Johannes Gottsleben

Johannes Gottsleben

Johannes Gottsleben (* um 1559/60 in Allendorf an der Werra; † 20. Februar 1612 in Krombach; mit Beinamen Gotslebius, auch Theobius genannt) war Magister, Professor und evangelischer Theologe im Zeitalter der Reformation.

Inhaltsverzeichnis

Stationen seines Lebens

Jugend in Allendorf an der Werra (1559/60–1574)

Johannes Gottsleben stammt aus Allendorf an der Werra. Ob Verwandtschaftsbeziehungen zu dem 1512 in Allendorf genannten Bürger Claus Gotsleben bestehen, wissen wir nicht. Nur wenige Dokumente haben die Zeiten überdauert. Besonders verheerend für die geschichtliche Überlieferung sind die Folgen des Dreißigjährigen Krieges mit der Zerstörung vieler Archive und den darin aufbewahrten Quellen.

„Allendorf in den Soden“ war durch Salzgewinnung und Handel eine blühende Stadt, die zu den ersten Städten Hessens zählte. Prachtvolle Fachwerk-Wohnhäuser und bedeutende öffentliche Bauten zierten das Stadtbild.

Zu der Zeit, als Landgraf Philipp der Großmütige (1504–1567) durch Pachtverträge das Salzwerk übernahm und Johannes Rheinland - auch Rhenanus genannt - das Amt des Pfarrers und Salzgrafen in Sooden antrat, wurde Johannes Gottsleben um 1559/60 geboren und besuchte bis 1573/74 die 1250 gegründete Allendorfer Lateinschule.

Studium in Marburg (1574–1579) und Jena (1586)

Als Fünfzehnjähriger begann Johannes Gottsleben 1574 zusammen mit seinen Landsleuten Johannes Iringius, Hieronymus Faber, Johannes Lossius, Henrich Riem, Matthias Turmann, Liborius Thomas und Israel Engelhard ein Theologiestudium an der Universität in Marburg, die der 23-jährige Landgraf Philipp im Zuge der Reformation 1527 als erste protestantische Hochschule gegründet hatte. Die damals oft noch sehr jungen Schüler erhielten zunächst eine Basisausbildung in den Fächern Grammatik - dahinter verbarg sich Latein, die Wissenschaftssprache der Zeit, die Schüler auch untereinander sprachen -, Dialektik (Logik) und Rhetorik. Selbstverständlich gehörte dazu auch die Poesie mit praktischen Übungen in Dichtung

Nach seinem Studium in Marburg, das er um 1579 mit dem Erwerb des akademischen Grades eines Magister artium abgeschlossen hatte, verliert sich Johannes Gottslebens Spur erst einmal. Meist verdienten die jungen Magister ihr Brot als Hauslehrer adliger oder wohlhabender Bürgerkinder oder als Lehrer an Lateinschulen der reformierten Länder. Ob Johannes Gottsleben wieder in seine Vaterstadt Allendorf zurückgekehrt ist, wissen wir nicht. Jedoch nennt er später in Herborn seine Herkunft „Magister Joannes Gotslebius Allendorfensis ad salinas Hassiacas“. Wir treffen Johannes Gottsleben 1586 in Jena wieder, wo er sich an der Universität unter ihrem damaligen Rektor Samuel Brothagen für das im Februar beginnende Sommersemester eingeschrieben hatte. In Jena wird er seine Studien wieder aufgenommen haben, um zum Doktor der Theologie zu promovieren und so eher eine akademische Lehrtätigkeit aufnehmen zu können. Oder er hatte - wie es Brauch war - als Hauslehrer und Mentor einen jungen adligen Herrn oder wohlhabenden Bürgersohn zum Studium nach Jena begleitet.

Pädagogearch und Professor am Pädagogium und der Hohen Schule in Herborn (1587–Herbst 1594) und Siegen (Herbst 1594–1599/1600)

Die Erfahrungen seiner Marburger Studienjahre und als Lehrer wird Johannes Gottsleben später an seine Schüler weitergeben können. Wir finden ihn 1587 im nassauischen Herborn wieder, wohin er von Graf Johann VI. von Nassau-Dillenburg (1535–1606) auf eine der drei Professorenstellen für Philosophie an die Hohe Schule berufen wurde und als Pädagogearch zugleich in der ersten Klasse des neu eingerichteten Pädagogiums täglich mehrere Stunden unterrichtete.

