Johannes Plendl

Johannes Plendl

Johannes Plendl (auch Hans Plendl; * 6. Dezember 1900; † 10. Mai 1991) war der Erfinder mehrerer Funknavigationsverfahren, mit deren Hilfe die Luftwaffe der Wehrmacht ihre Großangriffe auf das Vereinigte Königreich in der ersten Hälfte des Zweiten Weltkriegs ausführen konnte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Physikstudium an der Technischen Hochschule München und Promotion bei Jonathan Zenneck trat Plendl bei der Firma Telefunken ein, wo er sein X-Verfahren entwickelte. Es benutzte Funkwellenlängen von rund 4 m, für die noch keine Empfangsgeräte serienmäßig zur Verfügung standen. Geortet wurde der Schnitt von zwei Leitstrahlen (daher der Name "X"). Erreicht wurde ein Zielkreis von ±300 m. Die Erprobung bei der Erprobungsstelle Rechlin, bei der Plendl eine eigene Abteilung erhielt, wurde 1937 abgeschlossen. Danach wurde zunächst die vereinfachte Version Knickebein eingerichtet. Sie war schneller realisierbar, weil sie ein bereits für Landebaken eingeführtes Gerät nutzte, allerdings auf längerer Wellenlänge. Der Zielkreis lag bei ±1500 m.

Für diese zu Anfang des Krieges eingesetzte Version wurden Sender auf verschiedenen Bergen in Deutschland eingerichtet. Für das bei den Großangriffen auf England 1940/41 (unter anderem auf Coventry) eingesetzte X-Verfahren standen die Sender an der französischen Nordküste und in Holland. Plendls Mitarbeiter und meist auch er selbst weilten damals im französischen Poix, wo das Kampfgeschwader 100 lag, das die mit "X" geleiteten „Pfadfinder“-Flugzeuge stellte. Diese Anwesenheit war erforderlich, weil das System bald von britischer Seite in sehr intelligenter Weise gestört wurde. Der dafür verantwortliche britische Spezialist war Reginald Victor Jones. Er und Plendl wurden nach dem Krieg Freunde.

Während des Krieges entwickelte Plendl mit seinen Mitarbeitern ein taktisch vorteilhafteres zweidimensionales Ortungsverfahren "Y", das die Position aus der gemessenen Entfernung zu zwei festen Sendeorten bestimmte (siehe Hyperbelnavigation). Es wurde unter dem Namen Erika mit einer Genauigkeit von 0,01 Grad erprobt, kam aber nicht mehr zum Fronteinsatz.

Plendls Erfolge wurden von Reichsmarschall Hermann Göring anerkannt. Früh erhielt er den Titel Preußischer Staatsrat. Später wurde er zum Bevollmächtigten der Hochfrequenzforschung ernannt.[1] Nach dem britischen Erfolg beim Angriff auf Hamburg (Operation Gomorrha), der mit verbesserter Radartechnik durch Düppel (Radartäuschung) ermöglicht worden war, wurde er im Dezember 1943 als Bevollmächtigter abgesetzt und durch Abraham Esau ersetzt.

[2]

In der Anfangsphase des Krieges erfüllten sich Plendl und sein Stellvertreter Walter Dieminger den lang gehegten Wunsch, ein Beratungs- und Vorhersagesystem für die als unzuverlässig geltende Kurzwelle einzurichten. In ihrem Auftrag entwickelte Karl Rawer ein analytisches Berechnungsverfahren, das, abhängig von Uhrzeit, Monat, Entfernung, Sonnenaktivität und Frequenz die Wahrscheinlichkeit einer befriedigenden Verbindung ermittelte. Karl-Otto Kiepenheuer errichtete ein Netz gut ausgerüsteter Beobachtungs-Stationen, um die wechselnden Emissionen der Sonne zu erfassen, mit denen man hoffte, Störungen der Ionosphäre vorhersagen zu können.

Nach dem Krieg wurde Plendl mit seiner Familie nach USA zum Air Force Cambridge Research Laboratory verbracht. Zum Erstaunen seiner neuen Dienstherren weigerte er sich, weiterhin Funknavigation zu betreiben. Er bestand darauf, mit eigenen Ideen im Bereich der Festkörperphysik tätig zu werden. Nach Jahren ohne Anerkennung erhielt er schließlich als erster den Forschungspreis seiner US-Airforce-Dienststelle. Nach seiner Pensionierung gingen Anni und Hans Plendl nach Meran in Tirol.

Literatur

  • Michael P. Seiler: Kommandosache Sonnengott. Geschichte der deutschen Sonnenforschung im Dritten Reich und unter alliierter Besatzung. Deutsch, Frankfurt am Main 2007, ISBN 3-8171-1797-3.
  • Fritz Trenkle von Hüthig: Die deutschen Funkführungsverfahren bis 1845. 1988.
  • Reginald Victor Jones: Most secret war. Coronet paperback edition, 1979, ISBN 0-340-24169-1.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Helmut Maier: Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung 1900–1945/48. Bd. 2. Wallstein-Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0109-2, S. 776 (online) und S. 1012.
  2. Kai Handel: Die Arbeitsgemeinschaft Rotterdam und die Entwicklung von Halbleiterdetektoren. Hochfrequenzforschung in der militärischen Krise 1943–1945. In: Helmut Maier (Hrsg.): Rüstungsforschung im Nationalsozialismus. Organisation, Mobilisierung und Entgrenzung der Technikwissenschaften. Wallstein, Göttingen 2002, ISBN 3-89244-497-8 (Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im N3ationalsozialismus, Bd. 3), S. 250–270, hier S. 255f.

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