- Bezugsrechtwert
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Ein Bezugsrecht (engl. pre-emptive right) ist ein mögliches Anrecht eines Altaktionärs auf den Bezug von jungen (neuen) Aktien bei einer Bezugsrechtsemission.
Inhaltsverzeichnis
Hintergründe
Die Gründe, weshalb Altaktionären ein Bezugsrecht eingeräumt wird, sind vielfältig. Zum einen ist die Gewährung eines Bezugsrechts in Deutschland bei einer Kapitalerhöhung von über zehn Prozent verpflichtend, sofern keine außerordentlichen Umstände vorliegen. Dadurch sollen vor allem die Altaktionäre geschützt werden, da eine Kapitalerhöhung den Verwässerungseffekt mit sich bringt, wodurch der effektive Anteil des jeweiligen Unternehmens sinkt. Dieses kann sowohl bezogen auf den Einfluss durch die mit Stammaktien verbundenen Stimmrechte der Fall sein, als auch auf den relativen Dividendenanteil bei Stamm- und besonders auch bei Vorzugsaktien.
Weiterhin ist es oft einfacher, bestehende Aktionäre zum Kauf zusätzlicher Aktien zu bewegen als komplett neue Aktionäre zu werben. Das Bezugsrecht stellt daher ebenfalls einen Anreiz für Altaktionäre dar, von den Jungen Aktien zumindest einen Teil direkt zu zeichnen und somit den relativen Anteil am Stimmrecht bzw. an den Dividenden so teilweise aufrecht zu erhalten. Das Bezugsverhältnis, welches sich durch die Relation Alte Aktien/Junge Aktien ergibt, sorgt dafür, dass jeder Altaktionär ein Bezugsrecht in genau der Höhe erhält, wie er benötigt, um sein Kapitalanteil nicht zu verwässern. Indem der Theoretical ex-rights price ermittelt und davon der Ausgabepreis der Jungen Aktien subtrahiert wird, lässt sich der rechnerische Wert eines "ganzen" Bezugsrechts ermitteln. Alternativ lässt sich dieser Wert eines "ganzen" Bezugsrechts auch durch die Division der Differenz aus Preis der Alten Aktien und TERP mit dem Bezugsverhältnis errechnen.
- Wert eines "ganzen" Bezugsrechts = TERP - Ausgabepreis neue Aktien
- Wert eines "ganzen" Bezugsrechts = (Alter Aktienkurs - TERP)/Bezugsverhältnis
Durchführung einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht
Bei einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechten sind für eine Zeitspanne von mindestens 2 Wochen (14 Tagen) den Altaktionären die jungen Aktien entsprechend des Bezugsrechtpreises anzubieten[1]. Sofern in diese 14-tägige Bezugsfrist keine Börsenfeiertage fallen, stehen den Altaktionären daher 10 Handelstage zur Annahme des Bezugsangebotes zu. Dabei ist entweder der genaue Ausgabepreis der neuen Aktien vor Beginn der Bezugsfrist anzugeben oder die Regeln, nach dem dieser später bestimmt wird. Im letzteren Fall muss der genaue Ausgabepreis der jungen Aktien spätestens 3 Tage vor Ablauf der Bezugsfrist bekannt gegeben werden. Alle jungen Aktien, die am Ende der Bezugsfrist nicht durch die Ausübung der Bezugsrechte erworben wurden, werden dann meist im Rahmen eines Bookbuilding-Verfahrens durch die Konsortialbanken im Markt platziert. Der Preis für diese wird dabei oft kurz unterhalb des dann aktuellen Aktienkurses festgelegt.
Wird beispielsweise das gezeichnete Kapital einer AG von 50 Mio. auf 60 Mio. mit einem Bezugsverhältnis von 5 : 1 erhöht, so erhält jeder Aktionär für 5 alte Aktien das Recht, eine neue Aktie (auch junge Aktie) im Rahmen der Kapitalerhöhung zu erwerben. Für jede alte Aktie in ihrem Besitz erhalten die Aktionäre ein Bezugsrecht. Fehlen einem Aktionär die notwendigen Bezugsrechte, um eine junge Aktie erwerben zu können, kann er die ihm fehlenden Bezugsrechte zukaufen oder einen Teil der ihm zugeteilten Bezugsrechte verkaufen bzw. seine Bezugsrechte auch verfallen lassen.
Den Aktionären einer Gesellschaft (Aktiengattung A) kann dabei ein Bezugsrecht auf die Aktien gleiche Aktiengattung gewährt werden, als auch auf eine andere Aktiengattung B. Ebenfalls sind Sonderfälle wie die Ausgabe von Bezugsrechten auf festverzinsliche Instrumente, Genussscheine, Anleihen und Instrumente mit Optionsrecht möglich.
Optional (derzeit in Deutschland nicht verpflichtend) richten die Konsortialbanken einen Bezugsrechtehandel ein, um den Altaktionären eine einfache Möglichkeit zu bieten, ihr Bezugsrecht während der Bezugsfrist zu verkaufen.
Geschichte
In den Jahrzehnten der Aktiengesellschaften gab es keinerlei Bezugsrechtsregelung. Allerdings war es bei Kapitalerhöhungen üblich die Jungen Aktien an die Altaktionäre zu verkaufen. Dieses änderte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als in den Vereinigten Staaten die Portland Bank sowie das Unternehmen Continental Trust Co. Kapitalerhöhungen durchführten und die Jungen Aktien an fremde Investoren verkauften ohne diese den Altaktionären pro-rata zum Kauf anzubieten[2]. In den darauf folgenden Gerichtsverhandlungen wurde erstmals entschieden, dass dieses aufgrund des Verwässerungseffektes und der dadurch entstehenden Ungerechtigkeit nicht zulässig war und den Altaktionären ein generelles Bezugsrecht zu gewähren ist.
