- Cantigas d'amigo
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Cantiga de amigo - cantiga d'amigo in Schreibweise der mittelalterlichen Manuskripte - bedeutet wörtlich 'Freundeslied' und ist eine volkstümliche alt-Galicisch-Portugiesische Liedform. Die meisten Texte sind vor dem Jahre 1300 geschrieben und stammen aus einer Zeit, in der das heutige Galicien und Portugal eins waren.
Es handelt sich um alt-Galicisch-Portugiesische Frauenlieder, deren durchgehendes Motiv die klagenden Fragen eines sich nach dem Geliebten sehnenden Mädchens ist. Die Fragen richten sich an den abwesenden Freund, an die Mutter, an eine Freundin oder an die Naturgewalten wie in unserem Beispiel weiter unten. Die inhaltlichen und formalen Elemente (Wiederholung und Parallelismen) - manchmal unterscheidet sich ein Vers vom anderen nur in einem einzigen Wort - sind von äußerster Schlichtheit. Dennoch oder gerade deshalb haben die cantigas de amigo eine starke poetische, magisch-suggestive Wirkung. Meist sind die Strophen dreizeilig, wobei die quälende Frage in der dritten Zeile als Kehrreim sehnsüchtig wiederkehrt wie im folgenden Beispiel, Ondas do mar de Vigo, einer cantiga d'amigo aus dem Cancionero, der Liedsammlung, des Martim Codax (13.Jh.):
- Ondas do mar de Vigo
- Ondas do mar de Vigo,
- Se vistes meu amigo?
- E ay Deus, se verrá cedo?
- Ondas do mar levado,
- Se vistes meu amado?
- E ay Deus, se verrá cedo.
- Se vistes meu amigo
- O por que eu sospiro?
- E ay Deus, se verrá cedo?
- Se vistes meu amado
- Por que ey gran coydado?
- E ay Deus, se verrá cedo! [1]
Wilhelm Storck hat diese cantiga de amigo sehr frei ins Deutsche nachgedichtet[2]:
- Eitle Fragen
- Im Vigo-Meer ihr Wallen
- Saht ihr den Trautgesellen?
- Ach Gott, dass er bald käme!
- Im Vigo-Meer ihr Fluten
- Saht ihr den Hochgemuthen?
- Ach Gott, dass er bald käme!
- Saht ihr den Trautgesellen
- Ich sucht an allen Stellen
- Ach Gott, dass er bald käme!
- Saht ihr den Hochgemuthen?
- Mir will das Herz verbluten
- Ach Gott, dass er bald käme!
Diese Frühform iberoromanischer Lyrik erinnert inhaltlich und formal an die Hargas, romanische Frauenlieder aus dem maurischen al-Ándalus (11./12. Jhd), Glanzpunkte der arabischen und hebräischen Muwassah-Dichtung, die in der gleichen erfrischenden Knappheit und sehr volkstümlich getönten Unmittelbarkeit gedichtet sind. Hier sei beispielhaft die jarcha aus der Muwassaha des Yosef ben Saddiq zitiert, ein Liebesgedicht aus dem 12.Jhd.[3]:
Nach Transliteration aus arabischer Konsonantenschrift ins lateinische Alphabet:
- kfr' mmh
- myu 'lhbyb 'št 'dy 'nh
Nach vokalisierter Transkription:
- Qué faré, mamma?
- mio al-habib est'ad yana.
Übersetzung ins moderne Spanisch:
- ¿Qué haré, mamá?
- ¡Mi amado está a la puerta!
Übersetzung ins Deutsche:
- Was soll ich tun, Mutter?
- Mein Liebster steht vor der Tür.
Weblinks
- Gesungene Version von Ondas do mar de Vigo aus: Johannes Kabatek: Las lenguas de España II Historia del gallego, Universität Tübingen WS 2005-2006.
Literatur
- Celso Ferreira da Cunha: O Cancionero de Martin Codax. Rio de Janeiro, 1956, im Volltext .
- Ingrid Kasten: Frauenlieder des Mittelalters, Zweisprachig. Reclams Universal-Bibliothek 8630, Stuttgart 1990, ISBN 3150086302.
- Thomas Cramer (Hg.): Frauenlieder - Cantigas de amigo. Hirzel S. Verlag Stuttgart 2000, ISBN 3-7776-1022-4.
- Henry R. Lang: Das Liederbuch des Königs Denis von Portugal. Georg Olms Halle 1892, Auszüge im Volltext.
Fußnoten
- ↑ Ondas do mar de Vigo - Die cantiga im kommentierten Volltext aus: Celso Ferreira da Cunha: O Cancionero de Martin Codax. Rio de Janeiro, 1956.
- ↑ Wilhelm Storck: Hundert altportugiesische Lieder, 1885, Nr. 65, S. 70
- ↑ altspanische Harga Nr. 14 - im Beispiel wird der Konjektur nach Menéndez Pidal gefolgt. Diplomarabeit von: Alma Wood Rivera: Las jarchas mozárabes: Una compilación de lecturas. 1969.
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