Abwehrstelle Arras

Abwehrstelle Arras

Die Abwehrstelle Arras (kurz Abwehr Arras genannt) war von 1943 bis 1944 eine deutsche Dienststelle in Nordfrankreich. Sie behielt diese Bezeichnung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, auch nachdem sie im Juli 1944 Arras verlassen hatte. Ihre Aufgabe bestand in geheimdienstlichen Tätigkeiten zum Schutz der V1-Flugbomben und V2-Raketen.

Organisation

Die Abwehrstelle Arras ist erstmals Ende Juli 1943 sicher nachweisbar.[1] Sie unterstand direkt dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW) in Berlin und gehörte nicht zu den deutschen Abwehrstellen Frankreich und Belgien.[2] Daher wurde sie auch nicht, wie die übrigen Dienststellen der Abwehr, in Frankreich und Belgien im September 1944 dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) unterstellt.[3]

Die Abwehrstelle Arras ist von der 1940 eingerichteten Abwehr-Nebenstelle Lille zu unterscheiden, die der Abwehrstelle Belgien in Brüssel unterstand und zuletzt in Arras stationiert war. Ihr Leiter, Kurt Hegener, gab an, er habe – zumindest zuletzt, also im Sommer 1944 – dem Generalkommando 65 unterstanden.[4] Dieses „Generalkommando LXV. Armeekorps z. b. V.“, aufgestellt am 28. November 1943, war für die Durchführung des V-Waffen-Einsatzes gegen England zuständig.[5]

Der Stab der Abwehrstelle Arras wurde wegen der alliierten Bombardements im April 1944 von Arras nach Senlis (Oise), dann nach Brüssel verlegt. Bis zum 1. September 1944 waren aber noch Agenten der Abwehrstelle Arras und der Abwehr-Nebenstelle Lille noch in Lille tätig, die dann über Arnheim und Wiescheid (bei Siegburg) nach Almelo und Ahaus gingen, wo in der Villa van Delden im März 1945 der „Kommandierenden General der um Ahaus stationierten V2-Waffen“ stationiert war.[6] Im nahegelegenen Burgsteinfurt wohnte noch 1946/47 ein Egon Mayer, der als Fahnenjunker-Feldwebel Mitglied der Abwehr-Nebenstelle Lille gewesen war.[7]

Leitung

Leiter der Abwehrstelle Arras war Oberstleutnant Erich Heidschuch, alias Heide. Im März 1934 wurde er zum Hauptmann, nach Einsätzen in Afrika, Italien und Südwestfrankreich im April 1942 zum Oberstleutnant befördert. [8] Bereits im November 1939 hielt er in Köln einen Vortrag vor dem Leiter der Abwehr III (Spionageabwehr und Gegenspionage) Franz Eccard von Bentivegni. [9] Am 30. Juli 1943 traf er in Paris im Palais du Luxembourg den Leiter des V1-Einsatzes in Frankreich, Oberst Max Wachtel, und ordnete an, dass Wachtel sofort eine neue Identität (alias „Martin Wolf“) annehmen müsse. [10] Nach dem Krieg wurde Heidschuch Mitglied der Organisation Gehlen, in der er den Alias-Namen „Eduard Bergmann“ trug. [11]

Gegen ihn und die folgenden Offiziere, die mit ihm in der Abwehrstelle Arras tätig gewesen sein sollen, wurde im September 1946 vor dem französischen Militärgericht in Metz Anklage erhoben wegen Mordes an über 150 Gefangenen, die von 1942 bis 1945 in der Zitadelle von Arras wegen Sabotage hingerichtet worden waren. Die Verfahren wurde im November 1949 durch den Untersuchungsrichter mit dem Vermerk „Non-lieu“ eingestellt.[12]

Heidschuch unterstanden als Offiziere: Major Dr. Reitmeyer (? = Dr.jur. Theodor R., Promotion 1927 in München), Major Dr. Roemmeler (Leiter der Abteilung III L (Luftwaffe)), Major Karl Schwebbach (Leiter der Abteilung III F (Gegenspionage)), Hauptmann Bayard, Hauptmann Kroll, Hauptmann Stein, Oberleutnant Klinger.[13]

Einzelverweise

  1. Max Wachtel: Unternehmen Rumpelkammer. In: Der Spiegel 49/1965, S. 99-119, hier S. 106. Vgl. dazu auch Heinz Dieter Hölsken: Die V-Waffen. Entstehung – Propaganda – Kriegseinsatz. Stuttgart 1984, S. 115-116.
  2. Zur Abwehrstelle Frankreich (Zentrale: Paris, Hotel Lutetia) ausführlich Oskar Reile: Geheime Westfront. Die Abwehr 1935-1945. München/Wels 1962. Die organisatorische Trennung zwischen den Abwehrstellen Frankreich und Arras ergibt sich auch aus einem Schreiben des dem OKW unterstehenden Amtes Ausland/Abwehr Abt. III vom 22. Dez. 1943; Guides to German Records microfilmed at Alexandria, VA. No. 80. Records of the German Armed Forces High Command (Oberkommando der Wehrmacht/OKW) Part VI. National Archives and Records Service, General Services Administration, Washington 1982, S. 31.
  3. Guides to German Records, S. vii u. xv-xvi
  4. LA NRW HStA Düsseldorf, NW 1000, 2381 (Entnazifizierungsakte des Hauptmanns Dr. jur. Karl Hegener), Nr. 9 und 50. Hegener, geb.1894 in Duisburg, studierte u. a. in Genf und Oxford, promovierte 1912 in Greifswald und war 1940 bis Oktober (so Hegener!) 1944 Leiter der Abwehr-Nebenstelle Lille. Deren Zuordnung nach Brüssel ergab sich aus der Zuständigkeit der „Militärverwaltung Belgien und Nordfrankreich“ für die von Frankreich abgetrennten Departements Nord und Pas-de-Calais.
  5. Zum „röm. 65 AK“, wie dieses Generalkommando auch genannt wurde, s. Georg Tessin: Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939-1945, 5. Bd. Die Landstreitkräfte 31-70. Frankfurt a. M. [o.J.], S. 263. Aus Tarngründen erfolgte am 20. Okt. 1944 eine Umbenennung in „Generalkommando z. b. V. XXX“.
  6. Frdl. Mitt. des Stadtarchivs Ahaus, nach Aussage des damaligen Villeneigentümers Johann van Delden; siehe auch Stadt Ahaua - Villa van Delden.
  7. Briefe Mayers an Hegener vom 7. Nov. 1946; LA NRW HStA Düsseldorf, NW 1000, 2381, Nr. 34 u. 44
  8. Geheimpolizei in Uniform
  9. Offiziersliste 3. Januar 1939
  10. Wachtel, Unternehmen Rumpelkammer, S. 106.
  11. Research Aid: Cryptonyms and Terms in Declassified CIA Files Nazi War Crimes and Japanese Imperial Government Records Disclosure Acts, S. 12.
  12. Non-lieu ist ein begriff der französischen Rechtsprechung.
  13. Bei diesen Personen handelt es sich offenbar um den Stab der Abwehrstelle. Die im Dienst der Abwehrstelle Arras tätigen Agenten, z. B. die der Gegenspionage, sind hier nicht aufgeführt.

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