Am Ziel

Am Ziel

Am Ziel ist ein Theaterstück von Thomas Bernhard aus dem Jahr 1981.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

In dem Theaterstück treten die Mutter, ihre Tochter und ein „dramatischer Schriftsteller“ auf. Mutter und Tochter sind gerade dabei, ihre Reise zum Ferienhaus ans Meer vorzubereiten. Vielmehr ist es lediglich die Tochter, die sich an den Vorbereitungen beteiligt, während die Mutter derweil ihre Ehe zu einem Gusswerksbesitzer, ihre Beziehung zu ihrer Tochter und die Rolle des Theaters reflektiert. Am Ziel, dem Ferienhaus am Meer, treffen Mutter, Tochter und der dramatische Schriftsteller zusammen. In dieser Dreierkonstellation ergeben sich zum einen Dialoge über die Rolle des Theaters und ihrer Veränderungskraft zwischen Mutter und Dichter. Auf der anderen Seite sucht der Dichter die Beziehung zur Tochter.

Interpretation

Die Bewertung ihrer Ehe und ihres Sohnes Richard der Mutter sind schonungslos. Richard wird als "hässliches Kind" bezeichnet. Die Wahl auf ihren Mann fiel nur wegen dessen Güterbesitz. Das Verhältnis zur Tochter ist von pathogener Egomanie geprägt ("Ich habe dich für mich auf die Welt gebracht"). Die Mutter steht stellvertretend für die Vergangenheit und stellvertretend für Bernhards Beschreibung der Auflehnung der 68er-Generation gegen die Elterngeneration ("Wir haben die Geschichte, die sich uns in den Weg gestellt hat zertrümmert und aus den Trümmern eine neue Geschichte gemacht"). Die Tochter steht für die Zukunft, die noch in einer selbstverschuldeten Unmündigkeit verharrt: den Anwürfen ihrer Mutter setzt sie nichts entgegen, die Einladung zum Spaziergang am Strand des Dichters kann sie nicht entscheiden ("Ich gehe immer alleine spazieren"). Der Dichter steht für den sinnlosen Erfolg, denn obwohl sein Stück beklatscht wird, obwohl er in der virtuellen Welt des Theaters triumphiert, kommt er in der wirklichen Welt nicht an. Auch er kann der schonungslosen Demaskierung der Mutter nichts entgegensetzen, er kann die Beziehung zur Tochter nicht organisieren. Dichter, Mutter und Tochter kommen körperlich am Ziel an. In Wirklichkeit kommen sie am Ziel nicht an: die Tochter kann sich aus der pathologischen Beziehung mit ihrer Mutter nicht befreien, der Dichter kann seine Beziehung zur Tochter nicht in die Realität umsetzen und die Mutter kann sich von ihrer Vergangenheit und ihrer eigenen vernichtenden Interpretation nicht entziehen. Bernhard lässt offen, ob es Tochter und Dichter gelingt, sich frei zu machen aus ihrer eigenen Unmündigkeit. Voraussetzung dafür wäre, zu erkennen, in welcher verstrickten Situation, in welcher Abhängigkeit sie sich befinden. Bernhard ist es mit dem Stück gelungen, dem Zuschauer die Augen für seine Sprachlosigkeit, für seine Unfreiheit zu öffnen. Das gelingt ihm, indem er zulässt, sich je nach Rolle und Generation mit der Mutter, der Tochter oder dem Dichter zu identifizieren. Theater kann so entgegen seiner eigenen im Stück vorgebrachten Kritik, schon etwas bewirken, nämlich die Erkenntnis über sich selbst, womit die Voraussetzung für eine Zielfindung geschaffen ist.

Sonstiges

Das Stück ist besetzt und ausgestattet mit drei Damen, 2 Herren, zwei Dekorationen.

