Gangolf Stocker

Gangolf Stocker
Gangolf Stocker

Gangolf Stocker (* 7. Juni 1944 in Offenburg) ist ein Stuttgarter Kunstmaler und Mitglied des Gemeinderats der Stadt Stuttgart. Bekannt wurde er als Sprecher des Aktionsbündnisses gegen das Projekt Stuttgart 21.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gangolf Stocker ist eines von drei Kindern einer Offenburger Arbeiterfamilie. Nach dem Abschluss der achtjährigen Volksschule besuchte er das Wirtschaftsgymnasium und schloss eine Lehre zum Vermessungstechniker[1] ab. Danach arbeitete er zwei Jahre als Vermessungstechniker beim Flurbereinigungsamt Offenburg 2.

Er gab diesen Beruf auf, um freiberuflich als Kunstmaler zu arbeiten. 1964 nahm er an einer Gemeinschaftsausstellung im Offenburger Jugendhaus teil, 1965 präsentierte das Kulturamt Offenburg seine Werke in einer Einzelausstellung.

1967 widersetzte er sich als Totalverweigerer sowohl dem Wehr- als auch dem Ersatzdienst. Da diese Verweigerung mit strafrechtlichen Konsequenzen belegt ist, floh er 1967 nach Frankreich, lebte unter anderem in Straßburg, Antibes, Toulouse, arbeitete bei der französischen Wehrdienstverweigerer-Organisation Objecteurs de conscience in den Pyrenäen und für den Gewerkschaftsbund CGT in einem Ferienlager bei Nizza. Ende 1967 kehrte er nach Offenburg zurück. Nach 15 Tagen[1] Untersuchungshaft wurde er 1968 für seine Totalverweigerung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Im selben Jahr wurde er Vorsitzender des Bezirks Mittelbaden des Verbands der Kriegsdienstverweigerer.

Ebenfalls im Jahr 1969 wurde er an der Kunstakademie Stuttgart als Student der Bildhauerei bei Rudolf Hoflehner aufgenommen.

1969 nahm er eine Stelle als Sachbearbeiter beim Georg Thieme Verlag in Stuttgart an. 1970 war er Mitbegründer des Betriebsrats im Georg Thieme Verlag und anschließend 13 Jahre lang dessen erster Vorsitzender. Von 1969 bis 1974 war Stocker Mitglied in der SPD, von 1975 bis 1990 in der DKP. Er arbeitete bis 1994 bei Thieme.

Seitdem arbeitet er wieder als Kunstmaler. Seine Ölgemälde, Aquarelle und Pastellkreidebilder erzählen Geschichten, manchmal mit mythischem Hintergrund, wobei stets die Landschaft eine tragende Rolle spielt. Die Darstellungsweise reicht von realitätsnah in seinen Menschenporträts bis zu weitgehender abstrakter Reduktion, beispielsweise in Landschaftsaquarellen.

1995 begann Stocker, sich gegen Stuttgart 21 zu engagieren, und gründete die Initiative Leben in Stuttgart – kein Stuttgart 21.[1] Die Initiative druckte Flugblätter und verteilte sie an Stuttgarter Bürger, zunächst mit schwacher Resonanz. Verstärkung bekam die Bewegung durch die Zusammenarbeit mit dem BUND und dem VCD, mit denen sich die Initiative zu einem Aktionsbündnis zusammenschloss. Stocker war bis 2011 Sprecher dieses Aktionsbündnisses.

1999 gründete er die Liste Parteilos glücklich; mit ihr kandidierte er das erste Mal für den Stuttgarter Gemeinderat. Er trat der PDS bei, deren Landesgeschäftsstelle er von 2000 bis 2006 leitete. 2004 war er Mitbegründer der Wählergruppe Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS). Die Liste gewann auf Anhieb einen Sitz. Bei der nächsten Gemeinderatswahl, 2009, konnte auch Stocker gemeinsam mit Hannes Rockenbauch und Maria Lina Kotelmann ein Mandat im Gemeinderat für die SÖS gewinnen. Gemeinsam mit zwei Stadträten von Die Linke bildet man seitdem eine Fraktionsgemeinschaft. Stocker ist Mitglied im Ausschuss für Umwelt und Technik.

Ein Anliegen ist für Stocker das kulturelle Programm mit Musikern, Kabarettisten und Schauspielern, sowohl bei den Demonstrationen als auch bei Veranstaltungen im Umfeld. So unterstützten unter anderem der Dichter Timo Brunke, die Violinistin Christine Busch mit einem professionellen klassischen Streichquartett, der Kabarettist Nils Heinrich und die Sängerin Susanne Schempp mit ihren Beiträgen den Protest. Bedingt durch sein politisches Engagement hat Stocker sein künstlerisches Schaffen reduziert.

Stocker lebt im Stuttgarter Stadtteil Gaisburg.[1] Er ist geschieden und hat zwei Kinder, geboren 1982 und 1984.

Protest gegen Stuttgart 21

2007 initiierte er gemeinsam mit Werner Wölfle und dem BUND ein Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21; es erhielt über 61.000 amtlich als gültig anerkannte Stimmen und war damit das erfolgreichste Bürgerbegehren in der Geschichte der Stadt. Auf Grund eines Rechtsgutachtens wurde es vom Gemeinderat abgelehnt. Stocker reichte daraufhin als Privatmann zunächst Beschwerde beim Regierungspräsidium Stuttgart ein. Als diese abgewiesen wurde, erhob er Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart. Das Gericht entschied 2008 gegen Stocker und wies die Klage ab.

