Hotel Polski (Warschau)

Hotel Polski (Warschau)
Das ehemalige Hotel in der Ulica Długa vom Westen aus

Das ehemalige Hotel Polski (deutsch: Polnisches Hotel) in Warschau bestand seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Hotel von den deutschen Besatzern genutzt, um hier wohlhabende Juden zu internieren, die sich ausländische Reisepässe gekauft hatten. Die Ermordung der meisten dieser Juden ist als die „Hotel Polski-Affäre“ bekannt. Die Zeitschrift Spiegel bezeichnete die Aktion 1973 als „Warschauer Gestapofalle Hotel Polski“[1].

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Gebäudes

Das heutige Bauwerk basiert auf einem Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert. Dieses Gebäude wurde von 1762 bis 1784 in verschiedenen Abschnitten zu einem Palais für den Warschauer Bankier Fryderyk Kabrit[2] umgestaltet. Vermutlich ab 1808 wurde das Gebäude als Hotel genutzt. Von 1816 bis 1819 wurde ein weiterer erheblicher Umbau – ebenfalls als Hotel – für Jan Nowakowski durchgeführt. 1944 brannte das Hotel im Rahmen der Kampfhandlungen des Warschauer Aufstandes aus und wurde dabei großteils zerstört. In den Jahren 1949 und 1950 wurde das Gebäude wiederaufgebaut. Heute befinden sich hier Wohnungen sowie Gewerberäume. Im westlichen Teil des Erdgeschosses wird derzeit ein asiatisches Restaurant betrieben.

Das Gebäude befindet sich in der Ulica Długa 29. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein heute von der Warschauer Universität genutztes Gebäude, das „Potkański-Haus“. Schräg ostwärts gegenüber liegt das Palais unter den vier Winden (polnisch: „Pałac pod Czterema Wiatrami“).

Bis heute ist es unklar, ob es sich bei dem weltbekannten Foto Jürgen Stroops mit dem SS-Mann Blösche um eine Verhaftungsaktion während der Vernichtung des Warschauer Ghettos oder vor dem Hotel Polski im Rahmen der „Heimschaffungsaktion“ handelt

Hotel Polski-Affäre

Die genauen Umstände um die Internierung jüdischer Polen im Hotel Polski sind bislang nicht geklärt. Vermutlich wurde sie als Teil der „Heimschaffungsaktion“[3] und mit dem Ziel des Austausches gegen deutsche Gefangene bei den Alliierten begonnen. Zu einem späteren Zeitpunkt diente die Aktion in Warschau wahrscheinlich auch der persönlichen Bereicherung von SS-und Gestapo-Kräften. Umstritten ist, ob die Aktion vor Allem sich außerhalb des Ghettos versteckende Juden zwecks späterer Hinrichtung herauslocken sollte[4], oder ob es tatsächlich zu einer Abschiebung der Antragsteller kommen sollte.

Ende des Jahres 1942 wurde von der deutschen Besatzungsmacht in Warschau angekündigt, Juden mit Staatsangehörigkeit neutraler Staaten ausreisen zu lassen. Jüdische Organisationen im In- und Ausland (u.a. der Schweiz) fälschten daraufhin Reisepässe vor Allem südamerikanischer Staaten, um so Bewohnern des Warschauer Ghettos und sich versteckenden Juden die erwartete Ermordung zu ersparen. Grundlage der Fälschungen waren oft die Originaldokumente bereits verstorbener ausländischer Juden[5]. Im Mai 1943 kam es auch zum Verkauf solcher Dokumente durch jüdische Kollaborateure – vermutlich mit Billigung der Gestapo – an reiche Juden, die sich außerhalb des Ghettos versteckt hielten. Die Kollaborateure Skosowski und Zurawin[6] sollen hierbei auf Befehl des Kommandeurs der Warschauer Sicherheitspolizei Ludwig Hahn tätig geworden sein[7].

Rund 3.000 Juden stellten auf Basis der erhaltenen Dokumente Ausreiseanträge und wurden im Hotel Polski sowie zwei weiteren, kleineren Warschauer Hotels („Terminus“[8] und „Royal“) interniert. Ein Großteil der Hotelbewohner wurde nach einem mehrwöchigem Aufenthalt im Hotel in das deutsche Internierungslager in Vittel sowie das KZ Bergen-Belsen zwecks endgültiger Abschiebung transportiert. Am 15. Juli 1943 wurden die verbliebenen 300 bis 400 Juden, die keine Papiere hatten, im Warschauer Pawiak erschossen. Die in Vittel und Bergen-Belsen untergebrachten Juden konnten jedoch nicht ausreisen, da die südamerikanischen Behörden deren Ausweispapiere nicht anerkannten[9]. Die Aufnahmeablehnung der Behörden lag teilweise an einer mangelnden Abstimmung mit den jeweils ausstellenden Konsulaten in Europa. In Folge wurden die Hotel Polski-Juden mehrheitlich bis zum Oktober 1943 in das KZ Auschwitz verbracht und dort ermordet. Nur rund 350 von ihnen, die über palästinensische Papiere verfügten, überlebten[9].

