Digitale Vererbung

Digitale Vererbung

Als Digitale Vererbung bezeichnet man den Übergang von bestehenden digitalen Daten einer Person auf eine andere („Begünstigte").

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Römisches Recht führte das Konzept der Universalsukzession ein. Zu Deutsch: Gesamtrechtsnachfolge. Damit bezeichnet man den Übergang des Vermögens und der Rechte auf einen Rechtsnachfolger. [1]

Charakteristiken von digitalen Werten

Zu den vererbbaren digitalen Werten gehören zum Beispiel Passwörter, Anweisungen, Verträge in elektronischer Form, Geschäftspläne, Patentanmeldungen, digitale Fotos, medizinische Informationen, Diplomas, Geburtszertifikate, Versicherungspolicen und Bankauszüge. Digitale Werte (Daten, Dokumente), sind von ihrer Natur her sehr viel flüchtiger, aber einfacher zu generieren, zu kopieren und zu verschieben als physische Werte. Aus diesem Grunde werden zentrale Datenablagen immer beliebter. Diese digitalen Werte sind in der Regel, je länger sie gespeichert werden, an immer mehr Orten auf physischen Speichermedien von Dienstanbietern zu finden (z.B. bei Google Docs, Apple MobileMe, Microsoft Services, Salesforce.com, etc.). Die Verträge mit diesen Dienstanbietern erlöschen jedoch automatisch im Todesfall des Vertragsnehmers. Dies konfrontiert die Erben mit vielen Problemen, da sie keine Rechte mehr an den Daten haben.

Im Gegensatz zu physischen Werten können elektronische Werte beliebig oft kopiert werden. Dies kann zu Problemen führen, wenn der digitale Wert auch einen Geldwert hat oder Datenschutzanforderungen unterliegt. Aus der Perspektive des Erbberechtigen kann es aber auch zu Problemen führen, wenn die Erben nicht auf die Daten zugreifen können, sei es, weil sie keine kompatiblen Lesegeräte mehr haben oder schlicht keinen Zugriff auf verschlüsselte Informationen haben.

Eine andere Herausforderung resultiert aus der extremen Neuproduktionsmenge von digitalen Werten. Es ist normal, dass eine Familie 5-10 Gigabyte pro Jahr an persönlichen Daten produziert (digitale Fotos eingeschlossen). Erben von digitalen Werten sind dann mit dem Problem konfrontiert, das für sie Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.

Übergabe von digitalen Daten

Im Gegensatz zur konventionellen Vererbung von physischen Gütern an enge Verwandte und Erbberechtige, können bei digitalen Daten auch rein digitale Bekanntschaften im Spiel sein. Die digitalen Bekanntschaften sind oft auch nur auf digitalem Wege kontaktierbar. Die Übergabe von digitalen Werten bedarf auch weiterer Instruktionen (mit welchen Medien die Datenträger gelesen werden können, mit welchen Passwörter die verschlüsselten Daten entschlüsselt werden können oder schlicht auch nur weitere Informationen wie die Daten strukturiert sind). Falls nun die Erbberechtigen in verschiedenen Nationen mit verschiedenen Erbrechten wohnen, ist nicht nur die Ausmargung von lokalem und internationalem Recht anspruchsvoll, es kann sehr aufwendig sein, eine Sterbeurkunde so zu beglaubigen, dass sie in einem anderen Land akzeptiert wird (der Ort, in dem die Daten abgelegt sind, ist oft nicht identisch mit dem Wohnsitz des Erblassers).

Der Anwendungsfall

Die digitale Vererbung sollte überall dort in Betracht gezogen werden, wo wichtige Daten an Begünstigte übergeben werden sollten (unter bestimmten Bedingungen, wie z.B. dem Tod des Datenbesitzers). Der Datenbesitzer hat also ein Interesse seine digitalen Werte gut zugänglich (beispielsweise in einem zentralen Datenspeicher) abzulegen und dann festzulegen, wem welche Daten zustehen. Die verlässliche Benachrichtigung von Erbberechtigten, speziell auch im internationalen Kontext, kann den Testamentsverwalter vor große Herausforderungen stellen.

