- Erich Bessel-Hagen
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Erich Paul Werner Bessel-Hagen [1] (* 12. September 1898 in Berlin-Charlottenburg; † 29. März 1946 in Bonn) war ein deutscher Mathematiker und Mathematikhistoriker.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Wirken
Bessel-Hagen war der Sohn des Chirurgen Fritz Karl Bessel-Hagen (1856–1945) (Direktor des städtischen Krankenhauses Charlottenburg-Westend), dessen Vater wiederum der Schwiegersohn des Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel war.[2] Bessel-Hagen studierte nach dem Abitur 1917 (am Kaiserin Auguste Gymnasium in Charlottenburg) an der Universität Berlin Mathematik und Physik, wobei er im 1.Weltkrieg wegen einer Behinderung vom Frontdienst freigestellt war und in der kartographischen Abteilung des Generalstabs arbeitete. Er hörte unter anderem bei Max Planck, Erhard Schmidt, Issai Schur. 1920 promovierte er bei Constantin Carathéodory über unstetige Variationsprobleme (Über eine Art singulärer Punkte der einfachen Variationsprobleme), ein Gebiet das Caratheodory selbst begründete und auf dem er die Arbeit von Bessel-Hagen als wichtigen Fortschritt ansah und mit der Note „valde laudabile“ versah. Daneben hörte Bessel-Hagen auch Vorlesungen bei dem berühmten Altphilologen Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, und Bessel-Hagen war selbst ein versierter Altsprachler (Latein, Griechisch, sogar Arabisch).
Nach seiner Promotion ging er an die Universität Göttingen, wo er 1921 bis 1924 privater Assistent von Felix Klein war und auch in dessen Haus wohnte.[3] Er gab mit Richard Courant und Otto Neugebauer die Vorlesungen von Felix Klein Vorlesungen über die Entwicklung der Mathematik im 19. Jahrhundert heraus, die Klein ebenfalls bei sich zu Hause vor ausgewählten Studenten hielt. 1925 habilitierte er sich in Göttingen über elliptische Modulfunktionen und wurde Privatdozent. 1927 war er Assistent von Helmut Hasse an der Universität Halle, wo er sich umhabilitierte, wie im folgenden Jahr nochmals in Bonn. 1928/9 hatte er einen Lehrauftrag für Mathematikgeschichte und Mathematikpädagogik an der Universität Bonn auf Einladung von Otto Toeplitz, der ebenfalls stark an Mathematikgeschichte interessiert war und die historische Methode im Mathematikunterricht förderte.[4] Bessel-Hagen sorgte für den Ausbau der mathematischen Bibliothek in Bonn (die im Krieg schwere Verluste erlitt). Neben ihm und Toeplitz war als dritter „Mathematikhistoriker“ der Philosoph Oskar Becker in Bonn, und an dem mathematikhistorischen Seminar nahmen noch der Assyriologe Albert Schott (* 1901) und der Astronom Friedrich Becker teil. In den 1930er Jahren war er der einzige Bonner Kollege, der noch zu dem zwangsemeritierten jüdischen Mathematiker Felix Hausdorff Kontakt hielt.[5] Bessel-Hagen veröffentlichte auch zahlreiche Besprechungen im „Zentralblatt für Mathematik“ seines Freundes Otto Neugebauer. 1931 wurde er nicht beamteter außerordentlicher Professor und 1939 außerplanmäßiger Professor in Bonn. Im Zweiten Weltkrieg war er stark in die Lehre eingebunden und zeitweise der einzige Mathematikprofessor an der Bonner Universität, da die meisten Professoren im Kriegseinsatz waren.