Die Hohe Schule Herborn war im ausgehenden 16. Jahrhundert die einzige kalvinistische Bildungsstätte in Deutschland und gehörte bald zu den wichtigsten in Europa. Sie unterhielt Beziehungen nach England und Schottland, zu den hugenottischen Akademien in Frankreich - namentlich Sedan, zu schweizerischen und niederländischen Hochschulen, zur Böhmischen Brüderunität in Böhmen und Mähren, nach Ungarn und Siebenbürgen. Außer von deutschen Studenten wurde sie von Tschechen, Ungarn, Polen, Dänen, Schotten, Niederländern und Schweizern besucht. Es entstanden eine Theologische, eine Philosophische, eine Juristische und eine Medizinische Fakultät, außerdem eine eigene Druckerei, eine Bibliothek, eine Apotheke sowie eine „Anatomie und Entbindungsanstalt“. Die Theologische Fakultät errang aufgrund der Qualität ihrer Lehre alsbald europaweiten Ruhm. In ihrer Blütezeit von 1584 bis 1626 wurde der Ruf der Alma Mater Iohannea in ganz Europa bekannt. Die Unterrichtssprache war Latein. Die Herborner Professoren wirkten stark in die theologischen, staatsrechtlichen und philosophischen Diskussionen des Frühbarock hinein. Von den zahlreichen Veröffentlichungen der Professoren, die meist aus der akademischen Buchdruckerei des Christoph Rab (1552–1620) hervorgingen, sind eine eigenständige Herborner Bibelübersetzung von Johannes Piscator (1546–1625), ein bedeutendes Frühwerk zur Staatsvertragslehre von Johannes Althusius (1557–1638) und die erste deutsche Enzyklopädie von Johann Heinrich Alsted (1588–1638) zu nennen. Der bedeutendste Student Herborns war Johann Amos Comenius (1592–1670) aus Mähren, der wohl nach wie vor bekannteste Förderer der wissenschaftlichen Pädagogik. Comenius studierte in Herborn von 1611 bis 1613 Theologie und Philosophie.

Als Johannes Gottsleben 1587 nach Herborn kam und mit der Leitung des Pädagogiums betraut wurde, musste er als Lehrer bereits gute Referenzen mitgebracht haben. Damals sollte auf Empfehlung des Theologieprofessors und späteren Rektors der Hohen Schule Johannes Piscator der tüchtige Präzeptor der dritten Klasse, Henrich Crantz aus Beuren, in Herborn gehalten werden und mit der ersten Klasse auch das Amt des Pädagogearchen übernehmen. Doch Crantz entschied sich anders und ging 1588 als Rektor an die Lateinschule nach Korbach. So wurde Johannes Gottsleben - vielleicht durch Vermittlung seines gleichaltrigen Allendorfer Landsmannes und Herborner Kaplans Bernhard Textor (1560–1602), der mit dem einflussreichen Theologieprofessor Caspar Olevian (1536–1587) befreundet war - anstelle von Crantz Pädagogearch und Präzeptor der ersten Klasse.

Heirat mit Anna Maria Hoen in Herborn (1589), Kinder, Verwandtschaft

Die Senatssitzungen der Hohen Schule, an denen Johannes Gottsleben als Pädagogearch und ordentlicher Professor regelmäßig teilnahm, wurden vom Schulnotar protokolliert. In Herborn hatte diese Funktion lange Jahre der Stadtschreiber und kaiserliche Notar Wilhelm Hoen inne. Über die Sitzungen des Senats entstand vermutlich die Bekanntschaft von Johannes Gottsleben und Wilhelm Hoen. Der ortsfremde Johannes Gottsleben war mit seinen stattlichen 28 Jahren noch Junggeselle und wohnte im Herborner Schloss, in dem die Klassen des Pädagogiums gehalten wurden und sich auch die Amtswohnung des Pädagogearchen befand. Mit einer Jahresbesoldung von 120 Gulden hatte er ein gutes Auskommen und konnte auf Brautschau gehen. Gewiss nahm er die Einladungen der angesehenen Beamtenfamilie Hoen zur Unterrichtung ihrer Kinder und zu privaten Gesprächen gern an. So wird Johannes Gottsleben Wilhelm Hoens um 1570/71 geborene Tochter Anna Maria kennengelernt haben und mit ihr am 14. September 1589 in Herborn einen Hausstand gründen. Seine Schwiegermutter Güthe Hoen ist eine geborene Behr, deren Vater Jost Behr Unterschulmeister an der Lateinschule in Dillenburg war und zusammen mit ihrem Schwiegervater Jost Hoen die Grafenkinder unterrichtete. Johannes Gottslebens damals 13-jähriger Schwager Andreas Jacob Hoen, später selbst einmal kaiserlicher Notar und Herborner Stadtschreiber, besuchte 1589 die 3. Klasse des Pädagogiums.