In Deutschland wurden verpflichtende Bezugsrechte erstmals mit dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB) im Jahr 1861 eingeführt[3].
Ausschluss von Bezugsrechten
Nicht bei jeder Kapitalerhöhung gibt es notwendigerweise Bezugsrechte. Die Aktionäre können bei einer ordentlichen Kapitalerhöhung das Bezugsrecht ausschließen (3/4 Mehrheit in der Hauptversammlung).
Weitere Voraussetzung des Ausschlusses von Bezugsrechten ist, dass der Anstieg des Grundkapitals durch die Kapitalerhöhung geringer als 10% ist und der Emissionspreis den aktuellen Börsenkurs nicht wesentlich unterschreitet[4]. Als "wesentlich" ist in Deutschland eine Grenze von etwa 5 % zu betrachten.
Diese 10-%-Grenze beim Bezugsrechtsausschluss kann nur in beim Vorliegen besonders triftiger Gründe erfolgen. Diese Gründe können z.B. beim Erwerb von fremden Unternehmen, Unternehmensanteilen oder Beteiligungen vorliegen in dessen Fällen die Jungen Aktien dann als Bezahlung genutzt werden. Ein weiterer triftiger Grund ist auch die Zulassung der Aktien der jeweiligen Gesellschaft zum Handel an einer ausländischen Börse, an denen die Aktien bisher nicht zum Handel zugelassen sind, und an der die Jungen Aktien dann ausgegeben werden.
Während ein Teilausschluss von Bezugsrechten bereits in AktG von 1861 vorgesehen war[5], ist dieser Teilausschluss, der z.B. einen großen Aktionär nicht ausschließt alle anderen jedoch schon, nach heutiger Rechtsprechung eher problematisch[6]. Dieses wird besonders unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Aktionäre so gesehen, während früher die Meinung vorherrschte, dass dieses quasi ein genereller Bezugsrechtsausschluss ist, nur mit der Besonderheit, dass die 3. Partei, der die jungen Aktien zugeteilt werden, bereits Aktionär ist. Diese Problemstellung wird insbesondere dann interessant, wenn mit einem solchen Konstrukt schrittweise versucht werden sollte, durch die Teilverwässerung eine 95-%-Dominanz zu erzielen, mit der dann die verbleibenden Aktionäre über einen Squeeze-out herausdrängbar wären.
Gründe für den Ausschluss von Bezugsrechten
Zum einen muss das Bezugsrecht ausgeschlossen werden, wenn die Aktiengesellschaft Belegschaftsaktien ausgeben möchte, zum anderen, wenn eine Wandelschuldverschreibung aufgelegt wird, also eine Schuldverschreibung, die den Umtausch von Fremdkapital in Aktien am Ende der Laufzeit der Anleihe ermöglicht oder bedingt.
Folgen für Investoren
Wird das Bezugsrecht ausgeschlossen, so haben Investoren keine Möglichkeit über vergünstigte Bezugsrechte an der Kapitalerhöhung zu partizipieren. Dadurch bleibt zunächst der Anteil eines Investors am Grundkapital nominal gleich, während das Volumen des gesamten Grundkapitals jedoch steigt. Dadurch hat ein Aktionär effektiv einen geringeren Besitzanteil am Unternehmen als vor der Kapitalerhöhung, was als Verwässerungseffekt bezeichnet wird. Folge des Ganzen ist, dass der Aktienkurs des jeweiligen Unternehmens stark oder weniger stark sinkt, was aus Sicht der Anleger als negativ zu bewerten ist.
Situation in anderen Ländern
Schweiz
Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, die - anders als z. B. Deutschland - einen Ausschluss des Bezugsrechts bei Kapitalerhöhungen von geringem prozentualen Anteil am Stammkapital nicht vorsehen, siehe Schweizer Obligationenrecht.
Ein Bezugsrechtausschluss ist in der Schweiz lediglich möglich, wenn wichtige Gründe, wie z. B. eine Übernahme von anderen Unternehmen, diese unbedingt erforderlich machen[7]. Genau wie bei der Genehmigung einer Kapitalerhöhung von Stammaktien muss auch eine eventuelle Einschränkung oder komplette Aufhebung des Bezugsrechts von mindestens 2/3 der anwesenden Aktionäre auf einer ordentlichen Generalversammlung beschlossen werden[8].
Vereinigtes Königreich
Im Vereinigten Königreich sind bei Kapitalerhöhungen, sofern diese gegen Bareinlagen erfolgen und keine Emissionen von Bonusaktien sind, Bezugsrechte generell an alle Altaktionäre pro-rata zu vergeben[9]. Ausnahme besteht für Aktien aus Mitarbeiteraktienprogrammen (§566). Die reguläre Bezugsfrist ist dabei 21 Tage, kann jedoch durch entsprechenden Beschluss auf bis zu 14 Tage reduziert werden (§ 562).
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ http://bundesrecht.juris.de/aktg/__186.html
- ↑ Henry S. Drinker, Jr. (1930) The Preemptive Right of Shareholders to Subscribe to New Shares
- ↑ Siehe ADHGB §282 ff
- ↑ § 186 Abs. 3 AktG
- ↑ Siehe Kommantar aus 1902 / Seite 560/561
- ↑ Vgl. Uwe Hüffler, Kommantar zum Aktiengesetz (5. Auflage) Seite 874
- ↑ Schweizer Obligationenrecht Art. 652b
- ↑ Schweizer Obligationenrecht Art. 704
- ↑ §§561, 564, 565 Existing shareholders’ right of pre-emption
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