Chemiekatastrophe

Chemiekatastrophe

Eine Chemiekatastrophe ist die im allgemeinen Sprachgebrauch verwendete Bezeichnung für einen verheerenden Unfall, bei dem Gifte freigesetzt werden. Durch den unkontrollierten Austritt von giftigen oder gesundheitsschädlichen Substanzen wird dabei ein wesentlicher Teil des entstandenen Gesamtschadens an Menschen und Umwelt verursacht.

Giftkatastrophen können durch ein einmaliges, plötzliches Ereignis ausgelöst werden oder das Ergebnis eines langandauernden Prozesses sein. Oft können die freigesetzten Stoffe Jahre oder Jahrzehnte später noch Schäden an der Bevölkerung (z.B. Anstieg der Fälle von Krebs) oder an der Umwelt anrichten.

Inhaltsverzeichnis

Liste von Chemiekatastrophen

Plötzlich eingetretene Ereignisse

In die folgende Liste wurden keine Ereignisse aufgenommen, die durch kriegerische Handlungen bzw. in bewaffneten Konflikten absichtlich verursacht oder billigend in Kauf genommen wurden. Zum Beispiel aufgrund der restriktiven Informationspolitik der vormaligen Ostblock-Staaten und Chinas ist diese Liste außerhalb Westeuropas unvollständig. Sie enthält zudem keine Katastrophen mit Erdöl- und Erdgas-Produkten sowie Brand- und Explosionskatastrophen, die unter den Siehe auch-Links zu finden sind.

Datum Ereignis Ort (Land) Unfallursache Freigesetzte Substanz Akut-Tote (mind.)
20. Mai 1928 Stoltzenberg Hamburg (Deutschland) Explosion Phosgen 10
28. Juli 1948 Kesselwagenexplosion in der BASF Ludwigshafen (Deutschland) Explosion Dimethylether, „giftige Gase“ 207
11. Juli 1968 Chemieunfall in Bitterfeld Bitterfeld (DDR) Explosion Vinylchlorid 42
1. Juni 1974 Flixborough-Unglück Flixborough (England) Explosion Cyclohexan 28
10. Juli 1976 Sevesounglück Seveso (Italien) unkontrollierte chemische Reaktion „Dioxin“ TCDD keine
3. Dezember 1984 Katastrophe von Bhopal Bhopal (Indien) unkontrollierte chemische Reaktion Methylisocyanat u. a. 3.800
1. November 1986 Brand bei Sandoz Schweizerhalle (Schweiz) Brand Disulfoton, Atrazin u. a. keine
4. Mai 1988 Los Frailes (Bergwerk) Aznalcóllar (Spanien) Dammbruch Giftmüll keine
23. Oktober 1989 Phillips Co. Houston (USA) Brand[1] Polyethylen 23
21. Juli 1992 Allied Colloids Low Moor (Bradford, England) Brand und Fluss-Einleitung Azo-bis-(isobutyronitril) (AIBN) keine (ca. 10.000 Fische verendet)[2]
30. Januar 2000 Baia-Mare-Dammbruch Baia Mare (Rumänien) Dammbruch Giftmüll keine
21. September 2001 Explosion in Toulouse Toulouse (Frankreich) Explosion Ammoniak 31
25. Dezember 2003 Gasexplosion von Chuandongbei Chuandongbei (China) Gasbohrloch-Explosion Erdgas, Schwefelwasserstoff 191
6. Januar 2005 Zugunglück von Graniteville Graniteville (USA) Zugunglück Chlorgas 10
13. November 2005 Chemieunfall von Jilin Jilin (China) Explosion Benzol, Nitrobenzol 5
4. Oktober 2010 Kolontár-Dammbruch Ajka (Ungarn) Dammbruch Rotschlamm 7

Langfristige Ereignisse

Datum Ereignis Ort (Land) Ursache Freigesetzte Substanz Betroffene
1788–1985 Chemische Fabrik Marktredwitz Marktredwitz (Deutschland) Bodenkontamination aus dem Betrieb eines Chemieunternehmens Quecksilberverbindungen Mitarbeiter
1932–1968 Minamata-Krankheit Minamata (Japan) Abwässer Methylquecksilber über 2.000 Betroffene wurden anerkannt, möglicherweise sind über 3.000 Personen aufgrund der Vergiftung verstorben
1950-heute Itai-Itai-Krankheit Präfektur Toyama (Japan) Abwässer aus Minenbetrieb Cadmium
1965-heute Gressenicher Krankheit Stolberg (Deutschland) Kontamination durch Bleihütte Cadmium und Blei

Abwehrmaßnahmen

Zur Katastrophenabwehr verfügt nicht nur der Katastrophenschutz über entsprechendes Gerät, sondern auch der Feuerwehr und dem THW stehen durch den Gefahrstoffzug Geräte zur Begegnung eines solchen Schadensfalles zur Verfügung. Für Chemietransportunfälle hat die Chemie-Industrie das TUIS-Projekt ins Leben gerufen. Von Seite der Europäischen Union wurde die Richtlinie 96/82/EG (Seveso-II-Richtlinie) erlassen, um Großschadensereignissen in gefahrgeneigten Betrieben vorzubeugen.

Siehe auch

Literatur

  • Nikolai A. Behr: Die Entwicklung des Rheinschutz-Regimes unter besonderer Berücksichtigung des Sandoz-Unfalls vom 1. November 1986. Brain-Script Behr, München 2003, ISBN 3-9808678-0-3.
  • Stefan Böschen: „Katastrophe und institutionelle Lernfähigkeit“. In: Lars Clausen u.a. (Hrsg.): Entsetzliche soziale Prozesse. Theorie und Empirie der Katastrophen. LIT-Verlag, Münster 2003, ISBN 3-8258-6832-X
  • Lars Clausen et al.: Zweiter Gefahrenbericht der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern. Bundesverwaltungsamt, Zentralstelle für Zivilschutz, Bonn 2001 (Zivilschutzforschung/Neue Folge; Bd. 48)

Einzelnachweise

  1. [1]
  2. BUWAL-Bulletin 3/1996

Weblinks

Wikinews Wikinews: Chemieunfall – in den Nachrichten

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