Es wurde uraufgeführt bei den Salzburger Festspielen am 18. August 1981, Regie führte Claus Peymann. Die deutsche Erstaufführung war am 22. Oktober 1981 im Schauspielhaus Bochum, Regie ebenfalls Peymann.[1]

2008 wurde das Stück am Münchner Residenztheater unter Thomas Langhoff mit Cornelia Froboess als Mutter neu inszeniert.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.suhrkamp.de/theater_medien/am_ziel-thomas_bernhard_101050.html

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Ziel — das; (e)s, e; 1 die Stelle, an der ein Rennen endet (und die Zeit gemessen wird) ↔ Start <als Erster, Zweiter usw durch das Ziel gehen (= dort ankommen), ins Ziel kommen> || K : Zielfoto, Zielgerade, Zielkamera, Zielkurve, Ziellinie,… …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • Ziel (Begriffsklärung) — Ziel bezeichnet einen in der Zukunft liegenden, gegenüber dem Gegenwärtigen im Allgemeinen veränderten, erstrebenswerten und angestrebten Zustand, siehe Ziel eine Sammelbezeichnung für verschiedene theoretische Ansätze in den Wirtschafts und… …   Deutsch Wikipedia

  • Ziel- und Leistungsvereinbarung — Ziel und Leistungsvereinbarungen bezeichnen vertragliche Übereinkünfte zwischen Hochschulen und den jeweils zuständigen Ländern, welche auf der einen Seite den Hochschulen bestimmte Autonomien gewähren und auf der anderen Seite den… …   Deutsch Wikipedia

  • Ziel — Ziel: Das Substantiv mhd., ahd. zil (vgl. got. tila rids »zum Ziel strebend« als Name eines Speers und aisl. aldr tili »Lebensende«) gehört vielleicht zu der unter ↑ Zeit behandelten Wortgruppe. Es würde demnach eigentlich »das Eingeteilte,… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Ziel — [Aufbauwortschatz (Rating 1500 3200)] Auch: • Zweck • Absicht • Zielscheibe • Ambition • Ehrgeiz • …   Deutsch Wörterbuch

  • Ziel 100 — ist als eine Variation des Nim Spiels ein Strategiespiel für zwei Spieler. Es steht stellvertretend für alle so genannten Ein Haufen Nim Spiele. Inhaltsverzeichnis 1 Regeln 2 Ein Quasi Spiel 2.1 Analyse 2.1.1 Beispiel 2.1.2 …   Deutsch Wikipedia

  • Ziel-Mittel-Zusammenhang — Ziel Mittel Beziehung, Ziel Mittel Funktion. 1. Begriff: Funktionale Verbindung zwischen den wirtschaftspolitischen Mitteleinsätzen und den damit erreichten Werten der wirtschaftspolitischen Zielvariablen. Der Z. M. Z. beinhaltet die… …   Lexikon der Economics

  • Ziel- — [ts̮i:l] <Präfixoid>: kennzeichnet das im Basiswort Genannte als etwas, was angestrebt wird, worauf sich etwas richtet, was mit entsprechendem Bemühen erreicht werden soll: Zielgebiet; Zielgruppe; Zielhafen; Zielpublikum; Zielsprache. * * * …   Universal-Lexikon

  • Ziel — est un mot allemand désignant : une notion de frontière, de limite d espace ; une chose vers laquelle on tend. Au sens figuré : l idée d un objet vers lequel on dirige ses souhaits (appropriation), que l on cherche à atteindre.… …   Wikipédia en Français

  • Ziel [1] — Ziel, soviel wie Termin, insbes. Kündigungstermin (für Gesinde) oder Zahlungstermin, in übertragenem Sinne auch die am Ziel zu zahlende Summe, besonders bei Wechseln üblicher Ausdruck; Zielplatz, der Zahlungsort eines Handelsplatzes …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Ziel — Sn std. (9. Jh., zila 8. Jh.), mhd. zil, ahd. zil Stammwort. Dieses Wort wird auch vorausgesetzt durch 1) erzielen, erreichen in gt. gatilon, ae. tilian (besonders das Feld bestellen ), afr. tilia, as. tilan, ahd. zilēn ( sich beeilen ); 2) anord …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”