18. Oktober 1977

18. Oktober 1977

18. Oktober 1977 ist der Titel eines Gemäldezyklus von Gerhard Richter. Er hat Fotografien zur Vorlage, die direkte und damit zusammenhängende Geschehnisse des an diesem Tag gemeldeten Todes von drei führenden Terroristen der Baader-Meinhof-Gruppe in der Justizvollzugsanstalt Stammheim nach der Befreiung von Geiseln in der durch arabische Terroristen entführten Lufthansa-Maschine Landshut dokumentieren.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Der Zyklus besteht aus 15 Bildern, die nach Polizei- und Pressefotos in dumpfen Grautönen als Grisaillemalerei in Öl angelegt sind, die Konturen wurden verwischt. Ihr Thema ist der Terrorismus der Rote Armee Fraktion (RAF), der die Bundesrepublik zehn Jahre lang in Atem hielt. Entstanden ist der Zyklus 1988, im zehnjährigen Abstand zu den Ereignissen. Aus den Hunderten von gesichteten Fotos wählte er zwölf Motive aus, die er zunächst zu 18 Gemälden verarbeitete, von denen er jedoch drei wieder ausschied.[1]

Auf den Ölgemälden sind Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Holger Meins dargestellt, aber die Personen sind weder durch ihre Gesichtszüge noch anhand der Bildtitel leicht zu identifizieren. Die Verwischungen der Bildmotive sind unterschiedlich stark; allein Meinhof und Ensslin sind wegen der geringeren Verwischung zu erkennen, die anderen Personen erst im Vergleich mit den Ausgangsfotos. Die Titel der Bilder sind unpersönlich gehalten: Jugendbildnis, Tote (Triptychon), Gegenüberstellung (Triptychon), Erhängte, Erschossener (1), Erschossener (2), Plattenspieler, Zelle, Festnahme (Diptychon), Beerdigung.

Die geringste Verwischung zeigt das Jugendbildnis, das die junge Ulrike Meinhof darstellt.

„Kein zweites Bild zeigt seine Figur in dieser Klarheit. [...] Zwar ahnungsvoll, aber doch unbelastet jugendlich wirkt der Blick der jungen Ulrike Meinhof, die aus dem sie umfassenden Schwarz des Hintergrunds in den Betrachterraum schaut. Zeitlich den übrigen Motiven vorausliegend, signalisert der Blick träumerische Zuversicht. Wie in keinem zweiten Bild setzt sich die Figur gegen die Textur der Verwischung durch und signalisiert einen Rest an Unmittelbarkeit; eine Direktheit, die der Zyklus als Ganzes in seiner Thematisierung medialer Vermitteltheit von Geschichte negiert.“

Martin Henatsch, Gerhard Richter. 18. Oktober 1977. Das verwischte Bild der Geschichte, S. 74.

Relativ klar zu erkennen ist auch der Plattenspieler. Er nimmt eine Sonderrolle in dem Zyklus ein. Mit aufgelegtem Tonarm scheint er einen Moment der Stille zu fixieren, tatsächlich aber ist er der "Katalysator für den tragischen Ausgang der Geschichte";[2] denn in ihm war die Pistole Baaders versteckt, und links vom Apparat befinden sich die Kabel, die Ensslin als tödliche Schlinge dienten.

Provenienz und Ausstellung

Der Zyklus wurde 1989 zuerst im Museum Haus Esters in Krefeld ausgestellt. Als Leihgabe des Künstlers war er danach mehrere Jahre im Frankfurter Museum für Moderne Kunst zu sehen, bevor er 1995 an das Museum of Modern Art in New York verkauft wurde. Vom 5. Februar bis 15. Mai 2011 zeigte ihn das Bucerius Kunst Forum in Hamburg im Rahmen der Ausstellung Gerhard Richter. Bilder einer Epoche.

Literatur

  • Hubertus Butin: Zu Richters Oktober-Bildern, Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main. König, Köln, 1991, ISBN 978-3-88375141-2
  • Karl Uwe Hemken: Gerhard Richter. 18. Oktober 1977. Insel, Frankfurt am Main 1998
  • Martin Henatsch: Gerhard Richter. 18. Oktober 1977. Das verwischte Bild der Geschichte. Fischer, Frankfurt am Main 1998
  • Ortrud Westheider: Eine Idee, die bis zum Tod geht. Der Zyklus 18. Oktober 1977. In: Gerhard Richter. Bilder einer Epoche. Ausstellungskatalog, Hg. Uwe M. Schneede. Hirmer, München 2011, S. 154-193

Einzelnachweise

  1. Ortrud Westheider: Eine Idee, die bis zum Tod geht. Der Zyklus 18. Oktober 1977. In: Gerhard Richter. Bilder einer Epoche. Ausstellungskatalog, Hg. Uwe M. Schneede. Hirmer, München 2011, S. 155.
  2. Martin Henatsch, Gerhard Richter. 18. Oktober 1977. Das verwischte Bild der Geschichte. Fischer, Frankfurt am Main 1998, S. 79

Weblinks


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