EU-Pharmapaket

EU-Pharmapaket

Das EU-Pharmapaket (auch: Pharmapaket oder Pharma-Paket, englisch: Pharma Package) ist ein Maßnahmenbündel der Europäischen Kommission zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit in der EU. Wesentliche Inhalte sind die:

  • Verbesserung der Überwachung von Arzneimittelrisiken (Pharmakovigilanz),
  • Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen und
  • werbefreie Information der Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel.

Das EU-Pharmapaket wurde im Dezember 2008 vom damaligen EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie und stellvertretendem Kommissionspräsidenten Günter Verheugen vorgelegt[1] und ist in Teilen bereits verabschiedet. Vorangegangen war im Jahr 2005 die Errichtung eines Gremiums („Pharmaforum“), in welchem sich die Minister der EU-Staaten mit Vertretern der EU-Kommission und des EU-Parlaments mit der Ausarbeitung der Inhalte befassten.

Das EU-Pharmapaket betrifft nur Humanarzneimittel.

Inhaltsverzeichnis

Verbesserung der Pharmakovigilanz

Die Risikoüberwachung nach Markteinführung (Pharmakovigilanz) wird für alle Medikamente der EU-Länder generell auf europäischer Ebene angesiedelt werden. Dadurch sollen Arzneimittelrisiken schneller und besser erkannt und eventuell erforderliche Maßnahmen rasch und EU-weit einheitlich umgesetzt werden. Das Informationsangebot zu Arzneimittelrisiken und Risikoüberwachung soll ausgebaut und über ein Web-Portal öffentlich zugänglich gemacht werden.

Der Meldeweg für beobachtete unerwünschte Arzneimittelwirkungen wird verkürzt, die Meldepflicht erweitert. So haben Pharmaunternehmen Meldungen künftig direkt an die europäische Arzneimittelagentur (EMA) zu adressieren, die für deren einheitliche Erfassung, Sammlung, Auswertung und Archivierung das Netzwerk EudraVigilance betreibt, und nicht mehr wie bisher an die jeweiligen nationalen Behörden, die die Meldungen dann weiter geleitet haben. Für die innerhalb von 15 Tagen zu meldenden schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen müssen dann nicht nur die in EU-Ländern, sondern die weltweit aufgetretenen Fälle berücksichtigt werden. Hinzu kommt die zusätzliche Meldung von in der EU aufgetretenen, nicht schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen, die die Pharmaunternehmen innerhalb von 90 Tagen melden müssen. Unter die Meldepflicht fallen auch Nebenwirkungen, die nach nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch (Medikationsfehler, Missbrauch) auftreten; es wird zudem nicht mehr in erwartete (bekannte) und unerwartete (neue) Nebenwirkungen unterschieden. Auch können Patienten zukünftig selbst Nebenwirkungen an die EMA melden. Hingegen entfällt für Pharmaunternehmen die periodische Berichtspflicht zu unerwünschten Wirkungen für eine Reihe von Medikamenten gänzlich, für weitere wird sie neu geregelt. Die EMA sichtet die wissenschaftliche Literatur hinsichtlich bestimmter Arzneistoffe und pflegt unerwünschte Wirkungen in EudraVigilance ein.

Zulassungsinhaber können mit und nach der Zulassung zu Risikomanagement-Maßnahmen verpflichtet werden (etwa weitere Wirksamkeits- und Sicherheitsstudien). Arzneimittel, die einer zusätzlichen Risikoüberwachung unterliegen, müssen in ihrer Fachinformation mit einem schwarzen Symbol und einem erläuternden Text gekennzeichnet werden. Neu eingeführt wird die Vorhaltung der Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems als Pharmakovigilanz-Stammdokumentation (Pharmacovigilance Master File) beim Zulassungsinhaber anstelle der bisher üblichen Einreichung mit jedem einzelnen Zulassungsantrag.

Zur Koordination und Bewältigung der zusätzlichen Aufgaben für die europäische Arzneimittelagentur wird ein Pharmakovigilanzausschuss (Pharmakovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) eingerichtet, der die Pharmakovigilanz-Arbeitsgruppe (Pharmakovigilance Working Party, PhVWP) ersetzt. Das PRAC ist in alle Belange der Pharmakovigilanz für in den Ländern der EU zugelassene Arzneimittel eingebunden und unterstützt den ebenfalls in der EMA angesiedelten Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) und die Koordinierungsgruppe der Länderbehörden (CMDh). Das PRAC ist zudem für die Führung von europäischen Risikobewertungsverfahren verantwortlich.

