Massaker von Hebron (1929)

Massaker von Hebron (1929)

Das Massaker von Hebron war die Ermordung von 67 jüdischen Zivilisten durch Teile der arabischen Bevölkerung Hebrons. Dem vorausgegangen waren Unruhen zwischen den verfeindeten jüdischen und arabischen Nationalbewegungen in Palästina während der britischen Mandatszeit. Das Massaker ereignete sich am 23. und 24. August 1929 und führte zur vollständigen Vertreibung aller Juden aus Hebron.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Siehe auch: Geschichte Hebrons

Von den rund 20.000 Einwohnern, die 1929 in Hebron lebten, gehörten etwa 800 einer jüdischen Minderheit an. Diese bestand vor allem aus sephardischen Juden, die in Hebron schon seit Jahrhunderten friedlich mit ihren arabischen Nachbarn zusammenlebten. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs auch der Anteil europäischer Juden in Hebron, was besonders nach Beginn der britischen Mandatszeit und der zunehmenden Spannungen zwischen Zionisten und arabischen Nationalisten für Konflikte sorgte. Diese äußerten sich in vereinzelten Angriffen vor allem jugendlicher Araber auf jüdische Geschäfte, Störungen jüdischer Gebetsveranstaltungen in der Machpela-Höhle und anderen Pöbeleien. Hebron galt jedoch als vergleichsweise ruhig und unproblematisch, was ein Grund dafür war, dass die Hebroner Juden im Gegensatz zu Juden in anderen Städten Palästinas keine Maßnahmen zur Selbstverteidigung vorbereitet hatten.[1]

Auslöser

In Jerusalem eskalierte im August 1929 ein Streit um die Nutzung der Klagemauer. Dies hatte vor allem politische Gründe. Die beiden verfeindeten Nationalbewegungen der Juden und Araber hatten die Klagemauer gleichermaßen zum Prestigeobjekt erklärt und hielten dort Kundgebungen und Demonstrationen ab, die wiederum Gegendemonstrationen hervorriefen und zu blutigen Zusammenstößen führten. Am 23. August reisten Tausende bewaffneter arabischer Bauern vermutlich auf Initiative des damaligen Großmuftis und palästinensischen Nationalisten Mohammed Amin al-Husseini aus dem Jerusalemer Umland in die Stadt, um an einer Veranstaltung auf dem Tempelberg teilzunehmen. Nachdem nationalistische Redner die Menge aufgeheizt hatten, begannen schwere Krawalle und willkürliche Übergriffe auf jüdische Passanten. Jüdische Nationalisten antworteten mit nicht minder willkürlichen Racheakten. Beide Seiten setzten dabei auch Schusswaffen ein. Die britische Polizei hatte die Lage unterschätzt und zu spät Verstärkung angefordert, weshalb die Unruhen in der Stadt vorübergehend außer Kontrolle gerieten.[2]

Jüdischer Bewohner Hebrons nach dem Massaker
Zerstörtes Haus in Hebron

Das Massaker

In zahlreichen arabischen Dörfern und Städten wurde zeitgleich das Gerücht verbreitet, in Jerusalem seien Zionisten über betende Muslime hergefallen und hätten heilige islamische Stätten unter ihre Kontrolle gebracht. Während sich ein Teil einer aufgebrachten Menge in Hebron auf den Weg nach Jerusalem machte, kam es am 23. August zu ersten Übergriffen auf Hebroner Juden. Die Polizeikräfte, die auch in Hebron unterbesetzt waren, bezogen Stellung vor jüdischen Häusern und befahlen den Bewohnern, nicht ins Freie zu treten. Für den polnischstämmigen Jeschiwa-Studenten Schmuel Halewi Rosenholz kam die Anweisung zu spät. Er wurde auf offener Straße von Arabern gelyncht und war damit das erste Todesopfer.[3] Am Abend und in der Nacht kehrte vorübergehend Ruhe ein. Der leitende Offizier von Hebron, der Brite Raymond Cafferata, versuchte in der Nacht Verstärkung anzufordern, erhielt jedoch die Antwort, dass aufgrund der Krawalle in Jerusalem niemand abkömmlich sei.[4]

