Marienkirche (Höxter)

Marienkirche (Höxter)
Die heutige Innenansicht der Marienkirche Höxter: Blick auf Chorraum und Südschiff

Die evangelische Marienkirche ist eine spätgotische Kirche in der ostwestfälischen Stadt Höxter. Die unter Denkmalschutz stehende Kirche wurde im Jahr 1283 geweiht und bildet heute gemeinsam mit dem zugehörigen ehemaligen Minoritenkloster einen Standort der „Klosterregion im Kulturland Kreis Höxter“.[1]

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Unter den mittelalterlichen Kirchen und Kapellen Höxters nimmt die Marienkirche (Minoritenkirche) eine Sonderstellung ein, denn sie ist die einzige Ordenskirche der Stadt, die einzige rein gotische Kirche, und außerdem ist ihre bauliche Substanz - im Gegensatz zur in den Ursprüngen romanischen Kilianikirche Höxter - seit ihrer Entstehung unverändert geblieben. Die Kirche weist eine Reihe von baugeschichtlichen Besonderheiten auf.

Vorgängerbau von 1248

Im Jahre 1248 holte der Corveyer Abt Hermann von Dassel Franziskanerbrüder (Minoriten) nach Höxter. Er baute ihnen hier unmittelbar an der neuen Stadtmauer einen Konvent. Die erste Kirche, vermutlich ein schlichter Saalbau, fiel aber offenbar schon etwa zwei Jahrzehnte später einem Stadtbrand zum Opfer.

Wiederaufbau in heutiger Gestalt ca. 1270 bis 1320

Der gleiche Blick im 19. Jahrhundert: Die Kirche ist als Lagerraum zweckentfremdet
Die historischen Lettner werden auch als Kulissenelemente bei Kindermusicals genutzt

Nach dem Neuaufbau konnten Haupt- und Seitenschiff bereits im Jahre 1283 in der heutigen Form geweiht werden. Die drei Joche des Chorraumes, der das Hauptschiff in gleichbleibender Höhe verlängert, sind dann zwischen 1300 und 1320 entstanden, wobei keine wesentlichen stilistischen Unterschiede zur ersten Bauphase auszumachen sind.

Seither hat der Raum seine besonderen Charakteristika: Ungewöhnlich ist die asymmetrische Anlage mit der hohen, das Hauptschiff begrenzenden schlichten Wand Richtung Norden, an die das ehemalige Konventsgebäude angebaut ist. Ungewöhnlich ist auch die Mischform zwischen einer Basilika (die ein deutlich niedrigeres Seitenschiff hätte) und einer Hallenkirche (die gleiche Gewölbehöhen von Haupt- und Seitenschiff aufweisen würde). Da das Hauptschiff wegen dieser Bauform keine Obergadenfenster hat, und weil ein Tageslichteinfall von Norden her vollkommen fehlt, hat die Kirche ein sehr großes Westfenster.

Bemerkenswert ist der aus zwei steinernen Baldachinen bestehende Lettner, der den Chorraum vom Hauptschiff trennt, und der einst die Schranke zwischen Klerus und Laien gebildet hat: Er stammt noch aus der Entstehungszeit der Kirche und ist der letzte erhaltene seiner Art in Westfalen.

Der Taufstein mit seiner stark verwitterten Ornamentik dürfte sogar deutlich älter als die Kirche sein. Er kam allerdings erst im Jahre 1810 in die Marienkirche, weil sein vormaliger Standort, die historische Petrikirche, abgerissen wurde.

Erneuerung des Dachreiters 1772

In Kontrast zum ansonsten eher streng wirkenden Äußeren der Kirche, das bei der letzten Restaurierung in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wieder verputzt wurde, steht der Dachreiter mit seiner barocken Formgebung. Die Laterne bietet Platz für eine Glocke, die auch heute noch von Hand mit einem in der Mitte des Hauptschiffs herabhängenden Glockenseil geläutet wird.

Zweckentfremdung der Kirche als Lagerraum ab 1812

Als im Jahre 1812 die Auflösung des Minoritenklosters erfolgte, wurde die Kirche zum Zwecke des Abbruchs versteigert, aber durch eine Anzahl evangelischer Bürgerfamilien aufgekauft und dadurch vor der unmittelbaren Zerstörung gerettet. Im Jahre 1817 übernahm die Familie Klingemann aus Höxter die Kirche und nutzte sie als Lagerhaus, um sie so dauerhaft vor dem Abriss zu bewahren.

Im Jahre 1850 wurde die Marienkirche von der Evangelischen Kirchengemeinde Höxter erworben. Während der Restaurierung der Kilianikirche in den Jahren 1880 bis 1882 konnte die Kirche trotzdem nur notdürftig als Ausweichkirche hergerichtet werden. Auch danach wurde sie wieder als Lagerraum verpachtet, so z.B. im Jahre 1898 für die ersten Ruderboote des Rudervereins Höxter.

Restaurierungen im 20. Jahrhundert

Erst zu Beginn der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts war es möglich, eine grundlegende Restaurierung durchzuführen, und die Kirche diente ab 1952 endlich wieder gottesdienstlichen und anderen gemeindlichen Zwecken. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die alten Klostergebäude des ehemaligen Marien- oder Minoritenstifts saniert und zum Gemeindezentrum der Evangelischen Kirchengemeinde Höxter umgebaut, das heute auch das Musikalische Zentrum Höxter[2] beherbergt. Dabei erfuhr auch die Kirche noch einmal eine gründliche Restaurierung, und sie bekam ihre heutige Innenausstattung.

Die Orgel wurde bei dieser Gelegenheit von Siegfried Sauer (Ottbergen) repariert, ergänzt und mit einem neuen, hoch aufstrebenden Gehäuse versehen. Sie war im Jahre 1950 von Rudolf von Beckerath (Hamburg) für die Evangelische Kirche Hamburg-Schnelsen erbaut worden und hatte seit 1961 in der Marienkirche auf einer Empore unterhalb des Westfensters gestanden.

Seit der letzten Restaurierung der Kirche dienen gepolsterte Stellwände genauso wie die Polsterstühle der Dämpfung des sehr starken akustischen Nachhalls. Je nach Veranstaltung wird die flexible Bestuhlung zum Hauptaltar im Chorraum, zum hölzernen Altartisch an der hohen Nordwand oder zu den Chortribünen unterhalb des großen Westfensters ausgerichtet. Letztere erlauben die Durchführung auch großbesetzter musikalischer Veranstaltungen.[3]

Literatur

Außenansicht von Südosten mit barockem Dachreiter
  • Fritz Sagebiel: Die mittelalterlichen Kirchen der Stadt Höxter. Höxtersches Jahrbuch Band 5, Höxter 1963.
  • Evangelische Kirchengemeinde Höxter (Hrsg.): 700 Jahre Marienkirche Höxter. Höxter 1981.
  • Fritz Sagebiel/Martin D. Sagebiel: St. Kiliani und St. Marien Höxter (Große Baudenkmäler, Heft 218), München/Berlin 2. Aufl. 1997.

Einzelnachweise

  1. Klosterregion im Kulturland Kreis Höxter, gesehen 27. März 2011.
  2. Musikalisches Zentrum Höxter, gesehen 23. März 2011.
  3. Ein Beispiel guter Praxis der Evangelischen Kirche in Deutschland: Internetbasierte Chorprojekte in Höxter, gesehen 23. März 2011.

Weblinks

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