Jugendberatungsstelle

Jugendberatungsstelle

Eine Jugendberatung oder Jugendberatungsstelle ist, wenn besondere Räume dies ermöglichen, ein Dienst freier oder öffentlicher Jugendhilfeträger mit dem Ansatz, persönliche professionelle bzw. ehrenamtliche Beratungsgespräche in Beratungsräumen bereitzustellen oder als Telefonservice bzw. Online-Angebot oder hinausreichend, aufsuchend und mobil Jugendliche dort beratend zu unterstützen, wo sie sich aufhalten. Sie ist ein fakultativer Teil der Jugendarbeit mit Berührungspunkten zur Jugendberufshilfe und zu Streetwork.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Mitte der 70er haben an verschiedenen Orten - so in München, Hannover, Frankfurt, Berlin und später Herne - Pädagogen und Psychologen an Konzepten gewirkt, die nicht die therapeutische Hilfe für junge Menschen empfahlen, sondern professionelle entwicklungsbegleitende Beratung. Die Dienste sollten unbürokratisch, auf Wunsch anonym, vertraulich und kostenlos sein. Die Ansiedlung der ersten dieser Stellen war unterschiedlich: einmal waren sie Teil der Jugendarbeit, z.B. in Jugendhäusern, Teil der Erziehungs- und Familienberatung oder unabhängig als Büro eines engagierten Freien Trägers. Schließlich gab es auch Jugendberatung in Ämtern - so die "Familienfürsorge männlich" oder in einem Bundesland das sozialpädagogische Betreuungsprogramm der Senatsverwaltung "Kinder- und Jugendschutzstelle (weiblich)".[1] In Berlin wurden Ende der 70er Jahre die Beratungsstellen der "Allgemeinen Jugendberatung", die Telefonberatung "Mondo X", "Schülerberatung Neukölln", "Kontakt- und Beratungsstelle für Trebegänger", "Konflikt- und Bildungsberatung" und Anfang der 80er die "Boje", "Joker"[2] (inkl. Rechtsberatung), "NeUhland" (suizidbezogen), "Treberhilfe" und Jugendberatung der Pro Familia aufgebaut. Einige mussten später schließen, da die angestrebte Pauschalfinanzierung nicht fortgesetzt wurde.

Rechtsgrundlagen

Jugendberatung ist als Unterpunkt 6 im § 11 (3) Achtes Buch Sozialgesetzbuch -"Schwerpunkt der Jugendarbeit" aufgeführt. Die Formulierung erlaubt aber, dass örtlich ein Jugendamt oder ein legitimierter Freier Träger der Jugendhilfe, eine Stationäre Einrichtung u.a. Jugendliche berät, wenn sie dies wünschen. Dieser Ansatz der "Komm-Struktur" hat sich im Umgang mit Minderjährigen und Heranwachsenden nicht bewährt, insbesondere dann nicht, wenn gleichzeitig andere Zielgruppen im selben Dienst beraten werden (Erziehungs- und Familienberatungsstellen) oder sogar aktenführend betreut werden - also Eltern oder in der Jugendgerichtshilfe straffällig Gewordene. Beim § 11 handelt es sich nicht um eine scheinbar sichere "Soll-Option"; die Förderungsangebote (Hintergrund: § 8 SGB I) der Jugendarbeit "sind" zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung richtet sich gem. § 3 (2) 2. allein an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Doch "erforderlich" ist dehnbar und ein "Recht des Kindes auf Entwicklung und Entfaltung" wurde nicht ins Grundgesetz aufgenommen. Die unvollständige Aufzählung "zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehören.." macht auch deutlich, dass evt. andere Angebote gut wären (z.B. des Gender Mainstreamings) und einige der aufgezählten obsolet. Das einklagbare Recht auf eine exklusive Beratungseinrichtung für Jugendliche i.e.S. gibt es nicht. Schließlich fehlen - anders als in den §§ 28-35 und in § 41 Achtes Buch Sozialgesetzbuch namentlich die anspruchsberechtigten Bürgerinnen und Bürger.