Basis der Neuregelungen sind die EU-Richtlinie 2010/84/EU vom 15. Dezember 2010 („Pharmakovigilanzrichtlinie“) sowie eine EU-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 1235/2010 vom 15. Dezember 2010), beide seit Januar 2011 in Kraft und bis Juli 2012 national umzusetzen bzw. ab Juli 2012 gültig.[2][3]

Bekämpfung von Arzneimittelfälschung

Arzneimittelhersteller müssen nachweisen, dass die von ihnen verwendeten Wirkstoffe nach den Richtlinien einer guten Herstellpraxis (GMP) gefertigt wurden. Die Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, dass nur gemäß GMP hergestellte Wirkstoffe importiert und exportiert werden. Für den Import werden nur zertifizierte und mit einer schriftlichen Bestätigung des Exportlandes versehene Wirkstoffe zugelassen. Stellen Arzneimittelhersteller fest, dass Arzneimittel tatsächlich oder vermutlich gefälscht im Verkehr sind, müssen sie unverzüglich die Behörden darüber informieren.

Verschreibungspflichtige Arzneimittel erhalten eine fälschungssichere Codierung auf der Packung, anhand derer die Echtheit des Arzneimittels überprüft und einzelne Packungen identifiziert werden können. Ausnahmen sind für verschreibungspflichtige Arzneimittel möglich, wenn für sie nachweislich kein Fälschungsrisiko besteht. Umgekehrt können nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel ausnahmsweise unter die Codierungspflicht fallen, wenn ein Fälschungsrisiko existiert. Nicht durchgesetzt hat sich der ursprüngliche Plan, dass Arzneimittel vom Hersteller bis zum Patienten in derselben Packung bleiben: So dürfen Originalverpackungen weiterhin im Zuge von Parallelimporten umgepackt werden. Parallelimporteure müssen nach der Umpackung einen neuen Sicherheitscode aufbringen.

Die EU soll den Arzneimittelhandel über das Internet stärker kontrollieren. Ein noch festzulegendes, EU-weit einheitliches Logo wird vertrauenswürdige Internet-Apotheken kennzeichnen.

Basis der Neuregelungen ist die EU-Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 („Fälschungsrichtlinie“),[4] die innerhalb von 18 Monaten national umzusetzen ist.

Patienteninformation zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln

In jedem EU-Staat soll ein industrieunabhängiges Internetangebot eingerichtet wird, welches Verbraucher über Nutzen, Wirkung und Nebenwirkungen von Arzneimitteln informiert. Die Daten sollen objektiv, patientenorientiert, allgemeinverständlich und nicht irreführend sein.

Vorgesehen ist ferner, dass auch Pharmaunternehmen Patienten neutral und werbefrei zu verschreibungspflichtigen Produkten informieren dürfen sollen. Neutrale Informationen sind beispielsweise die Texte der Produktinformationen (Packungsbeilage), aber auch andere Sachinformationen wie Packungsänderungen, Preisangaben oder Umweltverträglichkeit. Weitergehende produktbezogene medizinische Angaben jedoch, wie etwa Information über nicht-interventionelle Studien sollen die vorherige behördliche Freigabe erfordern. Pharmafirmen sollen auch nur auf Anfrage informativ tätig werden dürfen, auf Internetseiten sollen Informationen nur nach gezielter Suche abrufbar sein.

Offene Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente in Fernsehen, Radio und Printmedien bleibt in der EU weiterhin verboten. Der ursprüngliche Entwurf des Pharmapakets aus dem Jahr 2008, der vorsah das bestehende Werbeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente zu lockern, hatte Proteste bei Parlamentariern, Krankenkassen, Verbraucherschützern, Ärzten und Apothekern ausgelöst. Auch die inzwischen erfolgten Einschränkungen werden teilweise noch für unzureichend gehalten, solange nicht Werbung und Information klar voneinander abgrenzbar seien.

Verordnung und Richtlinie sind noch nicht verabschiedet.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Sichere, innovative und erschwingliche Arzneimittel: eine neue Vision für die Arzneimittelindustrie KOM(2008) 666 endg. vom 10. Dezember 2008.
  2. Verordnung (EU) Nr. 1235/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2010 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur hinsichtlich der Pharmakovigilanz von Humanarzneimitteln und der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien
  3. Richtlinie 2010/84/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2010 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Pharmakovigilanz
  4. Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Verhinderung des Eindringens von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette

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