Johannes Rhenanus

Johannes Rhenanus

Johannes Rhenanus (* etwa 1528 in Melsungen; † 29. April 1589 in Allendorf in den Sohten; eigentlich Johann Rheinlandt) war ein deutscher Salinist, Theologe, Alchemist und Autor.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Johannes Rhenanus studierte ab 1548 Theologie in Marburg[1], 1553 wurde er durch Adam Krafft, den Reformator Hessens, ordiniert. In den Jahren 1553 und 1554 war er zunächst als Zweitpfarrer seiner Heimatstadt tätig, 1555 versetzte ihn Landgraf Philipp I. nach Allendorf in den Soden. Mittlerweile nannte er sich nicht mehr Rheinland, sondern - wie es den Gepflogenheiten der damaligen Gelehrten entsprach - Rhenanus. Die Einführung in sein neues Amt erfolgte zu Pfingsten.

1566 heiratete er Catharina Braun, die Tochter des Melsunger Rentschreibers Jost Braun. Catharina gebar ihm fünf Kinder, ehe sie 1586 starb. In zweiter Ehe war er mit Catharina Schott, geb. von Löwenstein, verheiratet[2].

Wirken als Salinist

Die nordhessische Stadt Bad Sooden-Allendorf, die zu Rhenanus’ Zeiten "Allendorf in den Soden" hieß, lebte mehr als 1000 Jahre lang vom Salz, das aus hiesigen Quellen gesiedet wurde. Als Rhenanus hier seine Pfarrstelle antrat, steckte die dortige Saline jedoch in einer Krise, obwohl immer mehr Salz benötigt wurde: Nach dem dramatischen Bevölkerungsrückgang während der Wüstungsperiode zu Beginn des 15. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung Hessens wieder, und Salz war die einzige Möglichkeit, Fleisch, Fisch und Gemüse haltbar zu machen. Einfach steigern ließ sich die Produktion jedoch nicht, da die Siedehütten in einem schlechten Zustand und die Wälder, die das Feuerholz lieferten, verwüstet waren. Obendrein hatte die Pfännerschaft eine neue Salzader verheimlicht, um die ohnehin hohen Salzpreise noch weiter in die Höhe zu treiben.

Die Pfänner waren die Eigentümer der Pfannen, in denen gesiedet wurde; diese Siedepfannen wiederum waren in Siedehütten untergebracht. Obwohl sie feste Abgaben leisten mussten, verdienten die Pfänner reichlich am Salz und wohnten in Allendorf, das als eigenständige Stadt von einer Mauer umgeben war. Die Salzmeister und ihre Gehilfen durften nur im auf der anderen Seite der Werra liegenden Soden wohnen, wo sich auch die Siedehütten befanden. Um die Lage zu verbessern, ließ Philipp I. dort 43 neue Siedehütten mit je einer Pfanne bauen, die nun 42 Pfannen der Pfännerschaft gegenüberstanden. Weil sich die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und privaten Siedehütten als schwierig gestaltete und sogar eine einheitliche Festsetzung der Salzpreise unmöglich war, pachtete Philipp I. im Jahr 1540 per Edikt[3] auch die Pfannen der Pfänner und deren Wald. Unter staatlicher Aufsicht ging es bergauf und die Saline warf nach wenigen Jahren wieder Gewinn ab.

Um die Saline weiter zu fördern und neue Produktionsmethoden einzuführen, benötigte Philipp I. nun einen fähigen Mann, den er in Rhenanus erkannte. Bereits 1555 hatte er ihn hierher versetzt, 1559 wurde er zum Salzgreben ernannt und mit besonderen Aufgaben betraut – zunächst mit der Aufsicht über die wichtige Holzwirtschaft. Das empfand die Pfännerschaft als Beschneidung ihrer gewohnten Rechte, sie befürchtete die Unabhängigkeit der Saline Soden und damit den Verlust ihrer wirtschaftlichen Grundlage. Weiter erzürnt wurden die Pfänner, als Rhenanus 1561 auch die Mitaufsicht über das Salzwerk erhielt, um auch die veraltetem Arbeitsweisen mit Nachdruck zu verbessern. Rhenanus wurde eine eigene Siedehütte zum Experimentieren eingerichtet, in der er 140 Pfannen Salz pro Jahr sieden konnte, während in den Hütten, in denen herkömmlich gearbeitet wurde, in der gleichen Zeit nur 90 bis 95 Pfannen geschafft wurden.

Die Salzbibel

1567 regte Philipp I. an, dass Rhenanus seine Kenntnisse über die Salzgewinnung niederschreiben sollte - kurz darauf starb er. Sein Sohn und Nachfolger als Landgraf, Wilhelm IV., griff die Idee auf und gab Rhenanus den Befehl, das Salzbuch zu schreiben. Dieser machte sich, gemeinsam mit seinem Mitsalzgreben Christoph Hombergk, an die Arbeit.