Themen

Allgemeine Jugendberatung beinhaltet logischerweise die Auseinandersetzung mit allen Themen, die Betroffene der Zielgruppe vortragen; manche Dienste grenzen sich negativ ab, z.B. von Drogenberatung (umgekehrt gibt es zahlreiche Jugendberatungsstellen, die hinter diesem unauffälligen Etikett fast ausschließlich Drogenberatung betreiben). Ausgeschlossen mit Verweis auf Spezialdienst bleibt auch häufig die Rechtsberatung,[3] die Schuldnerberatung und die Migrantenberatung. Die am häufigsten von Jugendlichen gefragten Themen sind: Wohnen, Streit mit (Stief-)Eltern, Rechte der Minderjährigen, Schulkonflikte, Laufbahnberatung, Suche von Ausbildungsstellen bzw. Jobs, soziale Fragen (Taschengeld), Beziehungskrise, besondere psychische Befindlichkeiten und Lebenskrisen, Streit im Heim, Stress mit der Polizei (Vorladung als Tatverdächtiger ode als Zeuge), Religion, Schwangerschaftskonflikt und sexuelle Fragen.

Auch die Jugendzeitschrift Bravo mit ihrem Dr.-Sommer-Team verdient eine Erwähnung. Tatsächlich könnte man sie aufgrund der Häufigkeit von Anfragen und qualifizierten Antworten augenzwinkernd die „größte Jugendberatungsstelle Deutschlands“ nennen.

Perspektive

Amtsunabhängige Jugendberatungsstellen und auch hinausreichende, aufsuchende Jugendberatungen haben angesichts der Haushaltslage der Kommunen keine Perspektive. Tatsächlich gibt es örtliche Jugendämter, die im Zuge von Binnendifferenzierung auch aktenführende Arbeitsgruppen "Jugendberatung" (oft für 16- bis 20-Jährige) bereitstellen. Dienste außerhalb der Behörden werden sich regional und temporär ansiedeln, wenn Träger dies stützen und wenn besondere Mittel bereitgestellt werden können, aus Bundesprogrammen oder Lotteriegeldern, bzw. aus Fördermitteln von Aktion Mensch und vergleichbaren Projekthilfen.

Mobile Jugendarbeit/Streetwork wird in verschiedenen Bundesländern immer dann von örtlichen Jugendämtern eingesetzt, wenn Bedrohungslagen sichtbar werden oder wenn z.B. die Presse zunehmende Delinquenz im Problemviertel diagnostiziert. Insbesondere die Metropolen werden kontinuierlich mit Streetwork versorgt; in den neuen Bundesländern sind solche Angebote oft spezifisch auf die Zielgruppe Rechtsradikalismus ausgerichtet. In manchen Regionen werden Dienste auch proaktiv konzipiert oder eingerichtet. Zu den aktuell bekannteren Beratungsstellen gehören "Mondo X" und BiB[4] in Braunschweig sowie Dienste in Düsseldorf, Freiburg, Karlsruhe, Rheine, München, Köln, Leipzig, Cuxhafen, Neuss, Halle, Dortmund, Berlin [5] und Oldenburg.

Literatur

  • Friedrich K. Barabas: Beratungsrecht. Ein Leitfaden für Beratung, Therapie und Krisenintervention Fachhochschulverlag, Frankfurt 2003. ISBN 3-931297-95-0
  • Beratungsführer. Die Beratungsstellen (für Kinder, Jugendliche, Ehe, Eltern, Familien, Schwangere, AIDS und Sucht) in Deutschland, Band 1 (West) und Band 2 (Ost); DAJEB (Hrsg.) München 1999
  • Uwe Gluntz u.a.: Jugendberatung. Beiträge zur kritischen Praxis der Jugendarbeit. AJB, Berlin 1977
  • Manfred Günther u. Lilo Sudfeld: Jugendberatung als unbürokratische Orientierungshilfe. In: Sozialpädagogik, Heft 1, 1987
  • Manfred Günther: Was ist eigentlich Jugendberatung - ein Muss oder nur Luxus?, In: Heim und Erzieher, Zeitschrift, Hefte 1, 1999 und 2, 1999
  • Elke von der Haar: Jugendberatung. Wolters Kluwer, München 2003 ISBN 3-423-58029-1
  • Sigrun von Hasseln: Das Jugendrechtshaus 2000. Berlin, Recht und Gesellschaft, 2000. ISBN 3-8311-0402-6

Weblinks

Einzelnachweise

  1. "Neuer Rundbrief" des SenJugFamBerlin 1987, nicht online
  2. 3 historische JOKER-Konzepte
  3. Berliner Anwälte beraten kostenlos
  4. BiB-Konzept als download
  5. Jugendnetz/Promix-Adressen-Server, gesehen am 30. November 2010 auf www.jugendnetz-berlin.de

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