Bessel-Hagen war sehr an Mathematikgeschichte interessiert. Er war an der Herausgabe der Werke von Carl Friedrich Gauß beteiligt und auch an der der Gesammelten Werke von Felix Klein. Über Bessel-Hagen sind auch eine große Menge private Briefe von Bernhard Riemann in den Besitz der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz gelangt.[6] Bessel-Hagen machte auch Siegel auf Riemanns zahlentheoretischen Nachlass aufmerksam[7] und kümmerte sich auch um den Nachlass von Mathematikern aus seinem Bekanntenkreis wie Klein, Toeplitz und Hausdorff. Er war ansonsten von Natur aus zurückhaltend und publizierte wenig.
Seit seinen Studententagen war er auch mit Carl Ludwig Siegel befreundet, was auch anhielt, nachdem dieser ihm einen üblen Scherz spielte und seine ihm zur Durchsicht übergebene Habilitationsschrift bei einer Atlantik-Überquerung im Meer versenkte.[8] Bessel-Hagen musste sie dann mühsam neu schreiben, durfte aber dann Siegel auf einem Griechenland-Urlaub begleiten. Auch sonst war Bessel-Hagen Gegenstand von Scherzen, wozu offensichtlich seine Schüchternheit, seine Kränklichkeit und sein langsames Sprechen beitrugen. In den Vorlesungen über Topologie von Bela Kerekjarto (1923), der 1922 in Göttingen bei Bessel-Hagen hörte, findet sich z.B. ein Eintrag zu Bessel-Hagen im Inhaltsverzeichnis, dem auf der angegebenen Seite keine Erwähnung folgt, dafür ein Bild eines Torus mit Henkeln (eine Anspielung auf seine „Segelohren“).
Literatur
- Joseph Dauben, Christoph Scriba „Writing the history of mathematics“, Birkhäuser 2002
- Renate Tobies: Biographisches Lexikon in Mathematik promovierter Personen, 2006
- Erwin Neuenschwander: Der Nachlass von Erich Bessel-Hagen im Archiv der Universität Bonn, Historia Mathematica, Bd. 20, 1993, S.382-414
Weblinks
- Erich Bessel-Hagen. In: MacTutor History of Mathematics archive (englisch)
- Biografie an der Universität Halle
- Biographie an der University of Ohio, mit Foto
Anmerkungen und Einzelnachweise
- ↑ Nach dem Katalog der Hallenser Professoren ist er als Erich Bessel geboren
- ↑ Um den Namen Bessel zu erhalten, änderte der Schwiegersohn Bessels seinen Namen in Bessel-Hagen, nachdem der einzige Sohn Bessels kinderlos gestorben ist.
- ↑ Wie auch Carl Ludwig Siegel und andere Studenten
- ↑ er schrieb darüber sogar ein Buch, in dem er die „genetische Methode“ auf die Analysis-Lehre anwandte
- ↑ Erwin Neuenschwander Felix Hausdorffs letzte Lebensjahre nach Dokumenten aus dem Bessel-Hagen-Nachlass, in Felix Hausdorff zum Gedächtnis, Bd.1, Vieweg, Braunschweig, 1996, S.253-270
- ↑ er hinterließ sie seinem Bruder Hermann Hagen, der sie 1966 der Bibliothek übergab. Bessel-Hagen muss sie im Zweiten Weltkrieg von einem Buchhändler erworben haben. Der Verbleib weiterer privater Briefe von Riemann, die noch Dedekind kannte, ist unbekannt. Erwin Neuenschwander in der Neuausgabe von Riemanns Gesammelten Werken.
- ↑ Der Zahlentheoretiker Siegel veröffentlichte die noch damals teilweise neuen Ergebnisse Riemanns 1932. Sie zeigten eine viel umfangreichere Beschäftigung Riemanns mit analytischer Zahlentheorie, als bis dahin vermutet worden war. Zu Lebzeiten hatte er nur einen Aufsatz 1859 veröffentlicht, in dem sich die berühmte Riemannsche Vermutung findet.
- ↑ Die Episode wird von Hel Braun in ihrer Autobiographie überliefert. Siegel sollte die Arbeit durchsehen, war der Lektüre aber überdrüssig. Er notierte allerdings die genauen Koordinaten der „Versenkung“.
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