Johann Bessler

Johann Bessler

Johann Ernst Elias Bessler (* 1681 in Zittau (Taufe am 6. Mai); † 30. November 1745 in Fürstenberg) war ein deutscher Erfinder zahlreicher Maschinen, die er als Perpetua Mobilia präsentierte und vorführte. Außerdem war er als Mediziner (damals genannt: „Quacksalber“) und Uhrmacher tätig. Nach den historischen Dokumenten lautete sein Nachname eigentlich „Beßler“. Sein Künstlername Orffyre (bzw. Orffyreus in seiner latinisierten Form) ergibt sich aus einer einfachen ROT13-Verschlüsselung seines Nachnamens.

Johann Ernst Elias Bessler, um 1719
„Das Mersseburgische Perpetuum Mobile! (Tafel aus: Das Triumphirende Perpetuum mobile Orffyreanum, 1719)
Ein böser Verdacht …
Orffyreus, Schlussstein eines Türportals in Karlshafen

Inhaltsverzeichnis

Leben

Vor seinem ersten öffentlichen Auftreten am 6. Juni 1712 war Bessler ein Reisender und Abenteurer, der in zahlreichen Ländern und Regionen Europas verschiedenste handwerkliche Fähigkeiten erlernte. In einem italienischen Kloster hatte er zum ersten Mal die Idee, ein Perpetuum Mobile zu bauen. In Prag machte er seine ersten Versuche, dies zusammen mit einem Rabbiner und einem Jesuiten.

Am 6. Juni 1712 präsentierte Bessler in Gera ein Rad, welches nicht mehr aufhörte, sich zu drehen, sobald es einmal in Bewegung gesetzt wurde. Es drehte sich mit 50 Drehungen pro Minute. Das Rad hatte einen Durchmesser von ca. 141,6 cm und eine Dicke von ca. 9,4 cm.[1] Die Einwohner Geras zeigten anfangs geringes Interesse an diesem „Besslerrad“ – möglicherweise wurden sie von dem eigenwilligen Charakter Besslers verwirrt und abgeschreckt. Zum Beispiel machte Bessler die Bemerkung, er habe das Geheimnis ewiger Bewegung gefunden, und falls sein Rad nicht funktionieren solle, so könne man ihm den Kopf abschlagen und diesen öffentlich zur Schau stellen.

Das anfängliche Desinteresse änderte sich jedoch, nachdem am 9. Oktober 1712 erstmals ein offizielles Zertifikat für das Besslerrad gegeben wurde. Damals nannte man das „Zertifikat“, heute würde man dazu wahrscheinlich eher etwa „notarielle Beglaubigung“ oder „amtliche Bestätigung“ sagen. Wie bei allen für das Besslerrad gegebenen Zertifikaten wurde allerdings der Antriebsmechanismus nicht näher beschrieben. Bestätigt wurde lediglich, dass von außen keine Energie hinzukommen konnte und dass sich das Rad trotzdem unaufhörlich drehte. Bessler bot seine Erfindung für 100.000 Thaler an, was für die damalige Zeit eine sehr hohe Summe war.

Bessler zog im Jahre 1713 nach Draschwitz bei Leipzig, wo er ein noch größeres Rad baute (nach Zerstörung des alten), das auch Arbeit verrichten konnte. Inzwischen war die Aufmerksamkeit sehr groß geworden, so dass auch drei Gegner Besslers (Gärtner, Borlach und Wagner) Flugblätter verteilten, in denen behauptet wurde, Besslers Rad sei eine Fälschung (siehe Abbildung rechts). Daraufhin zerstörte Bessler sein Rad.

Später baute er in Merseburg ein neues Rad. Weil die Aufmerksamkeit nun noch größer wurde, ordnete der damalige Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Merseburg an, am 31. Oktober 1715 das Rad erneut zu inspizieren. Wieder wurde ein Zertifikat gegeben, das allerdings nach demselben Muster wie das erste aufgebaut war. Das besondere an diesem Merseburger Rad war, dass es sich, obwohl es etwas langsamer war als seine Vorgänger und zum Start angetrieben werden musste, in beide Richtungen bewegen konnte. Dies war bei seinem ersten Rad nicht möglich.

