Bodenkontamination

Bodenkontamination

Der umgangssprachliche Begriff Altlast bezeichnet einen abgrenzbaren Teil der Erdoberfläche, der infolge früherer menschlicher Tätigkeiten gesundheits- oder umweltschädliche Veränderungen des Bodens oder des Grundwassers aufweist, wodurch die durch Rechtsnormen geschützte Mindestqualität nicht mehr gegeben ist.

Inhaltsverzeichnis

Legaldefinition

Das Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) enthält folgende gesetzliche Definition:

„Altlasten im Sinne dieses Gesetzes sind

  1. stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und
  2. Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf (Altstandorte),

durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.”

Nicht jede Altablagerung oder jeder Altstandort ist auch eine Altlast. Eine Einstufung als Altlast setzt voraus, dass durch Boden- und/oder Grundwasseruntersuchungen eine Kontamination durch Schadstoffe eindeutig nachgewiesen wurde. Gibt es nur Hinweise auf eine Kontamination, z. B. aufgrund der Nutzung durch einen umweltrelevanten Betrieb oder die Verfüllung einer Kiesgrube mit undokumentiertem Material, wird die Fläche als Altlastenverdachtsfläche bezeichnet.

Die Einstufung als Altlast oder altlastenverdächtige Fläche trifft die zuständige Behörde nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens.

Wirkungspfade

Schadstoffe aus Altlasten können den Menschen auf folgenden Wegen, sog. Wirkungspfaden, erreichen und damit seine Gesundheit, ggf. sogar sein Leben, gefährden:

  1. Wirkungspfad Boden / Grundwasser --> Aus dem Grundwasser wird Trinkwasser gewonnen und speist sich das Oberflächenwasser ;
  2. Wirkungspfad Boden / Nutzpflanze --> Die Nutzpflanzen nehmen die Schadstoffe über die Wurzeln auf und speichern sie in Knollen (z. B. Kartoffeln, Rüben) oder Blättern (z. B. Salat, Spinat, Kohl). Früchte und Blätter werden durch aufgewirbelten Staub kontaminiert;
  3. Wirkungspfad Boden / Mensch --> Menschen kommen in Kontakt mit kontaminiertem Erdreich und nehmen die Schadstoffe über die Lunge (z. B. Staub in der Luft), die Haut (z. B. Gartenarbeiten) oder den Magen/Darm-Trakt (z. B. Kleinkinder, die Erde essen) auf.

Einstufung als Altlast

Die Erfassung von Altlastenverdachtsflächen ist in Deutschland weit fortgeschritten; dabei wurden mehr als 360.000 Flächen erfasst und in Altlastenkatastern bei den Bezirksregierungen dokumentiert. Die Ersterfassung erfolgte im Allgemeinen aufgrund historischer Recherchen, Betriebe mit altlastverdächtiger Tätigkeit und ehemalige Sand-/Kiesgruben wurden herausgefiltert. Ein festgestellter Altlastenverdacht führt im allgemeinen zu einem Wertverlust des Grundstückes, so dass spätestens bei geplanter Nutzungsänderung oder Verkaufsabsicht der Bedarf besteht, den Verdacht mit geeigneten Untersuchungen abzuklären. Viele Altlastenuntersuchungen werden daher im Zuge des Flächenrecycling ausgelöst.


Die Untersuchung erfolgt gemäß Bundesbodenschutzgesetz bzw. -verordnung in einer gestaffelten Reihenfolge:

  1. Beprobungslose Erfassung (Phase 1) bei Vorliegen eines Anhaltspunkts (z. B. alte Industriebrache als altlastverdächtige Fläche) durch Begehung, Aktenrecherche im Betrieb oder bei den Behörden, ggf. noch Luftbildauswertung oder Auswertung anderer Quellen
  2. Orientierende Untersuchung (Phase 2a): eine erste Erkundung durch Rammkernsondierungen in vermuteten hot-spots oder im weitmaschigen Raster über die zu untersuchende Fläche. Die Bewertung erfolgt anhand der sog. Prüfwerte in der Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV). Bei festgestellten Prüfwertüberschreitung hat sich der Verdacht konkretisiert, es folgt die
  3. Detailuntersuchung (Phase 2b): die horizontale und vertikale Ausdehnung des Schadens wird erkundet, ggf. werden auch Grundwasseruntersuchungen durchgeführt. Stellt sich die in der orientierenden Untersuchung festgestellte Kontamination lediglich als punktuelle Überschreitung heraus, erfolgt nicht automatisch eine Höherstufung der Verdachtsfläche zur Altlast.


Wird die Fläche jedoch von der zuständigen Umweltbehörde nach einer Gefährdungsabschätzung zur Altlast erklärt, ist im nächsten Schritt über die Sanierung oder Sicherung des Schadens zu entscheiden. Hierfür sind

  1. mögliche Sanierungs-/Sicherungsverfahren nach Machbarkeit und zu erwartenden Kosten gegeneinander abzuwägen und für ein präferiertes Verfahren eine Sanierungsuntersuchung durchzuführen (Phase 3a und b). Aus dem Ergebnis wird dann
  2. die Sanierungsplanung mit konkreter Zeit- und Kostenvorgabe erarbeitet.

