- Charles Taylor (Philosoph)
-
Charles Taylor, CC, FRSC (* 5. November 1931) ist ein kanadischer Politikwissenschaftler und Philosoph. Er wird dem Kommunitarismus zugerechnet.
Nach seinem Studium an der McGill University in Montréal und der University of Oxford lehrte er ab 1976 Politikwissenschaft in Oxford. Seit 1982 hatte er eine Professur an der McGill Universität Montreal inne; inzwischen ist er emeritiert. Themen seiner Forschung sind Moralphilosophie, „westliche Identität“ und das Konzept der multikulturellen Gesellschaft.
1997 erhielt Taylor den Hegel-Preis, 2007 wurde er mit dem Templeton-Preis ausgezeichnet und im Jahre 2008 erhielt er den Kyoto-Preis.
In seinem Hauptwerk Quellen des Selbst versucht Taylor die für das Selbst- und Weltverständnis konstitutiven moralischen Quellen der Neuzeit zu rekonstruieren, deren Leugnung er für die Fehlentwicklungen der Moderne verantwortlich macht und die deshalb zurückgewonnen werden müssen.
Inhaltsverzeichnis
Christentum und Moderne
Als praktizierender Katholik erhielt Taylor 1996 die Marianisten-Auszeichnung der University of Dayton. In seiner Vorlesung zur Annahme des Preises[1] vertritt er die Auffassung, dass in säkularisierten westlichen Gesellschaften bestimmte christliche Werte stärker verwirklicht seien als sie es in christlich dominierten Gesellschaften vor dem Zeitalter der Aufklärung jemals waren. Als Beispiele nennt Taylor die Anerkennung universell gültiger Menschenrechte und weitreichende Werke der Nächstenliebe im Rahmen des Sozialstaates sowie durch internationale Hilfeleistung bei Naturkatastrophen und humanitäres Einschreiten in Bürgerkriegen.
Taylor betrachtet es als Voraussetzung einer solchen Humanität, dass eine Gesellschaft weder von einer einzigen Religion noch von einer weltlichen Ideologie dominiert wird. Für eine Gefahr hält er hingegen einen exklusiven Humanismus, der menschliches Glück und Wohlergehen als ausschließlichen und höchsten Wert begreift. Taylor sieht ein menschliches Bedürfnis nach einem Sinn, der das diesseitige menschliche Leben transzendiert. Moderne philosophische Positionen, die sowohl christliche als auch humanistische Werte in Frage stellen – etwa jene Friedrich Nietzsches – deutet er als Ausdruck einer Unzufriedenheit mit der Bejahung menschlichen Lebens als alleiniger Grundlage eines Wertesystems.[1]
Taylor sieht den Humanismus zudem als unzureichende Motivation für moralisches Handeln: Wenn eine Hilfeleistung allein aus einem positiven humanistischen Menschenbild heraus begründet wird, bestehe ständig die Gefahr, dass der Empfänger den idealistischen Erwartungen des Gebers nicht gerecht werde. In diesem Fall könne die Philanthropie des Helfers mit der Zeit in Verachtung und Hass umschlagen. Ein zynischeres Menschenbild erspare derartige Enttäuschungen, bringe aber die Gefahr mit sich, keine hinreichende Motivation für moralisches Handeln mehr aufbringen zu können. Aus dieser Perspektive verweist Taylor auf die Bedeutung des christlichen Menschenbilds, das den Menschen als Sünder begreift, ihm gleichzeitig als Bild Gottes aber dennoch unbedingten Wert und Würde zuschreibt. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass christlicher Glaube allein kein Garant für dauerhaftes moralisches Handeln sei.[1]
Hauptwerke
- Hegel. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 416, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983 (Originaltitel: Hegel, 1975, übersetzt von Gerhard Fehn), ISBN 978-3-518-28016-4 (Inhaltsverzeichnis).
- Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1233, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996 (Originaltitel: Sources of the Self. The Making of the Modern Identity, 1992, übersetzt von Joachim Schulte), ISBN 978-3-518-28833-7 (Inhaltsverzeichnis des englischen Originals).
- Ein säkulares Zeitalter. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009 (Originaltitel: A Secular Age, 2007, übersetzt von Joachim Schulte), ISBN 978-3-518-58534-4 (Inhaltsverzeichnis).
- Artikel
- Die Zukunft des Kapitalismus. Kapitalismus ist unser faustischer Pakt. Von Charles Taylor In: Die Zeit, Nr. 19, 2005
- Interview
- Wir denken in Blöcken in der taz vom 30. März 2006
Literatur
- Ingeborg Breuer: Charles Taylor zur Einführung, Hamburg: Junius, 2000, ISBN 3-88506-327-1
- Hartmut Rosa: Individuelle Identität und kulturelle Praxis. Politische Philosophie nach Charles Taylor, Frankfurt/M: Campus, 1998, ISBN 3-59335-996-0
- Hartmut Rosa: Die politische Theorie des Kommunitarismus: Charles Taylor, in: André Brodocz/Gary S. Schaal (Hrsg.): Politische Theorie der Gegenwart II. Eine Einführung, Opladen 2001, S. 55 bis 88.
- Markus Schütz: Der Begriff des Guten bei Charles Taylor. Kann es unter der Autonomiebedingung der Moderne noch eine normative Theorie des guten Lebens geben?. Herbert Utz Verlag, München 2005, ISBN 3-8316-0525-4
- Perreau-Saussine, Emile, Une spiritualité démocratique ? Alasdair MacIntyre et Charles Taylor en conversation, Revue française de science politique, Bd. 55 (2), April 2005, S. 299 bis 315.
- Michael Kühnlein: Religion als Quelle des Selbst. Zur Vernunft- und Freiheitskritik von Charles Taylor, Mohr Siebeck, Tübingen 2008, ISBN 978-3-16-149689-9.
Weblinks
- Literatur von und über Charles Taylor (Philosoph) im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurzbiografie Taylors auf den Seiten der McGill University (englisch)
- Bibliografie (englisch)
Einzelnachweise
Wikimedia Foundation.