- Bibelkodex
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Der Begriff Bibelcode (auch bekannt als Bibelkodex oder Torah-Code) bezeichnet die Vorstellung, dass es im Text der Bibel verschlüsselte Botschaften gibt. Dieser These wird von vielen Mathematikern und anderen Wissenschaftlern sowie von Kirchen und religiösen Gruppen widersprochen.
Unter diesem Code versteht man im allgemeinen die Anordnung der Buchstaben des Bibeltextes (ausgenommen Leerzeichen) in einem rechteckigen Kasten, in welchem – vergleichbar einem Suchrätsel in Kreuzworträtsel-Magazinen – nach Stichwörtern gesucht wird. Der Abstand der auszuwählenden Buchstaben ist frei wählbar, muss aber stets derselbe sein. Dabei kann waagerecht, senkrecht oder diagonal gesucht werden; auch die Leserichtung ist beliebig: so kann von links nach rechts ebenso wie von rechts nach links, von unten nach oben ebenso wie von oben nach unten gelesen werden. Hierdurch entstehen aus im Originaltext nicht zusammenhängenden Buchstaben einzelne Wörter oder kurze Sätze.
Eine solche Codierung wird heutzutage dem Gebiet der Steganographie zugeordnet; allerdings lässt sich für die behaupteten Bibelcodes weder ein „Generalschlüssel“ noch eine Systematik oder ein Schema bestimmen, mit dem sich Informationen gezielt auffinden ließen.
Kritiker führen an, dass durch die willkürlichen Spaltenbreite des Schemas (in diesem Fall mehrere tausend Buchstaben, nur mittels Computer lösbar), gepaart mit der Tatsache, dass die hebräische Schrift nur Mitlaute, aber keine Selbstlaute kennt, eine große Zahl von Treffern in Form von Wörtern mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Darüber hinaus sind in bestimmten Fällen bei der Wiedergabe nicht-hebräischer Wörter und Namen einige Buchstaben des Hebräischen phonetisch austauschbar, wodurch die effektive Zahl von Buchstaben und deren Kombinationen reduziert und somit die Wahrscheinlichkeit von Treffern weiter erhöht wird.
Inhaltsverzeichnis
Ist in der Bibel ein Code verborgen?
1997 behauptete der US-amerikanische Journalist Michael Drosnin, der hebräische Originaltext der Bibel enthalte eine verborgene Ankündigung der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin im Jahr 1995. Drosnin schrieb, er hätte vor dem Attentat vergeblich versucht, Yitzhak Rabin zu warnen.
Später erschienen weitere Veröffentlichungen, in denen Drosnin behauptete, dass der Tora ein verborgener Code eingeschrieben sei, der ihre göttliche Inspiration beweisen könnte. Außerdem seien allerlei weltgeschichtliche Ereignisse – von Hitlers Holocaust bis hin zum Krieg von Harmagedon – im Text der Tora versteckt.
Die Idee, im Text der Tora einen verborgenen Code zu suchen, ist eine Idee der Kabbala, einer im Mittelalter entstandenen mystischen Bewegung. Demnach sei die einfache Bedeutung des Textes der hebräischen Bibel nicht seine wahre Bedeutung, vielmehr habe Gott jeden Buchstaben als Symbol benutzt, um jenen, die sie zu deuten wüssten, eine erhabenere Wahrheit zu enthüllen.
Der kabbalistische Rabbi Bachya Ben Asher von Zaragoza in Spanien schrieb bereits im 13. Jahrhundert, er habe in Intervallen von 42 Buchstaben in einem Abschnitt der Genesis ein Geheimnis entdeckt. Diese Methode benutzte auch Drosnin – allerdings mit Mitteln des Computerzeitalters. Dazu angeregt wurde er im August 1994 durch einen Artikel in der Zeitschrift Statistical Science. Diese meldete, Eliyahu Rips von der Hebräischen Universität Jerusalem habe gemeinsam mit Kollegen im hebräischen Text der Genesis nach Löschung der Wortzwischenräume und durch Überspringen von Buchstaben in stets gleichen Intervallen die Namen 34 berühmter Rabbis gefunden – samt Geburtstag- oder Sterbedatum unweit der Namen. Da dies statistisch gesehen kein Zufall sein könne, beweise dies, dass göttlich inspirierte Informationen vor Jahrtausenden als „Bibelcode“ verborgen wurden.
