Bremsgewicht

Bremsgewicht
Bremsgewichtsanschriften an einer Lokomotive der Baureihe 101

Bremsgewicht ist die physikalisch inkorrekte, jedoch historisch gewachsene Bezeichnung für die Bremskraft, die die Bremsen eines Eisenbahnfahrzeuges entwickeln.

Ermittlung des Bremsgewichtes

Der Begriff entstand in der Frühzeit der Eisenbahnen. Masse wurde damals auch Gewicht genannt und mit der Gewichtskraft gleichgesetzt. Man addierte die Massen der gebremsten Eisenbahnfahrzeuge und setzte das Ergebnis ins Verhältnis zur Gesamtmasse des Zugverbandes, in dem auch ungebremste Fahrzeuge mitfuhren. Diese Verhältniszahl multiplizierte man mit 100 und nannte das Ergebnis Bremsprozente als Ausdruck des Bremsvermögens des Zugverbandes.

Im Rahmen der Verbesserung von Eisenbahnbremsen war es in späterer Zeit möglich, Eisenbahnfahrzeuge mit besseren Bremsen auszurüsten und schneller zu bremsen, als es in der Frühzeit der Eisenbahn möglich war; dies erlaubte, einem Fahrzeug in Erweiterung des ursprünglichen Begriffs ein höheres Bremsgewicht zuzuordnen als sein Eigengewicht beträgt. Auch ein niedrigeres Bremsgewicht war möglich.

Heute erfolgt die Bremsgewichtsberechnung folgendermaßen: In der Bremsstellung P(ersonenzug) ist das Bremsgewicht multipliziert mit dem Faktor 1,25 die Masse, die das Eisenbahnfahrzeug in der Ebene und bei Windstille binnen 1000 m ab Bremsbeginn von 120 km/h zum Stehen bringt. Das Bremsgewicht eines Fahrzeugs wird durch Simulation und Bremsversuche ermittelt und an das Fahrzeug angeschrieben.

Hat ein Eisenbahnfahrzeug eine Masse von 50 t und ein Bremsgewicht 40 t, so ist es in der Lage, sich selbst binnen 1000 m aus 120 km/h zum Stehen zu bringen. Dies entspricht einem Bremsverhältnis von 80 %.

Hat das Eisenbahnfahrzeug eine Masse von nur 40 t und ein Bremsgewicht von ebenfalls 40 t, so kann es weitere ungebremste 10 t anderer Eisenbahnfahrzeuge im Zugverband binnen 1000 m aus 120 km/h zum Stehen bringen.

Die Bremswegabstände zwischen Vor- und Hauptsignal (allgemein zwischen Sichtpunkt und Gefahrenpunkt) sind festgelegt und betragen in Deutschland 400 m, 700 m, 1000 m und 1300 m. Für gewöhnlich gilt für Hauptstrecken ein Bremswegabstand von 1000 m, für Nebenbahnen sind je nach Streckenhöchstgeschwindkeit 400 m oder 700 m vorgesehen. Der 1300–m-Wert ist für Strecken mit Höchstgeschwindigkeiten größer als 160 km/h anwendbar. Falls der Bremswegabstand nicht eingehalten werden kann, muss dies im Buchfahrplan vermerkt sein, und der Zug darf dort nicht die Streckenhöchstgeschwindigkeit, sondern nur eine verringerte Geschwindigkeit fahren.

Für die Ermittlung der Höchstgeschwindigkeit, die ein Zug auf einer Strecke fahren darf, gibt es die Bremstafeln in der Staffelung 400 m, 700 m, 1000 m und 1300 m. Anhand dieser Tafeln und der Streckendaten, insbesondere der Streckengeschwindigkeit und Neigung, kann in einem relativ komplizierten Verfahren ermittelt werden, wie viele Bremsprozente ein Zug haben muss, um über diese Strecke mit der Streckenhöchstgeschwindigkeit fahren zu dürfen. Auch kann ausgerechnet werden, um wie viele km/h die maximale Geschwindigkeit eines Zuges in einem Abschnitt verringert werden muss, wenn der Zug die vorgegebenen Bremsprozente nicht erreicht.

In der Schweiz kennt man flexible Signalabstände, welche direkt von der möglich Streckenhöchtsgeschwindigkeit mit der Normzugreihe abhängen. Anhand dieser wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit der einzelnen Zugsreihen festgelegt. Diese Zugreihe geht auch von einem definierten Mindest-Bremsverhältnis für die Streckenhöchstgeschwindigkeit aus. Wird dies Bremsverhältnis nicht erreicht, wird die Zugsgeschwindigkeit soweit reduziert, bis der Bremswegabstand mit dem ermittelten Bremsverhältnis sicher eingehalten werden kann. Somit gibt das Bremsverhältnis zusammen mit der Zugsreihe die zulässige Streckengeschwindigkeit.

