- Bosco/Gurin
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Bosco/Gurin Basisdaten Staat: Schweiz Kanton: Tessin Bezirk: Vallemaggia Gemeindenummer: 5304 Postleitzahl: 6685 Koordinaten: (681749 / 130025)46.3166588.51506Koordinaten: 46° 19′ 0″ N, 8° 30′ 0″ O; CH1903: (681749 / 130025) Höhe: 1'506 m ü. M. Fläche: 22.12 km² Einwohner: 54 (31. Dezember 2009)[1] Website: www.bosco-gurin.ch Karte Bosco/Gurin (auch: Bosco Gurin, Bosco-Gurin, italienisch/walserdeutscher Doppelname, walserdeutsch: Gurin, Grii(n)) ist eine politische Gemeinde im Bezirk Vallemaggia des Kantons Tessin in der Schweiz.
Inhaltsverzeichnis
Name
Die korrekte Schreibweise hat sich wegen der sprachlichen und politischen Verhältnisse über die Jahre immer wieder geändert. Bis 1911 waren die Schreibweisen Bosco, Bosco (Gurin), Gurin oder Bosco-Vallemaggia (Gurin) in Gebrauch. Dann griff die Politik ein. Vom 21. Oktober 1911 bis 23. Mai 1912 hiess die Gemeinde gemäss Bundesratsbeschluss offiziell deutsch Gurin, ab dem 24. Mai 1912 bis 1934 jedoch wieder italienisch Bosco (Vallemaggia). Als Kompromiss wurde in diesem Sprachenstreit 1934 der seither offizielle Doppelname Bosco/Gurin eingeführt.
Geographie
Die Hauptsiedlung liegt auf 1506 m.ü.M. Es ist damit das höchstgelegene Dorf des Kantons Tessin. Die Gemeinde liegt in der oberen (westlichen) Talhälfte des Val di Bosco 35 km nordwestlich von Locarno an der Grenze zu Italien - den Tälern Valle Antigorio und Val Formazza (Pomat, ebenfalls von Walsern besiedelt). Die Nordgrenze der Gemeinde führt Graten entlang vom Wandfluhhorn (2'856 m.ü.M.) zum Camino (2'489 m.ü.M.). Von dort verläuft die Ostgrenze mit einer leicht ostwärts gebogenen Krümmung quer durchs Val di Bosco hinunter zum Pian Crosc (1'955 m.ü.M.). Die südliche Gemeindegrenze führt wiederum (leicht südwestwärts) Graten entlang. Die höchsten Gipfel sind der Pizzo Bombögn (2'331 m.ü.M.), das Grosshorn (2'150 m.ü.M.), das Kleinhorn (2'171 m.ü.M.) und an der Westgrenze der Madone/Batnall (2'748 m.ü.M.). Auch die westliche Gemeindegrenze (zugleich Staatsgrenze) benutzt natürliche Trennlinien. Sie verläuft in leicht nordöstlicher Richtung vom oben erwähnten Madone über den Ritzberg (2'592 m.ü.M.) und den Martschenspitz (2'688 m.ü.M.) zurück zum Wandfluhhorn/Pizzo Biela. Zahlreiche Bäche vereinigen sich zum Bosco, der bei Collinasco in die Rovana einmündet. Vom Gemeindeareal von 2212 ha sind 43,3% unproduktive Fläche (meist Gebirge). Fast gleich umfassend sind die Gemeindeteile, welche von Wald und Gehölz (27,8%) und von landwirtschaftlicher Nutzfläche (28,1%) bedeckt sind. Nur 0,9% des gesamten Gemeindegebiets sind Siedlungsfläche. Das Dorf ist die einzige nennenswerte Siedlung. Daneben gibt es aber zahlreiche Alphütten.
