Friedrich Reindel

Friedrich Reindel

Friedrich Reindel (* 6. September 1824 in Werben (Elbe); † 27. September 1908 in Magdeburg) war ein preußischer Scharfrichter.

Friedrich Reindel war neben Julius Krautz (1843–1921) und Carl Gröpler (1868–1946) der populärste preußische Scharfrichter. Er nahm zwischen 1874 und 1898 zahlreiche Hinrichtungen in ganz Norddeutschland vor und hantierte noch bis in sein hohes Alter mit dem Handbeil, was ihm vermutlich den Spitznamen „Vater Reindel“ einbrachte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Reindel wurde als siebtes Kind aus der ersten Ehe des Scharfrichters, Abdeckers und angesehenen Tierarztes in Werben (Elbe) Thomas Christoph Reindel geboren und auf den Namen Friedrich Wilhelm Reindel getauft. Sein Pate war interessanterweise der preußische König Friedrich Wilhelm III., der auch selbst die Vornamen des Täuflings bestimmte.

Als Scharfrichtergehilfe stand Friedrich Reindel seit 1842 im Schatten seines älteren Bruders Wilhelm, des Scharfrichters aus Werben und späteren Scharfrichters des Norddeutschen Bundes.[1] Nach eigenen Angaben (1883) hatte Reindel seinen Bruder bei dessen 40 Hinrichtungen unterstützt. U. a. assistierte er seinem Bruder Wilhelm am 14. Dezember 1844 in Spandau bei der Hinrichtung des (erfolglosen) Königs-Attentäters Heinrich Ludwig Tschech. Die Reindelschen Brüder gingen sich, wie Zeitungsberichte belegen, hilfreich zur Hand. So verlautete am 13. Mai 1868: „wo sich auch der Scharfrichter Reindel mit seinen drei Brüdern, als dessen Gehülfen, ersterer in schwarzem Anzuge, befanden“.

Als Scharfrichter Wilhelm Reindel 1872 mit 59 Jahren in Werben starb, begann die Ära Friedrich Reindel.

Friedrich Reindel diente nach eigener Aussage gegenüber einem amerikanischen Journalisten im Jahre 1891 20 Jahre in der preußischen Armee, wo er als ausgezeichneter Soldat gewürdigt worden sei und was ihm schließlich – wie vielen anderen Armeeangehörigen auch – eine Bevorzugung bei der Besetzung bestimmter Ämter eingebracht habe. So wurde er 1873 Scharfrichter und Abdeckereibesitzer in Magdeburg.

Friedrich Reindel amtierte volle 25 Jahre und vollzog 213 Hinrichtungen. In einem Tagebuch hat er 196 tadellose Hinrichtungen aufgelistet. Zweimal vollzog er eine doppelte, einmal eine dreifache Hinrichtung und am 21. Mai 1898 sogar eine vierfache Hinrichtung in Duisburg.[2]

Solange er noch nicht als preußischer Scharfrichter bestellt war – das war zunächst von 1878 bis 1889 Julius Krautz – hatte Friedrich Reindel noch relativ wenige Einsätze als Scharfrichter. Am 27. März 1874 trat er erstmals eigenverantwortlich in Aktion. Der ledige Maler Louis Krage stand damals wegen Doppelmordes in Braunschweig auf dem Schafott.

Ein gewisses Aufsehen hatte dann die von Friedrich Reindel am 5. Februar 1875 in Braunschweig vorgenommene Doppelhinrichtung von Henriette Krebs und Wilhelm Brandes erregt. „Die Gegenwart“ beschrieb den Akteur: „R. ist ein stattlicher Mann mit bleichem Gesicht, aus dem weit eher Gutmüthigkeit als Hartherzigkeit spricht.“[3]

Nach den beiden Amtshandlungen in Braunschweig wurde Friedrich Reindel acht Jahre lang nicht eingesetzt.

Friedrich Reindel konstruierte „behufs humanerer, schnellerer und sicherer Ausführung der Exekution“ die Richtbank, die er erstmalig am 17. August 1883 in Holzminden anwandte, als der Weber und Fabrikarbeiter Franz Ille enthauptet wurde.

Im Jahre 1889 ereignete sich ein großer Wandel im Berufsleben von Friedrich Reindel. Julius Krautz hatte am 25. März 1889 seinen Gehilfen Gummich getötet und wurde dafür in Untersuchungshaft genommen. In der Zeit der Untersuchungshaft, und zwar im April 1889, wurde Friedrich Reindel beauftragt, den zum Tode verurteilten Raubmörder Stephan Horzan in Oppeln hinzurichten. Dem kam er am 25. April nach, bewährte sich und trat noch 1889, nachdem Julius Krautz soeben vorzeitig in den Ruhestand geschickt worden war, in preußische Staatsdienste.

Reindels Tagebuch der Jahre 1874–1898 und das dazugehörige Attestbuch, beides im Ledereinband, fanden sich überraschend im Herbst 1989 an. Im November 1989 kaufte der Direktor des Braunschweigischen Landesmuseums „von einer älteren Frau aus der ehemaligen DDR“ die beiden Bücher, die danach auf Jahre im Magazin verschwanden.