Anna Maria Gottslebens Großvater, den sie selbst nicht mehr gekannt hatte, ist der am Hof hoch angesehene Magister, Pädagoge und Staatsmann Jost Hoen (um 1500–1569). Er beriet in schulischen und theologischen Fragen Graf Wilhelm den Reichen und unterrichtete als gräflicher Vertrauter die Grafensöhne Prinz Wilhelm von Oranien, Johann, Ludwig, Adolf und Heinrich. Die Großmutter Margaretha Hoen, geborene Welcker aus Diez, diente als Kammerfrau der Gräfin Juliane von Nassau-Dillenburg. Anna Marias Onkel Anton Hoen ist der nassau-diezische Landschreiber, Rentmeister, Amtmann und Befehlshaber der Grafschaft Diez. Dessen Sohn Philipp Heinrich, der nach seinen Studien Nachfolger des Althusius auf der juristischen Professur in Herborn wird und als Dillenburger Kanzleidirektor über längere Zeit die Programmatik der naussauischen Politik mit prägt, ist das berühmteste Mitglied der Familie Hoen. In der „Classis prima“ des Herborner Pädagogiums war Philipp Heinrich Hoen Schüler seines eingeheirateten Vetters Johannes Gottsleben, dem er in Verbundenheit seine im Jahre 1598 zu Jena erschienene „Dissertatio de variis feudorum divisionibus“ widmete.

Von Johannes und Anna Maria Gottslebens Kindern kennen wir vier Söhne und eine Tochter:

Matthias Gottsleben (* um 1589/90; † ??)

Der älteste Sohn ist der um 1589/90 geborene Matthias. Während sein Vater in der Residenzstadt Dillenburg die Stelle des Hofpredigers und Inspektors bekleidete, danach Pfarrer in Krombach war, besuchte Matthias von 1598/99 bis 1607 das Pädagogium zu Herborn und Siegen. In der fünften Klasse unterrichtete ihn Hans Bollig mit vierzehn Mitschülern. Zu der Zeit war der später berühmte Theologe, Pädagoge und Polyhistor Johann Heinrich Alsted (1588–1638) Schüler von Johannes Stöver (1572–1651) in der dritten Klasse des Pädagogiums. In der ersten Klasse bereitete sich Matthias bei Georg Pasor (1570–1637), der als Lexikograph und Grammatiker des Neuen Testaments bekannt wurde, auf die akademische Reifeprüfung vor. Ab 1607 studierte Matthias Theologie bei Johannes Piscator (1546-1625) an der damals wieder von Herborn nach Siegen verlagerten Hohen Schule. Über seinen späteren Lebensweg liegen uns keine Nachrichten vor.

Johann Bernhard Gottsleben (* um 1595; † 1. November 1635)