Mit dieser Methode untersuchte auch Drosnin die Tora. Dabei habe er den Namen „Yitzhak Rabin“ in Intervallen von 4.772 Buchstaben gefunden. Nachdem er den Toratext in Zeilen von je 4.772 Buchstaben anordnete, kreuzte sich Rabins Name (vertikal gelesen) mit dem Text von 5. Mose 4:42 (horizontal). Ihn übersetzte Drosnin mit: „Mörder, der morden wird“. Hierbei geht es um einen Totschläger, der „unversehens“ (unerwartet, jäh, nicht: unabsichtlich!) tötete. Darum wurde Drosnin vorgeworfen, auf diese Art sei jedes Ereignis zu prophezeien. Drosnin meinte dagegen, er werde sich überzeugen lassen, wenn es seinen Gegnern gelänge, auch in Moby Dick Hinweise auf einen Ministerpräsidenten und seine Ermordung zu finden.
Ein Beweis göttlicher Inspiration?
Der Informatiker Brendan McKay von der Nationaluniversität Australiens untersuchte daraufhin den englischen Text von Moby Dick. Drosnins Methode führte zu „Ankündigungen“ der Ermordung von Indira Gandhi, Martin Luther King, John F. Kennedy, Abraham Lincoln und weiterer Personen – nicht zuletzt: Yitzhak Rabin. McKays Vorwurf lautete, auf diese Weise finde man keine inspirierte verschlüsselte Botschaft, sondern eben die Daten, die man nach eigenem Ermessen vorab wählte.
Interessierte Forscher gingen sogar noch weiter und untersuchten auch kurze Texte. Eine willkürlich herausgegriffene, aktuelle Pressemitteilung der Firma Microsoft lieferte bei Untersuchung mit den vorhandenen Computerwerkzeugen innerhalb weniger Minuten Bezüge zum Zeitgeschehen, namentlich zum Prozess um O. J. Simpson und zum Box-Kampf zwischen Mike Tyson und Evander Holyfield, bei dem letzterem ein Ohr teilweise abgebissen wurde. So fanden sich die Zeichen „ojdidit“ (O. J. hat es getan), „ear“ (Ohr) sowie der Name des verletzten Kontrahenten in sich überschneidenden oder zumindest nahestehenden Bereichen des Textkastens.
Auch die Behauptung, codierte Botschaften seien absichtlich im hebräischen Urtext verborgen worden, ist strittig. Drosnins Aussage, nach der „alle heute in der hebräischen Originalsprache vorhandenen Bibeln Buchstabe für Buchstabe identisch sind“, ist falsch. Es ist zwar erstaunlich, dass der Bibeltext über Jahrtausende bewahrt wurde, ohne dass sinngemäße Unterschiede bestehen, jedoch sind die einzelnen erhaltenen Handschriften nicht Buchstabe für Buchstabe identisch.
Die älteste vollständige hebräische Handschrift ist der Codex Leningradensis. Er wurde um 1000 n. Chr. angefertigt und ist Basis der meisten heutigen hebräischen Bibelübersetzungen. Rips und Drosnin benutzten jedoch den Text von Hanns Koren. Der Codex Leningradensis weicht von der Koren-Ausgabe ab – allein im Deuteronomium um 41 Buchstaben. Die Schriftrollen vom Toten Meer enthalten Bibeltexte, die vor über 2000 Jahren abgeschrieben wurden. Nicht deren sinngemäße Aussage, jedoch die Anordnung der Buchstaben weicht vom Codex Leningradensis noch weitgehender ab. In manchen Buchrollen wurden häufig Buchstaben hinzugefügt, um Vokale anzuzeigen, da Vokalpunkte damals noch nicht geschrieben wurden (die hebräische Schrift enthält keine Vokale; diese werden vom Leser je nach Zusammenhang ergänzt). Ein einziger geänderter Buchstabe würde die Buchstabenfolge samt der entstehenden Aussage komplett ändern, so sie denn vorhanden wäre.
Überdies handelt es sich bei der Bibel um zunächst mündlich überlieferte und erst später verschriftlichte Texte. Die Inspiration (der göttliche Geist) liegt daher im Inhalt, nicht in den einzelnen Buchstaben. Nur wer (im Gegensatz zu den meisten Theologen und Kirchen) von einer Verbalinspiration ausgeht, also den Text für wortwörtlich von Gott diktiert hält, könnte in derlei Codes einen Hinweis auf die Göttlichkeit des Textes sehen.