Allerdings stockten die Arbeiten öfters, denn sowohl Hombergk als auch Rhenanus waren dem Wein sehr zugetan. Als wieder einmal ein Zwischenbericht über den Fortgang der Arbeiten nicht rechtzeitig bei Wilhelm eintraf, schrieb dieser an Hombergk: „Dann, wen Du und der Pfarherr soltet abgehen, wie Ir dan beide Saufens halben auch nitt wenig krenket und ewer Leben schwecht, so wehr itzo kein Mensch nicht mehr, der des Saltzwercks Ankunft oder Gelegenheit wüste.“ Aus dieser Bemerkung schließt die Geschichtsforschung, dass Wilhelm der Arbeit an dem Buch einerseits hohe Bedeutung zumaß, andererseits die Schwäche der beiden für den Alkohol bis zu einem gewissen Maß tolerierte. Es ist sogar belegt, dass er gelegentlich ein Weinfass aus dem Hofkeller nach Soden schickte.

Nach knapp 20-jähriger Arbeit war das "New Saltzbuch" (im hiesigen Volksmund heute "Salzbibel" genannt) fertig. Das Werk umfasst 2000 Seiten in fünf Büchern, mit vier Anhängen und einige Miszellen. Das Original befindet sich in der Bibliothek des Bergamtes in Claustal–Zellerfeld, eine zeitgenössische Abschrift in der Bibliothek der Gesamthochschule Kassel. Auch in Bad Sooden-Allendorf, im Salzmuseum, ist eine Abschrift ausgestellt.

Einführung der Braunkohle

Rhenanus sah das Problem der Energieknappheit auf die Saline zukommen, denn die Wälder in der Umgebung waren bald abgeholzt. Bei einer Wanderung auf dem nahen Meißner hatte er Braunkohle gefunden, mit der er ab 1563 experimentierte. Hingen die Pfannen bislang über offenem Feuer, ließ er einen Rost auf Backsteinen bauen, so dass die Braunkohle heller brannte und eine höhere Temperatur erreichte. Um seine Erkenntnisse nutzen zu können, wandte er sich mit einem Schreiben an Wilhelm IV. und bat ihn darin, die Kohlevorkommen auf dem Meißner zu erforschen. So erteilte der Landgraf 1575[4] den Befehl, einen Stollen bei Schwalbental vorzutreiben. Finanziert aus den Erlösen der Saline Soden entstand dort Deutschlands ältestes Braunkohlebergwerk, das Wilhelm IV. am 11. April 1579 persönlich bereiste und Hinweise zur Feuerbekämpfung gab.

Trotz erster Erfolge mit der Braunkohlefeuerung war Rhenanus nicht zufrieden. Die Braun- brannte schlechter als die besser bekannte Holzkohle, was auch die Pfännerschaft zum Anlass nahm, sich über den verhassten Salzgreben beim Landgrafen zu beschweren. Die Beschwerde hatte insofern Erfolg, dass Wilhelm IV. Rhenanus bei weiteren Schwierigkeiten mit Gehaltskürzungen drohte. Doch dieser war so von seinen Ideen überzeugt, dass er dem Landgrafen antwortete, er werde für die weiteren Experimente selbst aufkommen.

Bei den Versuchen in seiner eigenen Probiersiedehütte hatte Rhenanus schon festgestellt, dass das Feuer heißer brannte, wenn er der Kohle mehr Luft zuführte. Dies setzte er in die Praxis um, indem er einen Kamin auf seinen Herd setzte. Diese Erfindung ging als "Allendorfer Windofen"[5] in die Geschichte ein. Um auch die Hitze der Abgase im Schornstein zu nutzen, baute er Vorrichtungen am Kamin an, in denen das Salz ohne weitere Energiezufuhr getrocknet werden konnte - um Gewichtsverfälschungen zu verhindern, durfte Salz nämlich nur im trockenen Zustand verkauft werden. Durch die Kohlefeuerung stieg die Produktionsleistung der Saline in kurzer Zeit um mehr als 20 Prozent und bald begannen auch andere Salinen damit, ihre Pfannen mit Kohle zu befeuern.

Verbesserung der Rosskunst

Seit 1560 arbeitete Rhenanus auch an der Verbesserung der Rosskunst, der Technik, mit der die Sole aus der Erde gefördert wurde. Er erkannte die Mängel des Göpelwerks, einer Förderanlage, die von zwei Pferden angetrieben wurde und entwickelte ein eigenes Pumpwerk, das auch an anderen Orten noch jahrhundertelang im Gebrauch war.

Weitere Forschungen

Nach den Erfolgen in Soden versuchte man auch in anderen Industriezweigen, beispielsweise in Glashütten, die Braunkohlefeuerung einzuführen. Dies war jedoch nur mit entschwefelter Kohle möglich. So war Rhenanus auch bei der Entwicklung der Verkokung von Braunkohle beteiligt. Daraufhin war auch das Brennen von Kalk und das Schmelzen von Kupfer möglich. Auch andere energieaufwändige Industrien konnten jetzt auf Braunkohlefeuerung umgestellt werden.

