Lüsterfarbe

Lüsterfarbe

Die Begriffe Lüsterfarbe, Lüster, Lüstermalerei, Lüsterung (von lat. "lustrare", beleuchten, erhellen) bezeichnen die Grundlage der metallisch schimmernden Oberflächen von Fayence, seltener von Porzellan oder Glas. Auch die mit Blattmetall hinterlegte transparente farbige Fassung (Bemalung) von Skulpturen und die Steigerung der Leuchtkraft bestimmter Partien auf Tafelbildern in dieser Technik wird so benannt.

Inhaltsverzeichnis

Keramik

Technik

Die Lüsterfarben auf frühen islamischen und italienischen Majoliken des 9. bis 16. Jahrhunderts wurden durch Emulsionen von Metallsulfaten oder -oxiden gemischt mit Ocker in saurer Lösung aufgebracht. Die Bemalung wurde auf die beim ersten Brand entstandene Glasur aufgetragen und im Glattbrand (Aufglasurbrand) bei mäßiger Temperatur aufgeschmolzen. Gelegentlich wurde auch Porzellan mit Lüsterfarben dekoriert.

In der kunsthandwerklichen Keramiktechnologie der Gegenwart werden zur Erzeugung flächiger und verlaufender Lüstrierungen Metallnitrat und -chloridlösungen vor dem zweiten Brand aufgebracht. Auch mit anderen Techniken oder Glasurmaterialien erzeugte irisierende Oberflächen werden hier -wie auch bei Kunstgläsern- häufig als "Lüster" bezeichnet.

Geschichte der Lüsterfayence

Lüsterkeramik entstand im 9. und 10. Jahrhundert in Mesopotamien und Persien. Gelüsterte Wandfliesen zur Ausstattung von Gebetsnischen in Sakralräumen waren ornamental mit Schriftbändern geschmückt. Auch im Kalifat Cordoba kannte man schon im 10. Jahrhundert die goldfarbene Lüsterkeramik aus Bagdad. Eine eigene Produktion auf dem Gebiet der maurischen Herrschaft über Iberien ist erst im 13. Jahrhundert für Malaga und Granada erwiesen. Berühmt sind die Alhambra-Vasen, die von zarten, goldschimmernden Arabeskenranken überzogen sind. Bis ins 16. Jahrhundert wurde z.B. in Valencia Goldlüsterware hergestellt und über Mallorca als deswegen so genannte Majolika nach Italien ausgeführt, dort hochgeschätzt und bald nachgeahmt. Im Töpferort Deruta entstanden um 1500 die ersten italienischen Stücke und die goldgelben Lüsterfarben in Kombination mit anderen Scharffeuerfarben bleiben auch für die Folgezeit bestimmendes Element der dortigen Fayence. Im bald konkurrierenden Gubbio hatte der Metallglanz eine eher kupferrote Färbung.
In Fayence und Porzellan Nordeuropas spielen Lüsterfarben nur eine selten gepflegte Rolle.

Malerei

Technik

Um in der Malerei den reflektierenden Glanz zum Beispiel von Edelsteinen oder Brokatstoffen wiederzugeben, hatten schon die Fassmaler des Mittelalters mit Blattsilber belegte Flächen mit farbiger, transparenter Lasur überzogen. Sie bevorzugten rote und grüne Lüsterfarben. Textilartig strukturierte Oberflächen erzeugte man durch Eindrücken von Punzen oder Tremoliereisen in den Kreidegrund. Statt Silber oder Blattgold wird in mittelalterlichen Malereitraktaten (z.B. bei Theophilus um 1110) auch Stanniol (Zinnfolie) als Untergrund für Lasurfarben empfohlen, die wenigen erhaltenen Beispiele zeigen jedoch eine geringere Brillanz als die Edelmetallunterlagen. Wo Blattsilber nur mit warmtoniger Lasur überzogen wurde, um einen goldenen Glanz zu erzielen, spricht man in der Malereitechnologie von "Goldlack", obwohl technisch kein Unterschied zur vielfarbigen Lüsterung besteht.

Lüster in der Geschichte der Tafelmalerei und Fassung von Skulpturen

In der Ikonenmalerei des Ostens ist die Lüsterung seit dem 12. Jahrhundert verbreitet. Als ältestes deutsches Beispiel gilt das Scheibenkreuz in St. Maria zur Höhe in Soest, um 1230. Seit den Jahrzehnten um 1400 steigt die Verwendung bis zum Ende des Mittelalters an.
In der Renaissance waren Lüstertechniken nicht gänzlich verpönt, wurden aber sehr gezielt eingesetzt: In der Alexanderschlacht von 1529 hinterlegt Albrecht Altdorfer die untergehende Sonne mit Blattgold; auf den Porträts Heinrichs VIII. bringt Hans Holbein der Jüngere um 1540 eine rote Lasur auf Blattsilber, um das gemalte Seidengewand leuchten zu lassen. Im Manierismus wurde mit Lüsterfassungen auf Skulpturen und Ornamenten gern kleinflächig schmuckhaft dekoriert (Beispiel: Ludwig Münstermann), im späteren 17. und noch im 18.Jahrhundert noch großzügiger ganze Gewänder von Skulpturen mit diesem Effekt ausgestattet. Mit dem Klassizismus verschwanden die Lüsterfarben aus der Hochkunst, leben aber in populären Dekorationstechniken bis heute fort.
In Spanien fand die großzügige Lüsterung der Gewänder von Skulpturen bis ins 19. Jahrhundert weite Verbreitung und strahlte aus auf die Bemalungspraxis in den Ländern Lateinamerikas.

Literatur

  • Brigitte Klesse: Majolika, (Kataloge des Kunstgewerbemuseums Köln) Köln 1966, S. 8-26.
  • Gustav Weiß: Keramik-Lexikon, Bern 1998/2003, S. 193 (zu heutigen Technologien)
  • Lexikon der Kunst, Leipzig 1975, Bd. 3, S. 73f. (Artikel Lüster, Lüsterfayence)
  • Rolf E. Straub: Tafel- und Tüchleinmalerei und Manfred Koller: Maltechniken im 16. Jahrhundert, in: Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken, Bd. 1, Stuttgart 1984, S. 187-189, 235f., und 315-319.

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