Zu den Internierten im Hotel Polski gehörten Persönlichkeiten wie Jizchak Katzenelson, Menachem Kirszenbaum[10] und Jehoszua Perle[11]. Die Leiter des Joint Distribution Committees in Warschau, David Guzik und Józef Gitler-Barski[12] unterstützen die Idee der Ausreise zunächst. Später änderten sie ihre Ansicht, da sie die Gefahr einer Falle sahen. Beide überlebten den Krieg.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. gem. Artikel Prozesse. Bis zum letzten, im Spiegel, Ausgabe 1/1973, Hamburg 1973
  2. Fryderyk Kabrit, auch Cabrit oder Kabrytt (1745-1801) war ein Warschauer Bankier, der 1790 geadelt wurde, gem. Ludwik Hass, Stanisław Małachowski-Lempicki. Wykaz polskich lóż wolnomularskich oraz ich członków S. 25 (in Polnisch)
  3. Bei der „Heimschaffungsaktion“ forderte die deutsche Regierung verschiedene neutrale und verbündete Staaten zur Repatriierung ihrer Juden auf
  4. Auch nach Einrichtung des Warschauer Ghettos hielten sich knapp 30.000 Juden im sogenannten „arischen“ Teil der Stadt (also außerhalb des Ghettos) versteckt. Durch die Hotel Polski-Aktion verriet sich ein Teil dieser Juden, gem. John Radzilowski in einer Besprechung zu Gunnar S. Paulsson, Secret City. The Hidden Jews of Warsaw, 1940-1945. Unveiling the Secret City, Yale University Press, ISBN 978-0-300-09546-3, New Haven 2002
  5. nach Im Feuer vergangen. Tagebücher aus dem Ghetto, mit einem Vorwort von Stefan Zweig (übertragen von Viktor Mika, Originaltitel: Brygada śmierci, Pamiętnik Justyny, Oczyma dwunastoletniej dziewczyny, Przemineło z ogniem sowie Wspomnienia uczestniczki powstaniaw getcie Warszawskim), Verlag Rütten & Loening, Lizenznummer 220-415/13/60, 7. Auflage, Berlin 1960, S. 542f. hatten ursprünglich südamerikanische Juden für polnische Angehörige durch den Erwerb von Landeigentum im Namen der Verwandten für diese die Staatsangehörigkeit in den jeweiligen südamerikanischen Ländern erlangen können. Durch Verzögerungen bei der Übermittlung dieser Dokumente nach Polen war jedoch bereits eine grosse Anzahl der betreffenden Warschauer Juden ermordet worden
  6. nach anderer Quelle (Im Feuer vergangen. Tagebücher aus dem Ghetto, siehe EN+A oben) hiessen die Vertreter der Gestapo Skokowski, Kenig und Koniecpol
  7. gem. Julian Grzesik, Alija. Geschichte des Volkes Israel. Seine Zerstreuung und erneute Sammlung, Lublin 2006, S. 274
  8. Das Hotel Terminus bestand von 1930 bis 1974 im 1862 errichteten Kleifa-Gebäude in der Ulica Chmielna 28
  9. a b gem. Artikel Hotel Polski auf der Webseite des Shoa Resource Centers (in Englisch)
  10. Menachem Kirszenbaum war einer der Führer der Warschauer Zionisten-Organisation und bedeutender Aktivist im Ghetto. Er wurde im Pawiak hingerichtet
  11. Jehoszua Perle (1888-1943) war ein jüdischer Autor und Publizist des Realismus
  12. Józef Gitler-Barski (1898-1990) war Generalsekretär des Joint Distribution Committees in Polen und nach dem Krieg Manager verschiedener Firmen

Literatur

  • Julius A. Chroscicki und Andrzej Rottermund: Architekturatlas von Warschau, 1. Auflage, Arkady, Warschau 1978, S. 60
  • Abraham Shulman: The Case of Hotel Polski. An Account of One of the Most Enigmatic Episodes of World War II, New York 1982
  • Wenck, Alexandra-Eileen: Zwischen Menschenhandel und „Endlösung“: Das Konzentrationslager Bergen-Belsen, Schöningh, 2000 (insb. S. 147–155)

Weblinks

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