Johann Bernhard, der zweitälteste, erblickte um 1595 das Licht der Welt und besaß einen recht regen Geist. Seine Leistungen am Pädagogium und während des 1614 unter den Professoren Johannes Piscator und Johann Jacob Hermannus (1553–1630) begonnenen Theologiestudiums an der Herborner Hohen Schule waren sehr vielversprechend für eine spätere Anstellung im nassauischen Schul- und Kirchendienst. In der Residenzstadt Dillenburg wurde er bereits mit jungen Jahren Rektor der dortigen Lateinschule und erhielt danach eine besser dotierte Pfarrstelle in Frohnhausen. Anschließend war er an der Schlosskapelle Hofprediger beim fast gleichaltrigen Landesherrn Graf Ludwig Heinrich (1594–1662) und erster Pfarrer an der Stadtkirche. Die zum Andenken an seinen verehrten Lehrer Johannes Piscator 1625 gedruckte Leichenpredigt bereicherte Johann Bernhard Gottsleben mit einem lateinischen Trostgedicht. Das eigene schwere Schicksal, das er mit tiefem Schmerz und unerschütterlichem Glauben ertrug, zerstörte seine gesamte Familie in den verheerenden Jahren des Dreißigjährigen Krieges. Nachdem ihm bereits fünf Kinder gestorben waren, sind 1635 innerhalb eines fünfwöchigen Zeitraums seine Frau Magdalena, geborene Beigarten, und seine drei ihm verbliebenen Kinder Anna Margreth, Maria Magdalena und Johann Philipp Opfer der damals wieder wütenden Pest geworden. Der so schwer Geprüfte hat sein entsetzliches Unglück nicht lange überlebt. Durch die stetige Berührung mit seiner pestkranken Familie wurde er selbst angesteckt. Am 1. November 1635 verstarb auch Johann Bernhard. Zehn Tage nach dem Tod seiner letzten Tochter wurde er bei Frau und Kindern am 2. November 1635 bestattet. Sein Familienname starb mit ihm in Dillenburg aus. Die von seinem Freund Konrad Post(hius) (1613–1669), dem zweiten Dillenburger Pfarrer, in der Pfarrkirche gehaltene „Christliche Klag- und Trostpredigt“ wurde 1636 mit Trauer- und Trostgedichten seiner Freunde und Schüler Justus Henricus Heidfeldt, Georg Corvinus, Johannes Daum und R. G. in der Offizin Christoff Rab zu Herborn gedruckt.

Andreas Jacobus Gottsleben (* um 1600; † ??)

Andreas Jacobus, der dritte Sohn, wurde um 1600 geboren und wechselte nach bestandener Reifeprüfung am 7. Oktober 1620 von der ersten Klasse des Herborner Pädagogiums zur Hohen Schule. Im Jahre 1635 finden wir seinen Namen wieder in der zum Gedenken an das Schicksal seines hoch angesehenen Bruders Johann Bernhard gedruckten Leichenpredigt. Er war - wie seine bereits 1631 und 1634 im Krieg umgekommenen Vettern Erasmus und Philipp Heinrich (II.) Hoen - Soldat und diente damals als Fähnrich im niederländischen Söldnerheer („Unirten Provincien Kriegsvolck“) zu Moers. Die protestantische Republik der Vereinigten Niederlande bekämpfte nach Bruch des spanisch-niederländischen Waffenstillstands unter ihrem Statthalter Friedrich Heinrich (1584–1647), Prinz von Oranien, den 1621 wieder aufgeflammten spanischen Machtanspruch. Die Niederländer eroberten in diesem Krieg die Festungen Herzogenbusch und Wesel (1629), Maastricht (1632), Breda, Rheinberg und die Schenkenschanze (1637). An diesen Feldzügen wird auch Andreas Jacobus teilgenommen haben, seine Spur verliert sich nach 1635 in den Wirren des Krieges.

Margarete Gottsleben (* um 1602; † 28. Februar 1677)

Tochter Margarete ist das vierte uns bekannte Kind. Um 1602 geboren, heiratete sie fünfzehn Jahre nach dem Tod ihres Vaters um 1627 den wohlhabenden Herborner Bäcker und späteren Bürgermeister Jost Rücker. Von ihren Kindern kennen wir nur den um 1637 in Herborn geborenen Johann Jacob, der später Pfarrer und Inspektor in Nassau-Beilstein wird.

Jodocus Wilhelm Gottsleben (* um 1604; † ??)

Das jüngste Kind ist der um 1604 geborene Jodocus Wilhelm. Er besuchte von 1615 an das Pädagogium zu Herborn und wechselte 1623 hinüber zur Hohen Schule. Aus seinem weiteren Leben sind uns keine Überlieferungen bekannt.