Eine andere Anwendung liegt im Veröffentlichen des digitalen Vermächtnisses. Es ist einer der tiefsten und ältesten Wünsche der Menschheit, Spuren zu hinterlassen und in Erinnerung zu bleiben. Der digitale Tod bedroht das Vermächtnis und die Erinnerung der heutigen Generationen.

Rechtliche Perspektive

Aus rechtlicher Perspektive ist es wichtig, dass die digitalen Werte auch als Teil der Erbmasse betrachtet werden. Das Konzept der Universalksukzesssion bedeutet, dass die Erben die Rechte übernehmen. Diese Vermögensrechte sind gemäß verschiedenen nationalen Rechten, beispielsweise in der Schweiz [2] subjektives Recht (offene Verpflichtungen, Eigentum, Geistigeseigentum, und andere), wie auch Güterrechte des Erblassers.

Digitale Daten können als Teil der subjektiven Rechts (Bsp. Urheberrecht an einem Manuskript) auftreten. Allerdings sind die meisten digitalen Daten einer natürlichen Person nicht dem subjektiven Recht unterworfen (z.B. Passwörter, Bilder, Notizen). Damit diese Daten in die Erbmasse fließen, muss der Erblasser diese Daten besessen haben. Besitz ist aber normalerweise bezogen auf Sachen, was wiederum die Frage aufwirft, ob digitale Daten grundsätzlich Sachen sind oder ob nur die Datenträger eine Sache sind. Heute gilt die Ansicht, dass digitale Daten die Anforderungen (physische Aspekte) einer Sache nicht erfüllen.

So fern die digitalen Daten auf einem physischen Medium abgespeichert sind, werden die Daten in Rahmen des Besitzes der physischen Mediums betrachtet. Dies kann dann nicht mehr gelten, wenn der Erblasser seine Daten auf einem Medium ablegt, das ihm nicht gehört, z.B. einem Online-Server. In diesem Falle ist es entscheidend, dass der Erblasser einen Berechtigungsausweis (i.e. Passwort) besitzt. In diesem Falle ist das Passwort (Analogie zum Schlüssel eines physischen Banksafes) ein Hilfsmittel, welches Zugang zum Eigentum ermöglicht. So fällt der Zugang zu den digitalen Daten in die Erbmasse. Die Jurstik geht heute allerdings von der Annahme aus, dass beispielsweise Fotos aus einem physischen Fotoalbum gleichzubehandeln sind wie digitale Fotos. Somit fallen die digitalen Daten, welche auf einem Medium eines Dienstleisters liegen, in die Erbmasse des Erblassers, wenn der Erblasser Zugang hatte und die Daten mit dem Tode des Erblassers nicht gelöscht werden.

Wenn der Erblasser nicht will, dass sämtliche digitale Daten an alle Erben weitergegeben werden, muss er zu Lebzeiten entsprechende Vorkehrungen treffen. Natürlich könnte der Erblasser, solange er der Einzige ist, der von den Daten weiß, den Zugangsschlüssel an einen gewünschten Begünstigten weitergeben und keiner der anderen Erben würde davon erfahren. Verschiedene Vertreter von nationalen Gesetzgebungen sind allerdings der Meinung, dass der Erblasser mit einer testamentarischen Verfügung nicht sicherstellen kann, dass nur ein Begünstiger den Zuschlag erhält, da mit der Testamentseröffung die anderen Erben davon Kenntnis nehmen, dass digitale Daten existieren und damit autorisiert werden müssen, den Zugang zu diesen Daten (unter vielen nationalen Gesetzgebungen, z.B. in der Schweiz ([2]) zu erhalten, da sie als Erben ein Informationsrecht bezüglich der Erbmasse haben. Dies ist auch der Perspektive des Mindesterbeteils einsichtlich.

Limitationen und Alternativen

In Abwesenheit einer Lösung, welche die obigen Anwendungsfälle implementiert, ist es vermutlich am einfachsten, wenn der Erblasser in regelmäßigen Abständen seine Daten auf ein physisches Medium (z.B. DVD) kopiert und dieses Medium bei seinem Anwalt oder in einer Bank deponiert und darüber entsprechend im Testament vermerkt. Seit 2009 werden mehrere Dienste, die eine digitale Vererbung implementieren, angeboten.

Einzelnachweise

  1. http://www.rechtslexikon-online.de/Universalsukzession.html
  2. a b Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907

Siehe auch

Weblinks


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