Eisenbahnunfall von Fiesch

Eisenbahnunfall von Fiesch

Das Zugunglück von Fiesch ereignete sich am 23. Juli 2010, als gegen 11.50 Uhr CEST die letzten drei Wagen des Glacier-Express zwischen den Stationen Lax und Fiesch Feriendorf im Goms wegen überhöhter Geschwindigkeit umkippten. Es ist das schwerste Zugunglück in der Schweiz seit dem 17. Mai 2006, als in Thun ein Bauzug ungebremst auf einen stehenden Bauzug prallte und drei Menschen das Leben verloren.[1]

Inhaltsverzeichnis

Hergang

Der Glacier-Express 906[2] war auf dem Weg von Zermatt nach St. Moritz, als gegen Mittag nahe einem Viadukt zwischen Lax und Fiesch die letzten drei Wagen – zwei Erste-Klasse- und ein Speisewagen – umkippten. Während die beiden letzten Wagen zur Seite kippten und dabei Fahrleitungsmasten umrissen, wurde der Speisewagen – der bereits auf dem Viadukt stand – von einem Fahrleitungsmast in Schrägstellung aufgefangen.

Der Zug bestand aus Panoramawagen der Bauarten Breda und Stadler. Die beiden umgekippten Wagen (Api 4032 und Ap 4022 vom Typ Breda) wurden teilweise seitlich eingedrückt. Eine 64-jährige Japanerin kam ums Leben, 42 weitere Personen wurden verletzt, 12 von ihnen schwer.[3]

Zur Bergung wurden fünf Rettungshubschrauber der Air Zermatt, vier der Air Glaciers und einer der REGA aufgeboten. Der letzte Waggon des Zuges musste mit Stahlseilen gesichert werden, ehe die Bergung beginnen konnte. Die unverletzten Reisenden wurden zunächst im Feriendorf Fiesch betreut und später mit Bussen weiter befördert.[4]

Streckensperrung

Die Strecke Lax–Fiesch der Matterhorn-Gotthard-Bahn war nach dem Unfall für anderthalb Tage unterbrochen.[5]

Ursachen

Die Untersuchung der Unfallursachen durch den Untersuchungsrichter und die Unfalluntersuchungsstelle für Bahnen und Schiffe führte sieben Tage nach dem Unfall zu einem definitiven Ergebnis und ergab, dass der Lokführer zu früh beschleunigt hatte. Als die Lok das Endsignal der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 35 km/h erreicht hatte, beschleunigte der Lokführer den Zug bis auf 56 km/h, bevor die durch das Umkippen ausgelöste (Zerreissen der Bremsschläuche) Schnellbremsung eingeleitet wurde. Die Trägheitskraft bewirkte (ohne vorgängiges Aufklettern der Radsätze) das Umkippen des hintersten Wagens, der in der Folge auch die beiden vorauslaufenden Fahrzeuge mitriss[6]. Erlaubt wäre das Beschleunigen erst, nachdem der letzte Wagen das Endsignal passiert hat.[7]

Ein Unfall mit gleicher Ursache ereignete sich am 2. Februar 1991 beim gleichen Unternehmen, das damals noch BVZ hiess. Damals kippte der als letzter Wagen am Zug 143 mitgeführte Zisternenwagen Uah 2893 bei St. Niklaus VS, weil der Lokführer nach einer kurvenbedingten Langsamfahrstelle zu früh beschleunigt hatte.[8]

Die UUS hatte bereits am Montag, 26. Juli 2010 informiert, dass an den Fahrzeugen keine technischen Fehler oder Defekte festgestellt werden konnten. Die Untersuchungen konzentrierten sich weiter auf die Gleislage und die Geschwindigkeit des Zuges. Der Lokführer habe gegenüber der UUS geäussert, er habe eine Unregelmässigkeit in der Gleislage gesehen, aber nicht mehr bremsen können.[9][10] Ausgeschlossen wurden Deformationen der Gleise infolge des Temperatursturzes. Ein Sprecher der MGB verneinte in einem Fernsehinterview auch einen Zusammenhang mit kürzlichen Gleisbauarbeiten auf diesem Abschnitt.[11][12][13]

Opfer

Das Todesopfer stammt aus Japan, genauso wie 28 der Verletzten. Ausserdem wurden fünf schweizerische, vier deutsche, zwei österreichische und ein indischer Staatsbürger verletzt.[14]

Strafprozess

Der Lokführer wurde 2011 der fahrlässigen Tötung, der mehrfachen fahrlässigen schweren Körperverletzung sowie der fahrlässigen Störung des Eisenbahnverkehrs schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 15'000 Franken auf zwei Jahren Bewährung verurteilt. Ausserdem muss er eine Busse über 500 Franken bezahlen. Das Urteil ist rechtskräftig.[15]

Einzelnachweise

  1. http://videoportal.ch.msn.com/video?id=10f1ecb9-75a5-4405-9c63-71cb811f996a;DCSext.zugang=videoportal_aehnlichevideos
  2. http://www.uus.admin.ch/de/themen_laufende_untersuchungen.htm Liste der laufenden Untersuchungen der UUS.
  3. http://www.20min.ch/news/kreuz_und_quer/story/25162664
  4. http://www.blick.ch/news/schweiz/bern/das-todesopfer-ist-eine-64-jaehrige-japanerin-151833
  5. http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2010/07/25/Schweiz/Glacier-Express-verkehrt-wieder-nach-Fahrplan
  6. Schweizer Eisenbahn-Revue 10/2010, Seiten 529–531, Entgleisung eines Glacier-Express bei Fiesch
  7. http://www.nzz.ch/nachrichten/schweiz/lokomotivfuehrer_des_glacier_express_fuhr_zu_schnell_1.7015322.html
  8. Tages-Anzeiger vom 4. und 5. Februar sowie 8. März 1991
  9. http://www.radiorottu.ch/cms/home.php Meldung vom 26. Juli 2010, 17:33
  10. Regionaljournal Bern-Freiburg-Wallis von Radio DRS, 26. Juli 17:30 Uhr http://www.drs1.ch/www/de/drs1/sendungen/regionaljournal-bern-freiburg-wallis.html
  11. http://videoportal.sf.tv/video?id=bbe5071f-9d8f-4e8c-a3ec-7ceca2bef764;DCSext.zugang=videoportal_interessant
  12. http://www.tagesanzeiger.ch/panorama/vermischtes/Schweres-Zugunglueck-mit-Glacier-Express-im-Wallis/story/16873556
  13. http://www.20min.ch/news/kreuz_und_quer/story/25162664
  14. http://www.20min.ch/news/kreuz_und_quer/story/25162664
  15. Lokomotivführer verurteilt in: NZZ Online vom 7. März 2011

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