Hofprediger in der Residenzstadt Dillenburg und Inspektor (1599–1604)

Von Graf Johann VI. zum Hofprediger und Inspektor der Kirchenklasse nach Dillenburg berufen, räumte Johannes Gottsleben im Schuljahr 1599/1600 seine Herborner Professorenstelle und übergab seinem jungen Nachfolger und ehemaligen Studenten, dem wegen seiner umfassenden Gelehrsamkeit allseits bewunderten Pädagogearchen und Professor der Theologie Matthias Martinius (1572–1630), die Schülerschaft des Pädagogiums. Das Amt des Hofpredigers und Inspektors übernahm Johannes Gottsleben von seinem gleichaltrigen Allendorfer Landsmann und Professor für praktische Theologie, Bernhard Textor (1560–1602), und übte es fünf Jahre lang bis 1604 aus. Sein Nachfolger wurde der im elsässischen Straßburg geborene Prediger Johann Jacob Hermannus. Als am Hof beliebter Kanzelredner hielt Hermannus am 28. Oktober 1606 dem Grafen Johann VI. in der Dillenburger Kirche die Leichenrede. Auch nach seiner Versetzung an die Herborner Stadtkirche und Übernahme einer Professorenstelle an der Hohen Schule versah Hermannus über lange Jahre weiterhin das Amt des Dillenburger Hofpredigers. Bei Hermannus, der 1617 völlig erblindete, disputiere im Jahre 1620 Johannes Gottslebens zweitältester Sohn Johann Bernhard.

Pfarrer in Krombach (1604–1612)

Nachdem Johannes Gottsleben im März 1604 noch den Auftrag erhielt, ein Kircheninventarium für die Dillenburger Pfarrklasse zu erstellen, wurde er kurz darauf als Pfarrer an das Kirchspiel Krombach bei Siegen versetzt. Das Pfarramt auf dem Lande hat seinen Anlagen wenig entsprochen. Mit seiner professoralen Art zu predigen erreichte er die ihm anvertraute bäuerliche Gemeinde nicht. Das Verhältnis der Krombacher zu ihrem geistlichen Hirten wird eher unterkühlt distanziert als vertrauensvoll gewesen sein. Während einer am 10. November 1611 durchgeführten Kirchenrevision beschwerte sich die Gemeinde über ihn bei Hofe. Seine Predigten seien zu „präcipitant und scholastisch, die Katechisation ginge schlecht“. Die abschätzige Bewertung seiner Amtsführung kam für Johannes Gottsleben völlig überraschend und hatte ihn tief getroffen, „es tat ihm sehr leid, weil ihm die Gemeinde in den sieben Jahren seiner Amtsführung kein Wort darüber gesagt hätte“. In Krombach nicht anerkannt und fremd geblieben, verstarb Johannes Gottsleben kurz nach der Kirchenrevision verbittert am 20. Februar 1612.

Nach dem Tod ihres Mannes zog die Witwe Anna Maria Gottsleben mit den drei jüngsten Kindern wieder zurück in ihre Heimatstadt Herborn, wo ihr Bruder Andreas Jacob Hoen als kaiserlicher Notar und Stadtschreiber amtierte. Auch besuchten ihre Söhne Matthias und Johann Bernhard hier das Pädagogium und die Hohe Schule. Obwohl Anna Maria Gottsleben beim Tod ihres Mannes gerade 42 Jahre alt war, hat sie nicht wieder geheiratet. Leider sind uns keine persönlichen Aufzeichnungen, die Johannes Gottsleben während seiner langen Berufsjahre gewiss angefertigt haben wird, erhalten geblieben. Sein Nachlass und seine Büchersammlung, die nach Schätzung seiner Frau über 300 Gulden wert waren, verbrannten 1626 bei der großen Feuersbrunst in Herborn.

Anna Maria Gottsleben verlor durch den Brand außer ihrem Wohnhaus all ihre Leinwand, „ohne ein etwas, so sie zu Dillenberg“ hatte, ferner allen Hausrat, Zinnwerk, Kleidung „und alles, sampt ihres hern sel. buher allzumahl“. Ihr Gesamtschaden wird mit 1500 Gulden angegeben. Eine Summe, die damals etwa zwölf Jahresbesoldungen eines Professors entsprach. Die Oberförster Schilt und Nol lieferten Anna Maria im Jahre 1630 Holz zum Wiederaufbau ihres abgebrannten Hauses. Sie wird in ihrem Alter die erlittenen Verluste nicht mehr verkraftet haben und starb noch vor der großen Pest, der 1635 die Familie ihres Sohnes Johann Bernhard in Dillenburg zum Opfer fiel.

