Lamprechtshausner Weihespiel

Lamprechtshausner Weihespiel

Das Lamprechtshausner Weihespiel ist ein von dem nationalsozialistischen Schriftsteller Karl Springenschmid zur Erinnerung an den Lamprechtshausener NS-Putsch von 1934 verfasstes Theaterstück.

Es sollte als Thingspiel die alljährliche Aufführung des „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal auf dem Salzburger Domplatz ersetzen. Allerdings wurde es nur 1938 und 1939 auf einer eigens errichteten Naturbühne und einer für über 1000 Gäste gebauten Tribüne in der Nähe von Lamprechtshausen (im Norden des österreichischen Bundeslandes Salzburg) im Gebiet der heutigen Reitlwaldsiedlung aufgeführt. Danach verhinderten die fortschreitenden Kriegsereignisse weitere Inszenierungen. Zwischen 1938 und 1945 fanden allerdings auch keine Aufführungen des Jedermann auf dem Domplatz statt.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Auch der Ort Lamprechtshausen war von dem Juliputsch der Nationalsozialisten betroffen. Hier hatte eine Gruppe von SA-Männern in der Nacht vom 27. zum 28. Juli 1934 öffentliche Einrichtungen besetzt, mehrere Personen festgenommen und sich des Nachts mit einer Heimwehrabteilung ein Gefecht geliefert. Der Aufstand wurde durch eine Kompanie des Alpenjägerregiments Nr. 12 des Bundesheeres unter dem Kommando von Hauptmann Franz Rosenkranz in den Morgenstunden des 28. Juli niedergeschlagen. Der Putschversuch hatte auf Seiten der Nationalsozialisten sechs und auf Seiten des Bundesheeres zwei Tote sowie auf beiden Seiten mehrere Verletzte gefordert.

Nach dem Anschluss Österreichs wurde am 7. April 1938 Adolf Hitler anlässlich des Spatenstichs für den Bau der Reichsautobahn am Walserberg von dem Lamprechtshausener NS-Aktivisten Dr. Sprenger in einseitiger Weise über den Ablauf des NS-Putsches informiert. Hitler hat daraufhin angeordnet, alle beteiligten Offiziere des Österreichischen Bundesheeres, die an der Niederschlagung des Aufstandes beteiligt waren, in Untersuchungshaft zu nehmen. Dies ist umgehend geschehen und führte in den folgenden Jahren zur Ermordung der inhaftierten Offiziere und weiterer hoher österreichischer Beamten von Salzburg, die mit dem Juliputsch zu tun hatten.[1]

Das Weihespiel

Titelblatt des Lamprechtshausner Weihespiels von Karl Springenschmid (1938)
Deckblatt der Kampfschrift Lamprechtshausen. Ein Dorf der Ostmark kämpft für Adolf Hitler von Karl Springenschmid und Enno Folkerts (1939)

Das Spiel stellt keine historischen Abläufe dar, sondern ist eine mythische Überhöhung der damaligen Ereignisse. Intention war es, Zuseher und Mitspieler auf einen Opfertod für Adolf Hitler vorzubereiten.

Eine offene Freilichtbühne, Flammenschalen, in denen Holz und Kräuter verbrannt wurden (ein sehr typisches NS-Ritual), Fanfaren, Lichtsignale, die Glocken der Kirche ... Alles deutete auf einen weltlichen Gottesdienst, der das Sakrament der ‚Volksgemeinschaft’ stiften sollte. Am Ende sangen alle die ‚Lieder der Nation’.

Ernst Hanisch, 1997, S. 63 ff.

In einer vorgeblich bäuerischen Sprache, die mit dem Flachgauer Dialekt wenig gemein hat, wird eine Rechtfertigungsideologie ins Wort gesetzt, die Niederlage beim Lamprechtshausener NS-Putsch wird auf die militärische Überlegenheit und Brutalität der Exekutivkräfte zurückgeführt und dagegen wird der Heldenmut der Putschisten glorifiziert; der jüngere Bruder des getöteten Anführers hat die Hakenkreuzfahne gerettet und die Mutter stimmt freudig dem „Opfertod“ ihres älteren Sohnes zu. Rufe der Namen der getöteten Nationalsozialisten werden eingesetzt, wenn Zweifel am Sinn der politischen Vorgänge aufkommen. Als letztes erschallt der Name des Anführers Franz Natschläger, darauf die Mutter: „Mein Bub, Dein Tod ist unser aller Leben geworden.“ Im letzten Bild des Weihespieles wird „Der Führer“ beschworen, für den alles freudig geopfert werden soll und mit dem Aufziehen der Hakenkreuzfahne und dem Absingen des Deutschlandliedes endet das Stück.

