können. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-7910-2144-3.
- Niels Pfläging: Beyond Budgeting, Better Budgeting. Ohne feste Budgets zielorientiert führen und erfolgreich steuern.[7] Haufe-Mediengruppe, Freiburg (Breisgau) u. a. 2003, ISBN 3-448-05643-X.
- Niels Pfläging: Führen mit flexiblen Zielen. Beyond Budgeting in der Praxis. Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2006, ISBN 3-593-37918-X.
- Niels Pfläging: Die 12 neuen Gesetze der Führung. Der Kodex: Warum Management verzichtbar ist. Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2009, ISBN 978-3-593-38998-1.
Einzelnachweise
- ↑ Jeremy Hope,Robin Fraser: Beyond budgeting: how managers can break free from the annual performance trap, Harvard Business Press, 2003
- ↑ internationale handelsbanken homepage
- ↑ Beyond Budgeting Round Table
- ↑ BBRT-Website
- ↑ BBTN-Website
- ↑ [1]
- ↑ Beyond Budgeting, Better Budgeting - Online Version
Weblinks
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