Am 24. August gegen 9:00 Uhr begann ein mit Beilen und Messern bewaffneter arabischer Mob, jüdische Häuser in Hebron zu stürmen und jüdische, teilweise aber auch arabische Geschäfte zu plündern. Cafferata gab den Befehl, in die Menge zu schießen, was zunächst ohne Wirkung blieb. Erst als die Polizisten dem Mob in die Häuser folgten, ebbte die Gewalt langsam ab.[5] Unter den 67 ermordeten Juden waren vor allem aschkenasische Männer, aber auch 12 Frauen und drei Kleinkinder unter fünf Jahren. Die Leichen waren zum Großteil verstümmelt, viele wurden vor ihrem Tod gefoltert, zahlreiche Frauen vergewaltigt. Zu den neun getöteten Arabern zählte auch ein arabischer Polizist, der sich an den Gräueltaten beteiligte und von Cafferata erschossen wurde, als er im Begriff war, eine Jüdin mit einem Dolch zu töten.[6]

Folgen und Urteile

Die überlebenden Hebroner Juden, die zum Teil von arabischen Nachbarn versteckt und damit gerettet wurden, wurden aus der Stadt evakuiert und mussten ihre Häuser und alles, was sie nicht tragen konnten, zurücklassen. Das Bestreben einiger Überlebender nach Hebron zurückzukehren wurde von den Briten aus Sicherheitsgründen abgelehnt. Auch um Entschädigungen bemühten sich die Opfer vergebens. Die juristische Aufarbeitung der Vorfälle durch die Briten war von der Angst geprägt, die Urteile könnten neue Unruhen hervorrufen. So verlangte der damalige Hochkommissar für Palästina, John Chancellor, von der Justiz eine politisch ausgewogene Entscheidung. Das Gericht kam seinem Wunsch nach und verzichtete sowohl bei der Beurteilung der Jerusalemer Unruhen als auch bei der Beurteilung der Massaker von Hebron und Safed auf konkrete Schuldzuweisungen. Dabei war aus den Aussagen von Cafferata und anderen beteiligten Polizisten klar hervorgegangen, dass arabische Führer in Hebron gezielt Gerüchte verbreiteten und nationalistische Reden hielten, um die Stimmung aufzuheizen und die Menge gegen Juden aufzubringen. Auch sagte Cafferata aus, einige lokale Clanführer aus dem Hebroner Umland hätten berichtet, Mufti al-Husseini habe von ihnen unter Strafandrohung verlangt, ihre Dorfangehörigen zu bewaffnen und sich an den Unruhen zu beteiligen.

Sanktioniert wurden letztendlich nur Einzeltäter. Von 25 wegen Mordes zum Tode verurteilten Arabern wurden drei hingerichtet. Die Todesstrafen der anderen wurden in lebenslängliche Haftstrafen umgewandelt. Zwei Juden wurden ebenfalls zum Tode verurteilt. Auch ihre Strafen wurden umgewandelt. Viele Täter des Massakers von Hebron konnten nicht ermittelt werden.[7]

Literatur

  • Tom Segev: Es war einmal ein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. Pantheon, München 1999 (übersetzt von Doris Gerstner), ISBN 3-570-55009-5.
  • Andreas Wagner: Die Juden Hebrons von der Lokalgesellschaft zur "Nationalen Heimstätte" (1904-1938): Die Desintegration einer peripheren jüdischen Gemeinde. Klaus Schwarz Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-87997-304-0.

Einzelnachweise

  1. http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/History/hebron29.html
  2. Tom Segev: Es war einmal ein Palästina - Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. Pantheon-Verlag, München 1999, ISBN 3-570-55009-5, S. 343.
  3. Tom Segev: Es war einmal ein Palästina - Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. Pantheon-Verlag, München 1999, ISBN 3-570-55009-5, S. 349.
  4. Tom Segev: Es war einmal ein Palästina - Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. Pantheon-Verlag, München 1999, ISBN 3-570-55009-5, S. 350.
  5. Tom Segev: Es war einmal ein Palästina - Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. Pantheon-Verlag, München 1999, ISBN 3-570-55009-5, S. 351-355.
  6. Tom Segev: Es war einmal ein Palästina - Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. Pantheon-Verlag, München 1999, ISBN 3-570-55009-5, S. 355.
  7. Tom Segev: Es war einmal ein Palästina - Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. Pantheon-Verlag, München 1999, ISBN 3-570-55009-5, S. 360-361.

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