Berechnung des Bremsverhältnisses

Das Bremsverhältnis ergibt sich als Quotient

\frac {\mbox{Bremsgewicht}} {\mbox{Zuggewicht (Gesamtgewicht)}}

und wird in Prozent angegeben, wobei das Prozentzeichen häufig weggelassen wird. Es sind – je nach verwendeter Bremsart – Bremsverhältnisse über 100 % möglich.

Auswirkung der Bremsart auf das Bremsverhältnis

Diese Tabelle behandelt die heute noch verwendeten Bremssysteme und die Auswirkung auf das Bremsverhältnis.

Da das Bremsverhältnis aus Bremsgewicht und Gesamtgewicht des Zuges (Triebfahrzeugmasse + Wagenzugmasse) errechnet wird, ist eine möglichst an das Gesamtgewicht angepasste Bremskraft von Vorteil, so dass neben modernen Güterwagen heute auch schon Personenwagen mit einer automatischen Lastabbremsung ausgerüstet sind. Diese verstärkt die Bremskraft anhand des über eine mechanische oder pneumatische Messeinrichtung ermittelten Gesamtgewichtes des Wagens und verhindert so ein starkes Abfallen des Bremsverhältnisses.

  • Handbremse; dient nur dem Sichern stehender Fahrzeuge gegen Wegrollen.
  • Güterzugbremse (Bremsart G oder G-Bremse); Langsam wirkende automatische Luftbremse, auf Grund der Länge von Güterzügen ist ein langsames Einsetzen der Bremswirkung notwendig, weil sich die Bremsung mit der Schallgeschwindigkeit der Luft in der Hauptluftleitung ausbreitet und es bei langen Zügen sonst zu starken Stauchungen und Zerrungen im Zugverband kommen kann - schlimmstenfalls zur Zugtrennung, wenn die Kuppeleinrichtung reißt. Das Bremsverhältnis beträgt maximal rund 80 % und die maximale Geschwindigkeit der Güterzüge 90 km/h.
  • Personenzugbremse (Bremsart P oder RIC- oder P-Bremse): Schnell wirkende automatische Luftbremse ohne Bremskraftverstärker. Sie wird in der Regel bei allen Personenzügen angewandt, die nicht schneller als etwa 140 km/h fahren. Mit ihr ist ein Bremsverhältnis von zirka 100 % erreichbar. Bei schnell fahrenden, kurzen Güterzügen wird diese Bremsart auch benutzt, nur mit dieser Bremsart dürfen Güterzüge schneller als 90 km/h fahren.
  • Rapid-Bremse (Bremsart P+R oder R-Bremse); Schnell wirkende automatische Luftbremse mit geschwindigkeitsabhängigem Bremskraftverstärker und ggf. Gleitschutz. Ab etwa 120 km/h wird, um die Bremswege einzuhalten, die R-Bremse vorgeschrieben. Damit ausgerüstet sind vorzugsweise schnell fahrende Personenwagen; das Bremsverhältnis beträgt zirka 125–135 %. Der Bremskraftverstärker wirkt nur bei Geschwindigkeiten über 70 km/h, indem er den Druck in den Bremszylindern gegenüber dem Druck bei einer geringeren Fahrgeschwindigkeit erhöht.
  • Magnetschienenbremse (Bremsart P+R+Mg oder Mg-Bremse); Zusatzbremse zur R-Bremse bei einer Schnell-/Notbremsung. Es wird ein Elektromagnet, der aus der Fahrzeugbatterie oder der Zugsammelschiene erregt wird, auf die Schienen gesenkt. Je nachdem, ob nur ein Drehgestell oder beide ausgerüstet sind, sind Bremsverhältnisse bis 200 % problemlos möglich. Eine Schnell-/Notbremsung tritt ein, wenn der Druck in der Hauptluftleitung innerhalb kürzester Zeit auf einen Wert unter 1 bar fällt.
  • Elektrische Bremsen und hydraulische Bremsen (Bremsart Ep); bei Triebfahrzeugen und Triebzügen kommen noch diese Bremssysteme dazu, welche die pneumatischen Bremssysteme unterstützen. So ist bei modernen Hochgeschwindigkeitstriebzügen ein Bremsverhältis über 200 % die Regel.

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