Bessler weckte das Interesse des naturwissenschaftlich interessierten Landgrafen Karl. Dieser bot Bessler an, ihn in seinem Schloss aufzunehmen und für sämtliche Lebenshaltungskosten Besslers aufzukommen. Als Gegenleistung durfte der Landgraf das Geheimnis des Rades erfahren, wobei er dieses niemandem verraten durfte.

Am 2. November 1717 wurde ein rotierendes Besslerrad in der Burg Weißenstein bei Kassel (das spätere Schloss Wilhelmshöhe) auf Betreiben des damaligen Landgrafen Prinz Karl von Hessen-Kassel (1670–1730) in einen Raum eingeschlossen. Der Raum, in dem sich das rotierende Rad befand, wurde versiegelt, so dass ihn niemand betreten konnte. Als am 4. Januar 1718 das Siegel gebrochen wurde und so nach 54 Tagen der Raum wieder betreten wurde, rotierte das Rad noch immer. Niemand hatte in der Zwischenzeit Zugang zum Raum. Dieser Versuch fand auf Basis einer Wette zwischen Gärtner und Bessler um 10.000 Thaler statt, deren Inhalt das Rad war: Gärtner verlangte einen vierwöchigen Dauertest, bei dem absolut sichergestellt sein müsse, dass das Rad keiner äußeren Energie ausgesetzt war. Nach der verlorenen Wette musste Gärtner Bessler die Wettsumme bezahlen.

Im Laufe der folgenden Jahre wurde das Besslerrad immer wieder inspiziert. Viele namhafte Personen ihrer Zeit untersuchten es, jedoch immer von außen, und immer wurde nur überprüft, ob von außen irgendwie versteckt eine Energie hinzugefügt wurde – was nie der Fall zu sein schien. Am bekanntesten dürften Leibniz und ’s Gravesande sein, die beide am 31. Oktober 1715 das Rad inspizierten.

Als jedoch der damals sehr renommierte niederländische Mathematik- und Physikprofessor Willem Jacob 's Gravesande die Achse dort untersuchen wollte, wo das Antriebssystem versteckt war, zerstörte Bessler sein Rad in einem Wutanfall.

Bessler hatte Zeit seines Lebens große psychische Probleme.

Da Besslers Rad berühmt wurde, wollten zwei Interessenten das Rad zum verlangten Preis kaufen. Zunächst der russische Zar Peter der Große, der aber im Jahre 1725 starb, bevor er das Rad sehen konnte, was für ihn eine Bedingung für den Kauf war. Der andere Interessent war die Royal Society of London. Dieser Kauf scheiterte an Bessler selbst, da er mit dem Verkaufsmodus nicht einverstanden war, dass das Geld zuerst dem Landgrafen übergeben werden sollte und erst nach einer Erklärung des Antriebsmechanismus durch ’s Gravesande an ihn.

Bessler und sein Rad gerieten in Vergessenheit, bis eine ehemalige Magd Besslers, Anne Rosine Mauersberger, am 28. November 1727 den Behörden mitteilte, dass das Besslerrad ein Betrug sei. Diese Anschuldigungen wurden jedoch seitens des Gerichts abgewiesen, da Mauersberger sich in Widersprüche verstrickte. ’s Gravesande war auf der Seite Besslers: Er gab an, dass der Erfinder zwar einige psychische Probleme hätte, aber unabhängig davon funktioniere das Rad.

Im Jahre 1727 kündigte Bessler zum letzten Mal den Bau eines Rades an, weil ’s Gravesande versprach, es nochmals inspizieren zu wollen. Es ist bis heute unklar, ob eine solche Untersuchung stattfand.

Im Jahr 1730 starb der Landgraf Prinz Karl, so dass Bessler nun keinen Schutz mehr hatte, außer von dessen Sohn.

Am 1. Mai 1733 vernichtete Bessler die wichtigsten Aufzeichnungen zur Konstruktion des Rades.

1738 kündigte Bessler weitere Erfindungen an: Unterseeboote, von der Windrichtung unabhängige Windmühlen und selbsttätig spielende Orgeln.

Gegen Ende seines Lebens gründete Bessler eine Glaubensgemeinschaft, den Bund der sogenannten „Orffreaner“, dessen Hauptziel unter anderem die Wiedervereinigung der Katholiken und der Protestanten war. Soweit heute feststellbar lässt sich diese religiöse Bewegung nicht mit seinem Rad in Verbindung bringen.