Nach 1898 ist keine von Friedrich Reindel selbst vollzogene Enthauptung mehr dokumentiert, auch wenn er nach wie vor erster Ansprechpartner der Behörden geblieben ist. Rheumatische Beschwerden im Arm zwangen ihn, sich vom Sohn Wilhelm vertreten zu lassen.

Literatur

  • Matthias Blazek: „Herr Staatsanwalt, das Urteil ist vollstreckt.“ Die Brüder Wilhelm und Friedrich Reindel: Scharfrichter im Dienste des Norddeutschen Bundes und Seiner Majestät 1843–1898. ibidem, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-8382-0277-8.
  • Matthias Blazek: Scharfrichter in Preußen und im Deutschen Reich 1866–1945. ibidem, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-8382-0107-8.
  • Matthias Blazek: Scharfrichter Friedrich Reindel (1824–1908) enthauptete insgesamt 213 Menschen – 1889 bis 1898 preußischer Scharfrichter / Im Tagebuch notierte er nur „tadellos vollzogene“ Hinrichtungen. In: Sachsenspiegel. 12, Cellesche Zeitung vom 26. März 2011
  • Otto Mansfeld: Der Scharfrichter aus Osterburg. In: Landgericht Stendal – „... nur dem Gesetze unterworfen“. Books on Demand, Stendal 2002, S. 394 ff. (Online-Ressource bei Google Books)
  • Maximilian Schmidt: Julius Krautz der Scharfrichter von Berlin – Ein Kulturbild aus dem neunzehnten Jahrhundert, etc. Selbstverlag 1893.
  • Uwe Winkler: Vom Museum aufs Schafott. Kleine Geschichte eines Richtbeils. Verlag M, Berlin 2009, ISBN 978-3-9812257-3-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ausführlich: Blazek, Matthias: „Der Scharfrichter des Norddeutschen Bundes kam aus der Altmark – Wilhelm Reindel war der Scharfrichter aus Werben (Elbe)“, Altmark-Blätter vom 2. April 2011.
  2. Staufener Wochenblatt. 28. Mai 1898.
  3. Die Gegenwart – Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben. Bd. 7-8, Berlin 1875, S. 11.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Reindel — ist der Familienname folgender Personen: Friedrich Reindel (1824–1908), preußischer Scharfrichter Kurt Reindel (1925–2011), deutscher Historiker Siehe auch Reindl Diese Seite ist eine …   Deutsch Wikipedia

  • Richtbank — Die vom Magdeburger Scharfrichter Friedrich Reindel (1824–1908) konstruierte Richtbank wurde erstmals bei einer Hinrichtung am 17. August 1883 in Holzminden eingesetzt.[1] Vorher hatte der Verurteilte hinter dem Richtblock knien müssen, seine… …   Deutsch Wikipedia

  • Werben (Elbe) — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Carl Gröpler — (* 22. Februar 1868 in Magdeburg; † 30. Januar 1946 ebenda) war preußischer Scharfrichter von 1906 bis 1937 und nahm Hinrichtungen in Preußen, Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig und den Hansestädten vor. Gröpler galt neben Friedrich Reindel… …   Deutsch Wikipedia

  • Matthias Blazek — (* 1966 in Celle) ist ein deutscher freier Journalist, Historiker und Publizist. Inhaltsverzeichnis 1 …   Deutsch Wikipedia

  • Julius Krautz — (* 11. September 1843 in Zehden (heute Cedynia in Polen); † 24. April 1921 im Krankenhaus von Rüdersdorf bei Berlin) war ein preußischer Scharfrichter. Julius Krautz gilt als bekanntester Scharfrichter der deutschen Geschichte. Auf ihn geht die… …   Deutsch Wikipedia

  • Scharfrichter — Der Scharfrichter (der mit der Schärfe des Schwertes Richtende), ein besonderer Beruf, vollstreckt seit dem Mittelalter die Todesstrafe; früher war auch der Begriff Carnifex gebräuchlich, heute wird synonym dazu die Bezeichnung Henker verwendet… …   Deutsch Wikipedia

  • Bourreau — Peine de mort Généralités Mort · Crime capital · Couloir de la mort · Exécution sommaire Détails Exécution : Méthodes d exécution · Ordre d exécution · Bourreau · Dernier repas Liste d œuvres traitant de la peine de mort …   Wikipédia en Français

  • Karl Jäger (Maler) — Karl Jäger, auch Carl oder K. Jaeger oder Jäger (* 17. Oktober 1833 in Nürnberg; † 15. Dezember 1887 ebenda), war ein Radierer, Genre , Historien und Bildnismaler. Er lehrte Zeichnen an der Kunstgewerbeschule Nürnberg nach Akt und Antike.… …   Deutsch Wikipedia

  • DDR-Nachwuchsmeisterschaft (Badminton) — DDR Nachwuchsmeisterschaften im Badminton wurden seit 1961 ausgetragen. Vor 1961 wurden DDR Bestenermittlungen durchgeführt. Ab 1961 gab es DDR Juniorenmeisterschaften, die für die Altersklasse 16/17 durchgeführt wurden, und… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”