Der Turm der Beständigkeit

Der Turm der Beständigkeit

Der Turm der Beständigkeit ist eine Novelle von Gertrud von le Fort, die 1957 im Insel-Verlag in Wiesbaden erschien.[1]

Die Marquise Reinette[A 1] - Mätresse des Königs - befreit ihren Geliebten, den Prinzen von Beauvau[A 2], aus dem Kerker.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

In Begleitung eines Kaplans sucht der Prinz von Beauvau anno 1768[A 3] in seiner Eigenschaft als Gouverneur den Turm der Beständigkeit auf. Das ist ein Verlies in Aigues-Mortes, in dem seit Jahrzehnten Hugenotten gefangen gehalten werden. Als der Prinz des Elends gewahr wird, lässt er sofort alle hugenottischen Gefangenen frei. Der Kaplan macht den Prinzen darauf aufmerksam, dass er seine Kompetenz überschritten hat. Denn eine Vollmacht, vom König unterzeichnet, liegt nicht vor. Der selbstsichere Prinz will seine Autorität als Gouverneur gewahrt wissen und nimmt den spontan gegebenen Befehl nicht zurück. Beauvau meint, ein Mann wie er, der bei Hofe aufgestiegen ist, nachdem er schweren Herzens die Geliebte dem König als Mätresse überlassen hat, kann nicht anders. Überdies will sich der Prinz, der sich mehrfach „Freidenker“ nennt und Voltaire anhängt, nicht von einem katholischen Geistlichen bevormunden lassen. Und schließlich hatte der Ausruf einer der Gefangenen einen starken Eindruck auf Beauvau gemacht; ihn geradezu wachgerüttelt. Mit dem Ruf „Résistez!“[A 4] hatte die Hugenottin Marie Durand zwei weibliche Mitgefangene vom Winseln um Gnade abgebracht.

Wieder bei Hofe, versucht der Prinz über Reinette nachträglich die oben genannte Genehmigung des Königs zu erhalten. Schließlich hat er dem Festungskommandanten in Aigues-Mortes sein Ehrenwort gegeben: Das diesbezügliche Schreiben des Königs wird umgehend zugestellt werden.

Betroffen muss der Prinz zur Kenntnis nehmen, alle Schritte, die er in Paris geht, um das Dokument zu erhalten, bleiben ohne Wirkung. Die Mätresse des Königs hat andere Sorgen, sieht sich außerstande und verweist den Geliebten an den Jesuiten Pater Laroche. Der Pater meint, dem Prinzen werde der Prozess gemacht. Der Geistliche gibt sich selbst als Verfolgter der Staatsgewalt und rät dem Besucher, Frankreich sofort zu verlassen. Als der eigensinnige Prinz dies ablehnt, verweist ihn der Pater an die Marquise zurück. Der Prinz von Beauvau hat aber eine bessere Idee. Er wendet sich an seine Freunde, die Philosophen. Leider befindet sich Voltaire gerade außer Landes. Ein Buch Voltaires ist unlängst vom Henker verbrannt worden. Die Herren können nicht helfen. Also begibt sich der Prinz zu später Stunde nach Versailles und dringt zu Reinette vor. Die Dame erwartet im Nachtkleid den König. Wie unpassend! Da erscheint auch schon der Herrscher im Negligé. Der Prinz darf sein Anliegen vortragen. Der König weiß bereits Bescheid. Der Kaplan hat dem Erzbischof von Paris Meldung von den Vorgängen in Aigues-Mortes gemacht. Auch der Herrscher rät dem Prinzen, das Land schnellstens zu verlassen. Denn ein Prozess gegen den Prinzen erscheint als nicht abwendbar. Die Aufhebung des Edikts von Nantes ist unabänderlich. Selbst der König kann gar nichts ausrichten. Beauvau erinnert sich des Ausrufs „Résistez!“, geht nach Aigues-Mortes und lässt sich vom dortigen Kommandanten im Turm der Beständigkeit einkerkern.

Der Prozess gegen den Prinzen wird zwar eingeleitet, aber vom König niedergeschlagen. Reinette hatte die Gunst des Herrschers wiedergewinnen können. Der Prinz von Beauvau wird vom König ohne Bedingungen begnadigt und kommt frei.

Form

Der Erzähler nennt sich Chronist[2]. Der faktenhungrige Leser wartet vergeblich auf den Namen des Königs und auf den „Klarnamen“ von Reinette[A 5]. Gertrud von le Fort teilt gegen Textende mit, die Geschichte ende hier und sie begebe sich nun auf unsicheres Terrain, die noch mitzuteilenden Fakten betreffend[3].

Wenn eine Fabel, unter der Textoberfläche schlummernd, die Kraft hat, erst nach Lektüreende im Leserhirn machtvoll aufzusteigen, dann zum Beispiel diese hier. Beim Lesen erscheint das Verhältnis des Prinzen zu Reinette alles andere als befriedigend. Der Prinz wendet sich rasch von der Geliebten ab, muss aber bald notgedrungen kehrt machen. Der Brief Reinettes an die Adresse des Prinzen und seine Wirkung sind - zusammen mit dem gesamten Textkorpus rezipiert - ein wunderbares Zeugnis für die Kraft der Liebe einer Frau.

Literatur

Verwendete Ausgabe
Sekundärliteratur
  • Nicholas J. Meyerhofer: Gertrud von le Fort. Morgenbuch Verlag Berlin 1993. Köpfe des 20. Jahrhunderts, Band 119. ISBN 3-371-00376-0
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A - Z. S. 382, linke Spalte, 10. Z.v.o. Stuttgart 2004. ISBN 3-520-83704-8

Weblinks

Anmerkungen

  1. Der Prinz von Beauvau nennt die Mätresse des Königs im Gespräch unter vier Augen oder auch bei sich mit dem Schmeichelnamen (Verwendete Ausgabe, S. 263, 5. Z.v.o.) Reinette (siehe zum Beispiel in der verwendeten Ausgabe, S. 268, 13. Z.v.u.). Sonst bleibt die „hohe Gönnerin“ (Verwendete Ausgabe, S. 255, 6. Z.v.o.) des Prinzen im ganzen Text anonym.
  2. Wahrscheinlich darf der Prinz nicht dem Haus Beauvau zugerechnet werden, da er im Text lediglich vom König protegiert wurde.
  3. Gertrud von le Fort teilt weder irgendeine Jahreszahl noch den Namen des Königs mit. Aber aus dem Jahr der Haftentlassung Marie Durands (mit dem Ereignis beginnt die Geschichte), das war 1768 (siehe auch: Artikel Marie Durand), ist die Rekonstruktion möglich. 1768 herrschte Ludwig XV.
  4. Résistez! (frz.): Widersteht!
  5. Alles deutet auf die Pompadour. Diese kann aber mit Reinette nicht gemeint sein, weil sie ein paar Jahre vor Handlungsbeginn gestorben ist.

Einzelnachweise

  1. Meyerhofer, S. 103, Eintrag anno 195
  2. Verwendete Ausgabe, S. 289, 10. Z.v.u.
  3. Verwendete Ausgabe, S. 287, 12. Z.v.o. und auch S. 289, 10. Z.v.u.

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