1745 starb Bessler durch den Sturz von einer Windmühle. Er nahm sein Geheimnis mit ins Grab, hinterließ aber 143 technische Skizzen, die seine Witwe nach seinem Tod veröffentlichte.

Die Zeit nach Bessler

Dass das Besslerrad während und nach Bessler nie richtige Berühmtheit erreichte, hat vielerlei Gründe:

  • Es existierte weder ein Patentamt noch ein Patentschutz
  • Die Definition des Perpetuum Mobile, das unmöglich sein soll, aber das sich offensichtlich immer weiterdrehende Rad auf der anderen Seite
  • Die gesetzliche Definition eines Betruges: Heute spricht man nur dann von einem Betrug, wenn eine andere Körperschaft einen finanziellen Schaden hat. Damals war der Bestand des Betruges jedoch schon dann erfüllt, wenn man etwas schier Unmögliches wahrgemacht zu haben vermochte. Von diesem Hintergrund aus hat sich Bessler zwar nicht nach heutigem, aber nach damaligem Recht strafbar gemacht. Lediglich aufgrund der offensichtlichen Funktion seines Rades kam er nicht ins Gefängnis, außer bei der Anschuldigung von Frau Mauersbergerin, als er für wenige Tage eingesperrt wurde.
  • Die verlangte Summe Besslers, die unbezahlbar hoch schien
  • Der Charakter Besslers, sein Rad immer wieder zu zerstören

Nach dem Tod des Erfinders dauerte es 36 Jahre, bis ein Historiker die Geschichte um Bessler wieder in die allgemeine Erinnerung zurückführte. Als Hauptquelle diente damals allerdings die Anschuldigung von Besslers ehemaliger Magd. Deshalb ist im deutschsprachigen Raum Bessler weitestgehend unbekannt, ganz im Gegensatz zum englischsprachigen Raum, Dänemark und den Beneluxländern.

Das Besslerrad

Angesichts der Tatsache, dass dieses Rad fundamentalen physikalischen Gesetzen widerspricht, muss man den logischen Schluss ziehen, dass das Besslerrad ein sehr gut versteckter Betrug war, den niemand zu entdecken vermochte, oder aber, dass Bessler tatsächlich eine bis heute unbekannte Antriebsform gefunden hat. Bessler selbst gab im Jahre 1719 auf den Seiten 19–21 sowie 74–76 seines Buches Das Triumphirende Perpetuum mobile Orffyreanum Hinweise, wie das Rad funktionierte. Hierbei bezog er sich auf die Gravitation. Nachfolgend diese zwei Abschriften aus Besslers Werk Das Triumphirende Perpetuum mobile Orffyreanum. Die Abschriften wurden teilweise der heutigen Schreibweise, nicht aber der heutigen Ausdrucksweise angepasst:

Die innerliche Struktur dieses Tympani oder Rades ist von so einer Beschaffenheit, nach welcher etliche ad legus motus mechanici, perpetui a priori, id est scientifice demonstrabilis disponierte Gewichte dasselbe nach empfangener einmaliger Rotation, oder nach einmal imprimierter Force des Schwunges unaufhörlich kontinuieren müssen, so lange nämlich die ganze Struktur ihr esse behält ohne einige fernere Beihilfe oder Zutun äußerlicher Bewegungskräfte, welche einer Resubstitution nötig hätten. Dergleichen andern Automatis als Uhrwerken, Federn und angehängte oder aufzuziehenden Gewichte etwa gefunden werden. Denn diese meine Überwicht ist nicht also angehängt, noch extra Mechanismum, oder nur zu konfiderieren, wie äußerliche Moventia, die da vermittelst ihrer Schwere den Motum oder Umwalzung kontinuieren müssen, so lange es die Schnuren oder Ketten, woran sie hängen, permittieren: Sondern es sind diese Gewichte selbst das Perpetuum Mobile, oder partes essentiales & constitutive desselben, welche ihren vom Motu universi bekommene vim & nisum progrediendi in ihnen selbst haben und unendlich exerzieren müssen (so lange sie nämlich außer dem Centro gravio bleiben) nachdem sie in ein solches Gehäuse, oder Gerüste eingeschlossen und gegeneinander koordinieret werden, daß sie nicht nur vor sich nimmermehr ein Äquilibrum oder puntus quietis erreichen, sondern dasselbe unaufhörlich suchen und anbei in ihrer bewundernswürdigen Flucht nach Proportion sowohl eigener als ihres Gehäuses Größe, noch andere von außen an die Welle oder Axin ihres Vorticis verticalis applicierte Lasten mitbewegen und treiben müssen. (S. 19-21, Schreibweise modernisiert)