Quellen

Dokumente der Hohen Schule Herborn werden im Hessischen Haupt-Staatsarchiv Wiesbaden aufbewahrt. Findmittel: Rep. um 1890 (handschriftlich), nach Sachgruppen gegliedert. I. Gründung, II. Beziehungen zur Landesherrschaft, III. Verfassung und Verwaltung der Hohen Schule, IV. Besondere Schicksale der Schule, V. Verbindung zum Paedagogium, VI. Rechnungen. Inhalt: 38 m Akten 1584-1817, vor allem über Gründung, Verfassung, Verwaltung und Schulvermögen, Personalakten der Professoren, Rechnungen von Schulklassen ab 1604 und des Klosters Thron 1750-1817.

Literatur

  • Becker, Emil: Johann Gottsleb. In: Heimatblätter zur Pflege und Förderung des Heimatgedankens. Beilage zur Dill-Zeitung 10 (1937), S. 12.
  • Becker, Emil: Die Dillenburger Lateinschule in der nassauischen Zeit. Dillenburg: Weidenbach, 1939.
  • Becker, Emil: Schloß und Stadt Dillenburg. Dillenburg: Magistrat, 1950 [Neuaufl. 1983], S. 180 [Anlage E, hier Nennung des Namens Gottsleben].
  • Domarus, Max von: Der grosse Brand der Stadt Herborn im Jahre 1626 und die Kollekten für die Abgebrannten. In: Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 33 (1902/03), S. 297-364 [S. 309, 337 u. 350 Nennung der Witwe Anna Maria Gottsleben].
  • Gottsleben, Klaus: Johannes Gottsleben. Stationen seines Lebens im Zeitalter der Reformation (Online-Veröffentlichung).
  • Heiler, Carl: Der Herborner Student 1584-1817. In: Nassauische Annalen 55 (1935), S. 1-100.
  • Die Matrikel der Hohen Schule und des Pädagogiums zu Herborn. Hrsg. von Gottfried Zedler und Hans Sommer. Wiesbaden: Bergmann, 1908. (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau; 5), S. VI, 188, 193, 197, 203, 218 (Anm. 2) u. 219.
  • Menk, Gerhard: Die Hohe Schule Herborn in ihrer Frühzeit (1584-1660). Ein Beitrag zum Hochschulwesen des deutschen Kalvinismus im Zeitalter der Gegenreformation. Wiesbaden: Historische Kommission für Nassau, 1981. (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau; 30) [S. 171, Fußnote 234 Nennung des Pädagogearchen Gottsleben].
  • Pieper, Hartmann: Der Herborner Zweig der Familie Hoen. In: Hessische Familienkunde 3 (1955), Sp. 229-232.
  • Renkhoff, Otto: Johannes Gottsleben. In: Nassauische Biographie, Kurzbiographien aus 13 Jahrhunderten. 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Wiesbaden: Historische Kommission für Nassau, 1992, S. 241.
  • Steubing, Johann Hermann: Geschichte der Hohen Schule Herborn. Hadamer: Gelehrten-Buchhandlung, 1823, S. 72, 197 u. 198 [hier jeweils Nennung des Namens Gottslebius].
  • Steubing, Johann Hermann: Kirchen- und Reformationsgeschichte der Oranien-Nassauischen Lande. Hadamar: Neue Gelehrten-Buchhandlung, 1804, S. 302 [hier Nennung des Namens Gottslebius].
  • Steubing, Johann Hermann: Topographie der Stadt Herborn. Marburg: Neue akademische Buchhandlung, 1792. (= Materialien zur Statistik und Geschichte der Oranien Nassauischen Lande; 1), S. 67 [hier Nennung des Namens Gottslebius].
  • Vogel, Christian Daniel: Nassauisches Taschenbuch. 1832, S. 39 [hier Nennung des Namens Gottsleben].
  • Johan de Wal: Gottsleben, Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 9, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 509.

Zum Ursprung des Familiennamens siehe: Gottsleben.


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