Die Einstufung als Altlast bedeutet, dass die öffentliche Sicherheit gestört ist, also von der betroffenen Fläche eine Wirkung ausgeht, die vom BBodSchG und anderen Umweltgesetzen und deren untergesetzlichen Regelungen nicht gedeckt ist, also ein nicht rechtskonformer Zustand entstanden ist. Diese Störung des Rechtsgefüges erfordert Maßnahmen der „Heilung” = Sanierung.

Maßnahmen

Sanierungsmaßnahmen sind alle die Maßnahmen, die geeignet sind, einen rechtskonformen Zustand wieder herzustellen. Entsprechend dem Anspruch der „Heilung” können dies sein:

  • Verwaltungsmaßnahmen, wie z. B. Umnutzung der Fläche auf eine weniger empfindliche Nutzung (vergl. Baunutzungsverordnung);
  • Sicherungsmaßnahmen, wie z. B. der Einbau einer bautechnischen Sperre gegen die Auswirkung der Schadstoffe;
  • Umlagerung, bei der das schadstoffhaltige Material ausgebaut und an einem anderen Ort, z. B. in einer Deponie eingebaut wird;
  • Dekontamination, bei der die Schadstoffe technisch entfernt werden.
  • Sanierung, ohne "Maßnahmen" zu ergreifen, in dem die Selbstreinigung auf natürlichem Weg erfolgt durch kontrollierten natürlichen Rückhalt und/oder Abbau der Schadstoffe (KNRA), oft auch mit dem englischen Wort monitored Natural Attenuation benannt (MNA); die einzige "Maßnahme" dabei ist die Kontrolle der Veränderungen des Schadstoffgehaltes.

Der Erfolg der Sanierung muss mit geeigneten Messverfahren nachgewiesen werden, evtl. mit wiederkehrenden Messungen (z. B. die dauerhafte Wirksamkeit der Sicherung).

Eine gewisse Sonderstellung nehmen die sogenannten Rüstungsaltlasten ein. Damit werden Flächen bezeichnet, die der Produktion militärischer Güter (z. B. Sprengstoffe) dienten oder unmittelbar von Streitkräften benutzt wurden oder deren Kontamination durch Waffeneinwirkungen erfolgte. Bei einer Bestandsaufnahme Mitte der 1990er Jahre wurden 3240 solcher Flächen erfasst. Die erwähnte Sonderstellung beruht darauf, dass bei Nachweis einer direkten Kriegsfolge die Bundesrepublik Deutschland direkt haftet.

Sanierungsmaßnahmen werden eingeteilt in

  1. aktive Verfahren wie z. B. sogenannte „Pump and treat”-Verfahren (d. h. abpumpen und behandeln) oder Einbringen von Stoffen oder Energie und Behandlung mobilisierter Schadstoffe;
  2. passive Verfahren wie z. B. Einbau von Migrationssperren für Wasser oder Gas sowie das Einbringen von biologisch, chemisch oder katalytisch wirkender Materialien im Untergrund, z. B. reaktive Wände.

Für Dekontaminationsmaßnahmen gibt es folgende prinzipielle Einteilungen:

  1. In-situ-Verfahren: Entfernung der Schadstoffe im Untergrund, z. B. durch Einbringen von Stoffen oder Energie, die die Schadstoffe im Boden oder Grundwasser physikalisch, chemisch oder biologisch in "ungefährliche" Stoffe umsetzen.
  2. Ex-situ-Verfahren: Entfernung der Schadstoffe aus dem Boden außerhalb des Schadstoffherdes; dabei können allein die Schadstoffe mobilisiert und gefördert werden oder aber Schadstoffe mit ihrem Trägermaterial (Boden, Grundwasser) ausgebaut werden. Schadstoffe oder Schadstoffgemische werden in einer Behandlungsanlage dekontaminiert/aufbereitet.

Ex-situ-Verfahren werden, je nachdem, ob die Behandlung der Schadstoffe nahe dem Schadstoffherd oder anderen Orts stattfindet weiter unterteilt:

  1. Bei On-site-Verfahren werden die Schadstoffe auf dem zu sanierenden Grundstück oder in direkter Nähe eliminiert oder abgetrennt.
  2. Bei Off-site-Verfahren wird der Boden abgetragen und in einer weiter entfernten Anlage behandelt.

Siehe auch

Literatur

  • Bihler, Michael; Koch, Michael; Mücke, Wolfgang: Kursbuch Altlasten - Recht, Toxikologie und Technik, Vahlen; 1. Auflage, Vahlen Verlag, München, 2001, ISBN 3-800-62764-7
  • Knopp, Lothar; Albrecht, Eike: Altlastenrecht in der Praxis, 2. Auflage, Verlag für Rechts- und Anwaltspraxis Herne, Berlin, 1998, ISBN 3-927935-91-3
  • Stottmeister, Ulrich; Weißbrodt, Eirka; Tittel, Jörg: Natürliche Selbstreinigung: Von der Altlast zum See. Biologie in unserer Zeit 32(5), S. 276 - 285 (2002), ISSN 0045-205X
  • Wilrich, Thomas: Altlastenhaftung - Behördliche Störerauswahl und privatrechtliche Vereinbarungen, in: altlastenspektrum 2002, 257

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