Das sans reprise aber exprimieret so viel, daß es kein Uhrwerk sei, welche durch aufzuziehende Federn (elateres) oder Gewichte es seie so lange es wolle, getrieben werden müsse, wie oben allbereits gnugsam erkläret worden; Denn solche Maschinen, welche durch Wind, Wesser, aufzuziehende Gewichte und Federn (sollte es auch viel Jahr aneinander geschehen können getrieben werden, haben das Pricipium motus nicht in, sondern extra se, sind auch nicht per se mobiles, oder moventes, sondern, sondern per accidens: dergestalt und also, daß der Motus nicht denen Maschinis selbst, sondern ihren accidenti eigen ist und bei Ermangelung desselben die Maschine selbst, geschweige, daß sie einen Staub bewegen sollten. Weswegen sie auch anders nicht abusive perpertuo mobiles genannt werden können, weil nur ihr moves accidentale ein solches ist, eben wie ich bei meinem Werke die angehängte Wasserschnecke, Stampfen und Steinkasten ein solches nennen sollte. Weil sie von der oben beschriebenen Causa besagter Massen getrieben werden, quod durantem materiam. Da hingegen in meinem Werke der Motus oder die Kraft sich bewegen und etwas treiben zu können formam Maschine ausmachet, sondern welcher das Gerüste mehr nichts als ein anderer Haufen Materie ist und ihre ganze Crasin verloren hat. Die Aufhaltung, oder Hemmung aber der Maschine, welche durch übermäßige äußere Gewalt geschiehet, ist ein Accidens morale, wenn man nämlich die Maschine zu ihrem längern Konservation ohne Not nicht will laufen lassen (S. 74–76, Schreibweise modernisiert)

Bessler selbst beschrieb die Funktionsweise mit vier Pfund (≈ 2 kg) schweren, zylindrischen Gewichten, wobei immer zwei Gewichte paarweise gewirkt haben sollen und so das Rad ständig im Ungleichgewichtszustand gewesen sein soll. Letztlich hat Bessler sein Geheimnis mit ins Grab genommen, die exakte Funktionsweise des Besslerrades bleibt unbekannt.

Werke (Auswahl)

  • Gründlicher Bericht von dem durch den anitzo zu Merseburg sich befindenden Mathematicum Herrn Orffyreum glücklich inventirten Perpetuo ac per se mobili. Leipzig 1715
  • Apologische Poesie, o.O. 1717 (Digitalisat)
  • Neue Nachricht von der curieusen und wohlbestandenen Lauff-Probe des Orffyreischen … Perpetui mobilis, Leipzig 1718 (Volltext auf Wikisource)
  • Das Triumphirende Perpetuum mobile Orffyreanum. Kassel 1719 (Digitalisat)
  • Der recht-glaubige Orffyreer: oder Die einige Vereinigung der uneinigen Christen in Glaubens-Sachen, Cassel 1723
  • Kurtz verfaßter und unumstößlicher Inbegriff Der allerreinesten Christen-Religion. Carlshaven 1724
  • Das neu-erfundene orffyreische Schiff. o.O. 1738

Literatur

  • Rupert T. Gould: Oddities – a book of unexplained facts. London 1928
  • Joachim Kalka: Phantome der Aufklärung. Von Geistern, Schwindlern und dem Perpetuum mobile. Berenberg, Berlin 2006, ISBN 978-3-937834-15-3

Weblinks

 Commons: Johann Bessler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Johann Ernst Elias Bessler – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Zedler gibt einen Durchmesser von 2,5 Leipziger Ellen und eine Dicke von 4 Zoll an. (PERPETUUM MOBILE. In: Zedlers Universal-Lexicon, Band 27, Leipzig 1741, Spalte 537–545.) Das entspricht 1,41595 m bzw. 9,4396 cm (zur Umrechnung vgl. Informationsheft des ThStA Rudolstadt).

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