Bevölkerung
Bevölkerungsentwicklung Jahr Einwohner 1591 300 1801 235 1850 382 1880 344 1920 210 1950 186 1980 65 1990 58 2000 71 2004 72 Die Walsersiedlung umfasste einst eine Einwohnerschaft von mehreren hundert deutschsprachigen Bewohnern. Saisonale Auswanderung der jungen Leute Richtung Deutschschweiz brachte Geld ins Dorf. So konnte die Abwanderung grossen Stils verhindert werden. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Einwohnerzahl sogar stark an (1801–1850: +62,6 %). Zwischen 1880 und 1920 fand eine erste Massenabwanderung statt (1880–1920: -39,0%), der zwischen 1950 und 1980 eine weitere folgte (1950–1980: -65,4 %). Diese erfolgte regional (in die Deutschschweiz), kontinental (Italien, Frankreich, Deutschland) und nach Übersee (Kalifornien). So verringerte sich innerhalb eines Jahrhunderts die Zahl der Bewohner von 344 auf 65 Personen.
Sprachen
Es ist der einzige Ort in der italienischsprachigen Schweiz, in dem seit über 600 Jahren ein deutscher Walserdialekt gesprochen wird. Während die ältere linguistische Literatur die Guriner Mundart als Mundart am südlichen Rand des deutschen Sprachgebiets angesehen hat, wird sie heute vermehrt unter dem Aspekt der Sprachinsel betrachtet, weil auch in der deutschsprachigen Verbindung zur Deutschschweiz, dem Pomatt und dem Eschental die Walser aussterben.[2] Die Volkszählung aus dem Jahr 2000 zeigt allerdings den Wechsel zum Italienischen. Diese Daten sind aber mit Vorsicht zu genießen: Bei dieser Erhebung ist es nur möglich eine einzige Sprache als Hauptsprache anzugeben. Zweisprachige wie die Bosco Guriner Walser müssen sich also für eine Sprache entscheiden. Da es nur möglich ist Standardvarietäten und nicht Dialekte auszuwählen, hat wohl auch dazu beigetragen, dass viele der hiesigen Walser Italienisch angekreuzt haben. Erhebungen haben nämlich ergeben, dass die hiesige Bevölkerung der Meinung ist, Standarditalienisch besser als Standarddeutsch zu beherrschen.[3] Eine Kuriosität ist, dass Bosco/Gurin im Jahr 2000 mit 9.86 % (7 Personen) diejenige Gemeinde mit dem höchsten Anteil Rätoromanischsprechender ausserhalb Graubündens war. Die Verhältnisse seit 1970 zeigt folgende Tabelle auf:
Sprachgruppen Jahr Deutsch Italienisch Einwohner 1970 95 (81,9 %) 18 (15,5 %) 116 1980 61 (93,8 %) 3 (4,6 %) 65 1990 35 (60,3 %) 20 (34,5 %) 58 2000 23 (32,4 %) 37 (52,1 %) 71 Religionen/Konfessionen
In früheren Zeiten waren sämtliche Bewohner Mitglied der Römisch-Katholischen Kirche. Auch heute noch ist die Bevölkerung grossmehrheitlich katholisch. Die letzte Volkszählung ergab folgendes Bild. 85,92 % sind römisch-katholische und 2,82 % evangelisch-reformierte Christen. Weitere 2,82 % sind Konfessionslose, während 8,45 % der Einwohner keine Auskunft über ihre religiöse Zugehörigkeit gaben.
Herkunft/Nationalität
Von den 72 Einwohnern Ende 2004 waren 66 (= 91,67 %) Schweizer Staatsangehörige. Bei der letzten Volkszählung waren es gar 94,37 %, darunter zwei Doppelbürger. Die wenigen Zuwanderer kommen aus Italien, Portugal und Lateinamerika.
Politik
Der Gemeinderat besteht aus drei Personen.
Wirtschaft
Die Bewohner, welche im Dorf blieben, lebten lange von der Viehzucht und der Verarbeitung der Milch zu Butter und Käse sowie vom Ackerbau (Kartoffeln, Roggen und Hanf). Auch heute noch arbeitet die grosse Mehrheit (36 von 39 Erwerbstätigen) wegen der grossen Abgeschiedenheit im eigenen Dorf. Immerhin sieben Zupendler verstärken sie. Die Landwirtschaft verlor seit den 1970er-Jahren ihre Bedeutung. Die meisten Leute arbeiten heute in Dienstleistungsberufen (Tourismus) und im Gewerbe.