Der Bibelcode soll – so der englische Sachbuchautor und Mathematiker der Universität Oxford Marcus du Sautoy – inzwischen durch Persi Diaconis, Mathematiker an der Stanford-Universität, widerlegt worden sein.[1] Eine populäre Darstellung dieser Widerlegung ist derzeit nicht bekannt.
Rips und Witztum
Der eigentliche Entdecker signifikanter Abweichungen von der statistischen Verteilungswahrscheinlichkeit bestimmter „codierter“ Wortkombinationen in der Torah ist der Physiker Doron Witztum. Die von ihm, Yoav Rosenberg und dem von Drosnin fälschlich als „Entdecker des Bibelcodes“ dargestellten Rips durchgeführten Experimente erfolgten laut eigener Aussage der Beteiligten auf streng wissenschaftlicher Grundlage.[2]
Um die Ergebnisse abzusichern, verwandte Rips mehrere statistische Prüfverfahren mit Vergleichstexten sowie mit zufällig erzeugten Neuanordnungen des Originaltextes. Laut Witztum traten bei keinem anderen Text statistisch so signifikante Abweichungen auf wie im Originaltext.
Das treffe auch auf die von den Kritikern wie McKay verwandten Werke zu. Die in Moby Dick gefundenen Zusammenhänge seien ein Ergebnis gezielter Suche danach und entsprechend gestalteter Sequenzierung des Textes. McKay und andere Kritiker bedienten sich somit der gleichen Beliebigkeit und Unwissenschaftlichkeit, die sie Drosnin zu Recht vorwürfen. Das ergibt Sinn, da sie ja zeigen wollten, dass man mit Drosnins Methoden auch bei anderen Texten fündig wird. McKay sagt allerdings, dass auch Witztum von vornherein mit diesen Methoden gearbeitet hatte: „Jeder einzelne unserer Tricks war aus Witztums Arbeit kopiert.“[3]
Sowohl Witztum als auch Rips und Rosenberg haben sich nach dem Erscheinen des Buches von Drosnin distanziert, was er verständlicherweise auch im Nachfolgeband (Bibelcode II) verschweigt. Rips betont ausdrücklich, dass er nie mit dem Journalisten „zusammengearbeitet“ habe. Drosnins Gegner unter den Bibelcode-Befürwortern sagen, ein Ergebnis von Drosnins Tätigkeit sei, dass die weitere ernsthafte Erforschung des realen statistischen Phänomens, das in dieser Art und Häufung ausschließlich in der von Rips benutzten Toraversion auftrete, wieder unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinde.
Die gleichen Personen bezeichnen Drosnin als Sensationsjournalisten und meinen, er habe mit seinen oberflächlichen und auf Effekthascherei getrimmten „Entdeckungen“ der von ihm propagierten Forschung mehr Schaden zugefügt als ihr zu nutzen. Eine genaue und verständliche Beschreibung der von Rips benutzten Verfahren findet man bei einem der Weblinks unten.
Durch den Bibelcode inspirierte Fiktion
Der spanische Regisseur Álex de la Iglesia veröffentlichte 1995 die Filmkomödie El día de la bestia. Hierin findet der Bibelforscher und Priester Ángel Berriatúa (dargestellt von Álex Angulo) nach 25 Jahren Forschung an der Johannesapokalypse einen Zahlencode, der die Geburt des Antichristen ankündigt: Den 25. Dezember 1995 in Madrid. Pater Ángel macht sich auf den Weg, um den Weltuntergang zu verhindern, und begegnet Heavy-Metal-Fans, Neo-Faschisten und Fernseh-Astrologen.
Sonstiges
- Pi – System im Chaos (1998), Science-Fiction-Thriller (Film), Regie: Darren Aronofsky
- Der Bibelcode (2008), Mystery-Thriller (Film), Regie: Christoph Schrewe
Weblinks
- Der „Bibelcode“ aus jüdischer Sicht; von talmud.de
- Themeneintrag „Bibel-Code“ aus Sicht der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften
- Kompletter BBC-Text zur Sendung über den Bibelcode (engl.)
Einzelnachweise
- ↑ Marcus du Sautoy: Musik der Primzahlen - Auf den Spuren des größten Rätsels der Mathematik. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-52320-X, S. 332)
- ↑ Doron Witztum, Eliyahu Rips, Yoav Rosenberg: Equidistant letter sequences in the Book of Genesis. In: Statistical Science. 9, 1994, S. 429–438. doi:10.1214/ss/1177010393
- ↑ Brendan McKay: Did we really find codes in War and Peace? "Every single one of our tricks was copied from Doron Witztum's own work." [1]
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