Im November 2009 sammelte sich eine zunächst kleine Gruppe von Bürgern spontan an jedem Montag zur Demonstration am Stuttgarter Hauptbahnhof. Die Zahl der Demonstranten wuchs in den folgenden Wochen auf mehrere hundert an. In diesem Stadium nahm sich Stocker mit der Initiative Leben in Stuttgart der Organisation dieser Kundgebungen an, zeichnet persönlich verantwortlich für die Anmeldung und koordiniert die Organisation und Kommunikation mit Polizei und Behörden. Seit Juli 2010 organisiert das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 auch Freitags regelmäßig Demonstrationen. Insbesondere mit Beginn der Abrissarbeiten am Hauptbahnhof nahm deren Teilnehmerzahl zu. Bei der Demonstration am 9. Oktober 2010 nahmen laut Polizeiangaben 63.000, laut Veranstalterangaben über 150.000 Menschen teil. Am 20. Januar 2011 wurde Stocker vom Amtsgericht Stuttgart zu einer Geldstrafe von 1500 Euro verurteilt, da er am 21. August 2010 gegen seine Pflichten als Versammlungsleiter verstoßen habe.[2]

Am 27. März 2011 – nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg – kündigte Stocker aufgrund von Streitigkeiten seinen Rücktritt als Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 an.[3] Den Vorsitz der Initiative Leben in Stuttgart – kein Stuttgart 21 will er dagegen weiter ausüben.

Literatur

Weblinks

  • Leben in Stuttgart – Website der Bürgerinitiative, für die Stocker Sprecher ist
  • Karin Hascher: Gangolf Stocker. Vorstellung der Neuen Stadträte bei der Landeshauptstadt Stuttgart.
  • Stefan Siller: Interview mit Gangolf Stocker bei SWR1 Leute, gesendet am 13. September 2010 (MP3-Download, 28 Minuten)

Einzelnachweise

  1. a b c d Hermann G. Abmayr: Der dünnhäutige Bahnbrecher. In: Stuttgarter Zeitung (Onlineausgabe), ca. 4. Mai 2011.
  2. Gericht: Stocker hat als Versammlungsleiter versagt. Stuttgarter Zeitung. Abgerufen am 22. Januar 2011.
  3. Projektgegner stürmen Bauzaun. Stuttgarter Zeitung (Onlineausgabe), März 2011.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gangolf — ist ein männlicher Vorname. Herkunft und Bedeutung Der Vorname Gangolf ist fränkischer Herkunft und setzt sich aus den Elementen gang „Gang“ und wolf „Wolf“ zusammen. Dieselben Elemente tauchen im Vornamen Wolfgang in umgekehrter Reihenfolge auf …   Deutsch Wikipedia

  • Stocker — ist ein Familienname: Achim Stocker (1935–2009), deutscher Fußball Funktionär Arno Stocker (* 1956), deutscher Klavierstimmer, Klavierrestaurator und Klavierdesigner Daniel Stocker (1865–1957), deutscher Bildhauer Darja Stocker (* 1983),… …   Deutsch Wikipedia

  • Protest gegen Stuttgart 21 — Anti Stuttgart 21 Aufkleber Demonstration auf dem Sc …   Deutsch Wikipedia

  • Kopfbahnhof 21 — Logo Derzeitiger Ausbau des Hauptbahnhofs (März 2008) Als …   Deutsch Wikipedia

  • Stuttgart 21 — Überblick der im Zuge von Stuttgart 21 geplanten Veränderungen an Bahnanlagen im Raum Stuttgart Stuttgart 21 (auch kurz: S21) ist ein im Bau befindliches Verkehrs und Städtebauprojekt zur Neuordnung des Eisenbahnknotens Stuttgart. Kernstück ist… …   Deutsch Wikipedia

  • Ökologische Plattform — Die Ökologische Plattform ist ein politischer Zusammenschluss innerhalb der Partei DIE LINKE. . Die Plattform wurde im Sommer 1994 innerhalb der damaligen PDS gegründet. Inhaltsverzeichnis 1 Positionen 2 Aktivitäten 3 Thematische Literatur von… …   Deutsch Wikipedia

  • Kosten und Finanzierung von Stuttgart 21 — Übersicht der geplanten Maßnahmen Kosten und Finanzierung von Stuttgart 21 werden seit Jahren kontrovers diskutiert. Die prognostizierten Kosten wurden seit der Projektvorstellung im Jahr 1994 mehrfach angehoben und von offizieller Seite zuletzt… …   Deutsch Wikipedia

  • Stuttgart Ökologisch Sozial — Stuttgart Ökologisch Sozial …   Deutsch Wikipedia

  • Volker Lösch — (* 1963 in Worms) ist ein deutscher Regisseur, dessen Theaterarbeit von der Einbindung chorischer Sprechformen und der Kombination von professionellen und Laiendarstellern geprägt ist. Löschs Bühnenprojekte leben von der engen Rückbindung an… …   Deutsch Wikipedia

  • Wutbürger — Bei dem Schlagwort Wutbürger handelt es sich um einen Neologismus. Der zuvor kaum verwendete Begriff wurde durch den Essay Der Wutbürger des Journalisten Dirk Kurbjuweit im Nachrichtenmagazin Der Spiegel in der Ausgabe 41/2010 geprägt. Hierin… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”