Habitatmodellierung

Habitatmodellierung

Die Habitatmodellierung ist ein Teil der naturwissenschaftlichen Ökologie. Mit ihr können Entwicklungen und Szenarien in Lebensräumen simuliert werden, um die Auswirkungen z.B. zukünftiger Entwicklungen menschlicher Landnutzung auf die Ausbreitung von Tier- und Pflanzenarten vorhersagen zu können. Großmaßstäbig werden Habitatmodelle in der Makroökologie eingesetzt. Für die Vorhersage zukünftige Entwicklung (Klimawandel) von Arten oder Populationen werden Ökologischen Nischen anhand vieler Parameter in Ecological Niche Modells (ENMs) modelliert.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Theoretische Ansätze zur Entwicklung Modeller von natürlicher oder naturnaher Lebensräume gibt es in der Ökologie, seitdem diese als wissenschaftliche Disziplin anerkannt ist.

Schon in den 1960er-Jahren wurde in Ottawa durch das Department of Forestry and Rural Development ein Vorläufer der heute verwendeten Geoinformationssysteme (GIS) entwickelt. Roger Tomlinson entwickelte für die Landesentwicklungsbehörde das GIS „Canada Geographic Information System“ (CGIS), mit welchem Daten des „Canada Land Inventory“ analysiert und bearbeitet werden konnten.

Die Verwendung von Habitatmodellen wurde vom U.S. Fish & Wildlife Service 1981 mit der Entwicklung von Habitateignungsindex-Modellen (habitat suitability index-models / HSImodels) erstmals in der Planung institutionalisiert. Es war Teil der sog. habitat evaluation procedure HSI . Anfangs basierten die HSI-Modelle eher auf Expertenwissen und allgemeinen Aussagen zu Habitatpräferenzen der jeweiligen Art (z.B. Schroeder 1982; Conway und Martin 1993; Reading et al. 1996).

In den 1980er-Jahren erschloss sich für viele Wissenschaftler die Möglichkeit, computergestützt große Mengen an diskreten Daten zu verarbeiten. Parallel dazu wurden nach Ende des Kalten Krieges immer mehr Fernerkundungsdaten aus Satelliten und Luftbildaufnahmen für die Wissenschaft verfügbar. Zudem wurde es für normale Anwender möglich, genaue Positionsdaten mittels des Global Positioning System zu gewinnen.

Die Kombination aus georeferenzierten Fernerkundungsdaten, Felddaten mit relativ exakten Positionsangaben und computergestützter räumlicher Auswertung eröffnete Ökologen ab Mitte der 1990er-Jahre große Möglichkeiten, lokale bis globale Trends in Lebensräumen vorherzusagen. Modellbildungen sind ein wichtiges Werkzeug in der Ökosystemforschung geworden. Auf der Modellbildung ökologischer Prozesse basiert der relativ junge Ökologiezweig der Makroökologie, der starke Überschneidungen zur geographisch geprägten Biogeographie aufweist.

Methodik

Habitatmodelle zielen meist auf zwei wesentliche Fragen ab:[1]

  • Welche Biotope sind als Habitate geeignet?
  • Aufgrund welcher Ausstattung der Biotope bzw. welcher Habitatansprüche der Arten ist das so?

Zur Analyse von Datensätzen wird nach den Verfahren der Modellbildung verfahren. Spezielle Modellierungssoftware wie beispielsweise Maxent in Kombination mit Geographischen Informationssystemen (ArcGIS, DIVA GIS u.a.a) kommen in der eigentlichen Habitatmodellierung zum Einsatz. Fernerkundungsdaten werden beispielsweise aus dem Landsat-Programm gewonnen. Digitale Geländemodelle mittels SRTM-Daten werden meist ebenfalls in GIS erstellt. Zur Verarbeitung ökologischer Daten wird meist R, teilweise auch SPSS verwendet.

Filterkaskade

Häufig werden Filterkaskaden zur Analyse verwendet.[2]

  • Ebene 1: Ressourcen
  • Ebene 2: Biotik intraspezifisch & Raum
  • Ebene 3: Biotik interspezifisch

Nischenmodelle

Nischenmodelle werden verwendet, um Fragen zur ökologische Nische einer Art, einer Population oder mehrere Arten zu beantworten. Dabei wird meist zunächst die fundamentalen Nische zur Bestimmung der möglichen Habitate modelliert. Es folgt eine Modellierung der realen Nische auf Grundlage der existierenden Verteilung der Art oder Population unter der Voraussetzung, dass Daten vorhanden sind und entsprechende Tests zur Überprüfung durchgeführt werden. Es folgt die Modellierung der fundamentalen Nische mit bestimmten bekannten klassifizierten Gesellschaft, um dann zur Modellierung der realisierten Nische zu kommen.

Anwendungen

Habitatmodelle sind ein gängiges Werkzeug der angewandten Ökologie. Sie finden Anwendung in der marinen, liminischen- und terrestrischen Ökologie. Sowohl synökologische Ansätze als auch die Umweltbedingungen für einzelne Arten können modelliert werden.

Habitatmodelle werden von Behörden zur Prognose der Umweltauswirkungen von Eingriffen verwendet. Auch bei Kompensations- und Pflegemaßnahmen in der Umweltplanung werden sie eingesetzt und können die Effekte des Naturschutzmanagements verbessern.[3] Im Naturschutz können Vorkommensprognosen getroffen werden. Anhand der Modelle können Habitatkonnektivitätsanalysen durchgeführt werden, mit denen Aussage über die Verbindung von Lebensräumen weniger mobiler Arten gemacht werden können.

Literatur

Fachbücher

  • Jopp, Fred; Reuter, Hauke; Breckling, Broder (Hersg.) (2011) Modelling Complex Ecological Dynamics. An Introduction into Ecological Modelling for Students, Teachers & Scientists. Springer ISBN 9783642050282
  • Horning et al.: Remote Sensing for Ecology and Conservation. A Handbook of Techniques. Oxford University Press, Oxford u.a. 2010, ISBN 978-0-19-921995-7.
  • Lang, Blaschke: Landschaftsanalyse mit GIS. Ulmer
  • Marie-Josee Fortin, Mark Dale (2005): Spatial Analysis. A Guide for Ecologists. Cambridge University Press. ISBN 9780521009737

Fachartikel

Einzelnachweise

  1. 2. Grundlagen. In: Boris Schröder: Habitatmodelle für ein modernes Naturschutzmanagement. In: Albrecht Gnauck (Hrsg.): Theorie und Modellierung von Ökosystemen - Workshop Kölpinsee 2000. Shaker, Aachen 2002, ISBN 3-8322-1316-3, S. 202.
  2. http://brandenburg.geoecology.uni-potsdam.de/users/schroeder/download/premeeting/schroeder_pmws2004.pdf Blatt 4
  3. Boris Schröder: Habitatmodelle für ein modernes Naturschutzmanagement. In: Albrecht Gnauck (Hrsg.): Theorie und Modellierung von Ökosystemen - Workshop Kölpinsee 2000. Shaker, Aachen 2002, S. 201-224.

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