Ausweichregeln zwischen Wasserfahrzeugen

Ausweichregeln zwischen Wasserfahrzeugen

Die Ausweichregeln zwischen Wasserfahrzeugen sind Teil der Kollisionsverhütungsregeln (KVR). Sie bestimmen die Regeln, nach denen sich Wasserfahrzeuge (Motorschiffe, Segelschiffe, Wasserflugzeuge etc.) auszuweichen haben, wenn sie einander so begegnen, dass ein Zusammenstoss nicht ausgeschlossen werden kann.

Inhaltsverzeichnis

Prioritäten

Grundsätzlich gilt: Fahrzeuge, die aufgrund ihres gegenwärtig verwendeten Antriebs schlechter manövrieren können, haben Vorrang vor solchen, die einfacher zu manövrieren sind:

  1. Alle Fahrzeuge weichen manövrierbehinderten oder manövrierunfähigen Schiffen aus (diese müssen entsprechende Zeichen setzen).
  2. Fahrzeugen, die aufgrund ihres Tiefgangs eingeschränkt manövrierbar sind („tiefgangbehindert“), weichen alle anderen Fahrzeuge aus (ausser manövrierbehinderte).
  3. Von Fahrzeugen, die mit Netzen, Leinen oder Schleppnetzen fischen und dadurch eingeschränkt manövrieren können, halten sich andere Fahrzeuge frei.
  4. Segelboote und -schiffe, die unter Segeln fahren, haben Vorrang vor Motorschiffen (Segelschiffe untereinander siehe unten).
  5. Motorschiffe weichen allen anderen Verkehrsteilnehmern aus (Motorboote untereinander siehe unten).

Während die Vortrittsregeln in der KVR nur diese Schiffstypen behandeln, gelten auf vielen Binnenseen zusätzliche Vortrittsregeln. So haben dort oftmals Kursschiffe Vorrang vor allen anderen Verkehrsteilnehmern.

Die Ausweichregeln der KVR gelten unabhängig von der Schiffsgröße. Im Prinzip muss also ein Öltanker einer kleinen Segeljolle ausweichen. Abgesehen davon, dass man sich mit so einer Einstellung keine Freunde machen dürfte, ist dies für die Jolle auch lebensgefährlich: Sie könnte gar nicht gesehen worden sein.

Begegnungen von Motorbooten

  1. Begegnen sich zwei Motorboote auf entgegengesetzten Kursen (d.h. sie fahren aufeinander zu), weicht jedes nach Steuerbord aus.
  2. Kreuzen sich die Kurse zweier Motorboote, weicht dasjenige aus, das das andere an Steuerbord hat, es gilt also Rechtsvortritt.

Begegnungen von Segelfahrzeugen

Die Regeln Nr. 12, 13, 16 und 17 der internationalen Kollisionsverhütungsregeln beschreiben die Ausweichregeln zwischen zwei Segelfahrzeugen. Segelfahrzeuge, die ihren Antriebsmotor benutzen, gelten hierbei nicht als Segelfahrzeuge sondern als Maschinenfahrzeuge. Maschinenfahrzeuge, die nicht manövrierunfähig, manövrierbehindert oder am fischen sind, müssen Segelfahrzeugen ausweichen.

Lee (B) vor Luv (A) - A ist ausweichpflichtig gegenüber B (deshalb muss A nach links ausweichen oder anhalten); Pfeil = Windrichtung
  1. Wenn die beiden Segelfahrzeuge den Wind von verschiedenen Seiten haben, muss das Fahrzeug mit Wind von Backbord (in Fahrtrichtung links) ausweichen. Steht der Großbaum an Backbord, hat das Fahrzeug im Sinne der KVR den Wind von Steuerbord, steht der Baum auf Steuerbord, hat es Wind von Backbord und muss ausweichen. Populäre Merksprüche zu dieser Regel sind „Backbordbug vor Steuerbordbug“ und „Baum links bringts!“.
  2. Wenn zwei Segelfahrzeuge den Wind von derselben Seite haben, muss das luvwärtige Fahrzeug ausweichen. Merkspruch zu dieser Regel „Lee vor Luv“.
  3. Ein Segelfahrzeug mit Wind von Backbord muss einem von Luv kommenden Segelfahrzeug ausweichen, wenn die Segelstellung des luvwärtigen Fahrzeugs nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann.
  4. Ein Segelfahrzeug, das überholt, muss dem anderen Fahrzeug ausweichen. Als Überholer gilt ein Fahrzeug in Bezug auf ein anderes, wenn es sich diesem im Bereich seines Hecklichtes nähert, also zwischen „recht achteraus“ und 67,5° vorlicher als recht achteraus.

Auf österreichischen Wasserstraßen darf ein Segelfahrzeug ein anderes nur auf dessen Luvseite überholen.

Maßnahmen des Ausweichpflichtigen und des Kurshalters

  • Der Kurshalter (das Wasserfahrzeug, das nicht ausweichen muss) muss Kurs (Richtung, in die gefahren/gesegelt wird) und Fahrt (Geschwindigkeit) beibehalten.
  • Das ausweichpflichtige Fahrzeug muss frühzeitig, klar und durchgreifend handeln (ausweichen).
  • Unter geeigneten Verhältnissen kann die Ausweichpflicht mit dem lauten Ausruf „Raum!“ eingefordert werden.

Verkehrstrennungsgebiete

Hauptartikel: Verkehrstrennungsgebiet

Verkehrstrennungsgebiete sind die „Autobahnen“ der See. Es sind deutlich auf den Seekarten vermerkte Abschnitte, in denen der Verkehr richtungsgetrennt abgewickelt wird. Motorschiffe, die länger als 20m sind, müssen vorhandene Verkehrstrennungsgebiete benützen und haben dort Vorrang vor kleinen Schiffen (Fischerboote, Jachten, Segelschiffe).

Manöver des letzten Augenblicks

Sind sich die beiden Fahrzeuge so nahe gekommen, dass ein Manöver des Ausweichpflichtigen allein eine Kollision nicht mehr verhindern kann, muss auch der Kurshalter ein eigenes Ausweichmanöver einleiten, um den Zusammenstoß zu vermeiden. Dieses Manöver wird Manöver des letzten Augenblicks genannt.

Geltungsbereich

Diese in den Kollisionsverhütungsregeln enthaltenen Ausweichregeln für Wasserfahrzeuge sind weltweit auf den internationalen Gewässern gültig. In nationalen Gewässern kann es Sonderregelungen geben. Die Ausweichregeln sind teilweise in die deutsche See- und Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung sowie in viele Nutzungsvorschriften für deutsche Binnenseen übernommen worden.

Eine praktisch sehr wichtige nationale Ausnahme enthält § 25 SeeSchStrO: Schiffe, die dem Verlauf eines Fahrwassers folgen, haben Vorfahrt. Unter Segelschiffen gilt dies aber nur, wenn das Segelschiff deutlich dem Verlauf eines Fahrwassers folgt (Abs. 3).

Bei Segelregatten gelten spezielle Wettfahrtregeln, die weitergehende Regeln beispielsweise hinsichtlich des Wegerechtes an den Wendemarken beinhalten.

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