Das Lamprechtshausener Weihespiel ist auch ein Beispiel für die nationalsozialistische Vereinnahmung des öffentlichen Lebens durch wiederkehrende Feiern und Veranstaltungen. Den Tagen um den 25. Juli wurde dabei als Vorläufer der „Heimholung ins Reich“ der „Ostmark“ besondere Bedeutung zugeschrieben. Auch wurde hierbei den „ostmärkischen Blutzeugen“ gedacht. Ein eigenes Büchlein hat Springenschmid zusammen mit dem Fotografen Enno Fokerts den beteiligten Putschisten gewidmet.[2] Hier wird mit viel „Blut- und Boden-Romantik“ das Bauernleben im angeblichen Widerstreit mit der erzbischöflichen Obrigkeit und dem Stift von Michelbeuern geschildert. Ohne Rücksicht auf politische Sachverhalte wird behauptet, dass die Bauernschaft „mit dem Geld der Juden, mit der Faust der Marxisten und mit dem Segen der politischen Kirche in Wien“ ausgebeutet würde und die Verfassung des Ständestaates mit der Absicht erlassen worden sei, „die Nationalsozialisten in den Kampf“ zu treiben. Die dem geknechteten Volk unterschobene Lösung der Widrigkeiten der 30-er Jahre war der Juliputsch, so auch in Lamprechtshausen. Erwartungsgemäß wird der Ablauf des Putsches ohne Bezug auf die tatsächlichen Ereignisse geschildert (z. B. „zehnfache Übermacht“ des Bundesheeres gegen die SA, Kampf „mit verzweifelter Kraft bis zum letzten Mann für Adolf Hitler“, „Verurteilung und Hinrichtung eines Putschisten“).

Zur Mystifizierung des Juliputsches wurde in Lamprechtshausen zusätzlich ein monumentales Fresko an der Kirche zum Gedenken an die sechs getöteten Nationalsozialisten angebracht.[3] Der Künstler Switbert Lobisser malte zu ihrer Erinnerung am heutigen Ort des Kriegerdenkmals das Fresko an die hintere Wand der Kirche. Hier wurden die Namen der gefallenen Putschisten mit dem Text „Euer Tod – unser Leben, euer Opfer – unser Sieg“ geehrt. Dieses SA-Ehrenmal wurde am 5. August 1938 durch den Salzburger Gauleiter Friedrich Rainer eingeweiht.[4]

Zu der nachträglichen Glorifizierung des Putsches zählte auch die Umbenennung der Volksschule von Michaelbeuern in „Sepp Maislinger Schule“. Dieser war einer der Putschisten, der im Gasthaus Stadler zu Tode gekommen war und am 31. Juli 1934 in Michaelbeuern begraben wurde. Diese Widmung wurde nach dem Krieg wieder entfernt.[5]

Aufarbeitung nach 1945

Dr. Emil Sprenger, SS-Obersturmbannführer und in der NS-Zeit Träger des Blutordens, wurde 1948 im Rahmen des Entnazifizierzungsverfahrens von der Lagerspruchkammer Moosburg in die Gruppe der Mitläufer eingestuft und mit einer Geldsühne von 800 RM belegt. In den Staatsdienst wurde er nicht mehr übernommen.[6]

Karl Springenschmid, der es in der NS-Zeit u. a. zum SS-Hauptsturmführer gebracht hatte und nach dem Krieg wegen Kriegsverbrechen gesucht wurde, tauchte nach dem Krieg unter; die gerichtlichen Ermittlungen gegen ihn wurden im Jahr 1951 eingestellt.

Literatur

  • Ernst Hanisch: Gau der guten Nerven: Die nationalsozialistische Herrschaft in Salzburg 1938–1945. Anton Pustet, Salzburg 1997, ISBN 3-7025-0325-0.
  • Anton Maislinger: „Die Zeit war so radikal.“ In Andreas Maislinger: Der Putsch von Lamprechtshausen. Zeugen des Juli 1934 berichten (S. 161–162). Eigenverlag, 1992, ISBN 3-901201-00-9.
  • Franz Rosenkranz: „Da werden viele ja gar nicht mehr leben.“ In Andreas Maislinger: Der Putsch von Lamprechtshausen. Zeugen des Juli 1934 berichten (S. 115–125). Eigenverlag, 1992, ISBN 3-901201-00-9.
  • Karl Springenschmid: Das Lamprechtshausner Weihespiel. Von Kampf und Not eines deutschen Dorfes in Österreich. Berlin: Theaterverlag Albert Langen & Georg Müller, 1938.
  • Karl Springenschmid, Enno Folkerts: Lamprechtshausen. Ein Dorf der Ostmark kämpft für Adolf Hitler. München: Deutscher Volksverlag, 1939.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Franz Rosenkranz, 1992, S. 116 f.
  2. Karl Springenschmid, Enno Folkerts: Lamprechtshausen. Ein Dorf der Ostmark kämpft für Adolf Hitler. München: Deutscher Volksverlag, 1939.
  3. Robert Kriechbaumer: Die großen Erzählungen der Politik. Politische Kultur und Parteien in Österreich von der Jahrhundertwende bis 1945. Wien: Böhlau, Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, 2001, ISBN 978-3-205-99400-8.
  4. Österreichische Wochenschauen 1933–1979 [1]
  5. Anton Maislinger, 1992, S. 162.
  6. Personalakt Dr. Emil Sprenger, Staatsarchiv München, Sign. PA 17591.

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