Sohncke-Raumgruppe

Sohncke-Raumgruppe

Bei Sohncke-Raumgruppen handelt es sich in der Kristallographie um diejenigen 65 Raumgruppen, die nur Symmetrieoperationen der ersten Art (Drehungen und Schraubungen) beinhalten. Sie sind benannt nach dem deutschen Kristallographen und Physiker Leonhard Sohncke, der sie 1876 zuerst beschrieb. Enantiomerenreine chirale chemische Verbindungen können ausschließlich in den Sohncke-Raumgruppen kristallisieren[1], aber es gibt auch achirale Stoffe, die eine solche Raumgruppe haben.[2]

Geschichte

Die Raumstruktur von Kristallen geht auf das Konzept der Bravais-Gitter zurück, das 1848 von Auguste Bravais eingeführt wurde. Unter Einbeziehung der Arbeiten von Camille Jordan erweiterte Sohncke das Konzept in seinen Veröffentlichungen von 1876[3] und 1879.[4] Er berücksichtigte dabei nur Symmetrieoperationen der ersten Art (Drehungen und Schraubungen, d. h. Bewegungen der Determinante +1). In seinen ersten Publikationen erhielt Sohncke 66 Raumgruppen. Später erwiesen sich zwei davon identisch, so dass noch 65 übrig blieben.[5] Durch Verwendung von Symmetrieoperationen der zweiten Art erhielten Jewgraf Stepanowitsch Fjodorow und Arthur Moritz Schoenflies im Jahr 1891 alle 230 Raumgruppen.

Chirale Raumgruppen

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Sohncke-Raumgruppen auch als chirale Raumgruppen bezeichnet, weil chirale Moleküle nur in diesen 65 Raumgruppen kristallisieren können. Tatsächlich sind aber nur diejenigen Raumgruppen chiral, die bei einer Inversion oder Spiegelung in einer andere Raumgruppe überführt werden.[6] So ist beispielsweise die Raumgruppe P21 nicht chiral, weil durch Inversion wieder die Raumgruppe P21 entsteht. Dagegen ist die Raumgruppe P61 chiral, weil sie durch Inversion oder Spiegelung in P65 transformiert wird. Insgesamt gibt es daher nur 22 chirale Raumgruppen (11 Paare von enantiomorphen Raumgruppen).

Einzelnachweise

  1. L. Fabian, C. P. Brock: A list of organic kryptoracemates (Acta Cryst. 2010, B66, 94-103).
  2. E. Pidcock: Achiral molecules in non-centrosymmetric space groups (Chem. Commun., 2005, 3457–3459).
  3. L. Sohncke: Die unbegrenzten regelmässigen Punktsysteme als Grundlage einer Theorie der Krystallstructur, Karlsruhe, 1876.
  4. L. Sohncke: Entwicklung einer Theorie der Kristallstruktur, Leipzig, 1879.
  5. J. J. Burckhardt: Die Symmetrie der Kristalle, Birkhäuser Verlag, 1988 (Kapitel 7).
  6. H. D. Flack: Chiral and Achiral Crystal Structures (Helv. Chim. Acta 2003, 86, 905-921).

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