Mit dieser Entwicklung - dem Ersatz von natürlichen durch fossilen Energieträgern - wird im Allgemeinen der Beginn der industriellen Revolution gleichgesetzt. Rhenanus gehört damit zu den Initiatoren dieser Entwicklung in Hessen und wurde noch zu Lebzeiten überregional bekannt. Ab 1567 machte er zahlreiche Reisen, unter anderem nach Braunschweig, Thüringen Lüneburg und Sachsen. Welchen Ruf er hatte, zeigen Briefe[6] von Herzog Julius von Braunschweig und Lüneburg und dessen Tochter, der Herzogin Sophie Hedwig von Stettin und Pommern, an Wilhelm IV., in dem sie mehrfach um die Entsendung von Rhenanus nach Pommern bitten.

Krankheit und Tod

In einem Brief vom 12. Juni 1583 berichtete Herzog Julius Wilhelm IV., dass sein Schwiegersohn, Herzog Ernst Ludwig von Stettin und Pommern, eine neue Salzader gefunden hatte. Er bat darum, dass Rhenanus eine mitgeschickte Probe der Sole untersuchen und auch nach Pommern zur Besichtigung der Ader reisen sollte. In einem weiteren Schreiben, datiert auf den Tag darauf, äußerte auch Herzogin Sophie Hedwig diese Bitte. Wenig später, am 17. Juni 1583, antwortete Wilhelm und entschuldigte sich, denn Rhenanus könne nicht reisen – er sei alt und krank. Außerdem sei Rhenanus ohnehin derart beschäftigt, dass man in Soden nicht auf ihn verzichten könne.

Schließlich, nach weiteren Bitten von Sophie Hedwig und Ernst Ludwig, gestattete Wilhelm IV. die Reise doch. So reiste Rhenanus am 10. März 1584 nach Pommern und traf am 31. März in Wolgast ein. Er besichtigte unter anderem zahlreiche Salinen, Eisenerzhütten und Hammerwerke, worüber er auch eine Reisebeschreibung verfasste. Wann genau er nach Allendorf in den Soden zurückkehrte, ist nicht bekannt, belegt ist nur, dass er sich vom 15. bis 17. Mai, nach seiner Reisebeschreibung, noch in Pommern befand.

Nachdem er 1589 schwer erkrankte, schickte Rhenanus ein leeres Weinfass an Wilhelm IV. und bat, dass er ihm dieses mit dem guten Tröpfchen aus dem Hofkeller zu füllen - es werde wohl der letzte Wein sein, den er trinken würde. Der Landgraf konnte seinem todkranken Salzgreben diesen letzten Wunsch nicht abschlagen. Rhenanus starb kurz darauf, am 29. April 1589 um kurz nach 1 Uhr, und wurde am 1. Mai, nachmittags um 14 Uhr, in der St. Marien-Kirche zu Sooden begraben.

Er hinterließ Schulden von 993 Gulden, was drei Jahresgehältern entsprach. Auch hier zeigte sich der Landgraf großzügig und beglich die Außenstände. Sein Sohn Martin wurde Doktor der Medizin, sein Enkel, nach dem Großvater Johannes benannt, wurde Leibarzt des Landgrafen Moritz des Gelehrten. 1632 heiratete sein Urenkel, der Fähnrich Johannes Rhenanus, Agnes Gazweiler aus Leipzig.

Nachleben

In Bad Sooden-Allendorf gibt es nicht nur eine Rhenanus-Schule, sondern auch einen Rhenanusplatz und ein Rhenanushaus (Gemeindehaus der evangelischen Gemeinde St. Marien). Alljährlich zum Brunnenfest schlüpft außerdem ein hiesiger Pfarrer in ein Rhenanuskostüm und tritt mit dem Bürgermeister auf, der wiederum den Landgrafen darstellt. Eine Abschrift der Salzbibel ist im Salzmuseum in Bad Sooden-Allendorf ausgestellt.

Literatur

  • Hans-Henning Walter (Hrsg.): Das deutsche Salinenwesen im 16. Jahrhundert, Reiseberichte des Allendorfer Salzgräfen Johannes Rhenanus, 1989

Einzelnachweise

  1. Deutsche biographische Enzyklopädie, Seite 359 [1]
  2. http://www.geschichtsverein-melsungen.de/index.php?option=com_content&task=view&id=74&Itemid=105
  3. http://gradierwerk.heimatkunde-bsa.de/saline.shtml
  4. http://gradierwerk.heimatkunde-bsa.de/saline-2.shtml
  5. http://www.vhghessen.de/inhalt/zhg/ZHG_110/06_Waitz%20von%20Eschen_Kohlen%20Bergbau.pdf
  6. M. Johannes Rhenanus, der Pfarrherr und Sallzgräfe zu Allendorf a. d. Werra, D. Cramer

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