Verkehr
Die Gemeinde ist durch die Postautolinie Cevio–Bosco/Gurin ans Netz des Öffentlichen Verkehrs angeschlossen. Es verkehren in jede Richtung täglich sechs Postautokurse.
Geschichte
Die Gemeinde wurde auf Wunsch der lombardischen Herrschaft im 13. Jahrhundert durch Walser aus dem italienischen Val Formazza (wdt. Pomatt) besiedelt. Die ersten Siedler kamen 1244 in das obere Rovanatal. Sie fanden dort die Alp ad Buschum vor, die durch die Gemeinde Losone genutzt wurde und nicht ganzjährig bewohnt war. Der Ort Bosco/Gurin wird 1253 erstmals namentlich erwähnt (Lo Busco de Quarino). Mit Cevio gab es im 14. Jahrhundert Grenzstreitereien. Bereits um 1400 hatten die Walser fast alles Land gekauft und lebten daher in relativ grosser Unabhängigkeit. Die Gemeinde gehörte im Mittelalter zur Roana Superior, später bis 1798 zu den Ennetbirgischen Vogteien. Sie wurde immer wieder von Katastrophen heimgesucht (1596 der Pest; 1695 und 1742 grosse Lawinenniedergänge mit 34 respektive 42 Toten). Sie gehörte zwar von 1798 bis 1803 zum Kanton Lugano und seither zum Kanton Tessin, war aber bis um 1900 herum total isoliert. Selbst die Verwaltung als Teil des Distretto di Vallemaggia war oft nur nominell (wegen der unterschiedlichen Sprachen).
Sehenswürdigkeiten
Bosco/Gurin ist die besterhaltene Walsersiedlung auf der Alpensüdseite. Das ganze Dorf ist sehenswert. Daraus ragen das Haus, in welchem das Walsermuseum untergebracht ist, die Dorfkirche Jakobus und Christophorus (13. Jahrhundert, 1581 neuerbaut und im 17. und 19. Jahrhundert umgestaltet) und die Kapelle Madonna della Neve hervor.
Literatur
- Rudolf Brunner und Rudolf/ Hotzenköcherle: Bosco Gurin, Kt. Tessin. Schweizer Dialekte in Text und Ton Heft 5, Begleittexte zu den Sprechplatten des Phonogramm-Archivs der Universität Zürich, Zürich 1971
- Johann Jakob Dieckmann: Gurin oder Bosco, eine deutsche Gemeinde im Tessin. Neuen Zürcher Zeitung, Zürich 1906
- Emily Gerstner-Hirzel: Aus der Volksüberlieferung von Bosco Gurin. Sagen, Berichte und Meinungen, Märchen und Schwänke. Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde, Band 63. Basel 1979
- Charles V. J.Russ: Die Mundart von Bosco Gurin. eine synchronische und diachronische Untersuchung. Steiner (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Beihefte 120, 213 S.), Stuttgart 2002
- Tobias Tomamichel: Boco Gurin, das Walserdorf im Tessin. 4. Auflage, Bosco Gurin 1999
- Paul Zinsli: Südwalser Namengut. Die deutschen Orts- und Flurnamen der ennetbirgischen Walsersiedlungen in Bosco-Gurin und im Piemont. Bern 1984
Weblinks
Commons: Bosco/Gurin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Offizielle Website der Gemeinde Bosco/Gurin
- Bosco/Gurin im Historischen Lexikon der Schweiz
- Walsermuseum Bosco/Gurin
- Die Walser in Bosco/Gurin
Einzelnachweise
- ↑ Statistik Schweiz – Bilanz der ständigen Wohnbevölkerung nach Kantonen, Bezirken und Gemeinden
- ↑ 1989 wohnten in Früttwald (italienisch Canza) im Pomatt noch drei Deutschsprachige, alle über 70 Jahre alt; Feldaufnahme durch Wikipedia.
- ↑ (Vgl. Haldemann 2005, S. 18-21)
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