Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten

Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten

Als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten bezeichnet man eine missbräuchliche Ausnutzung des Steuerrechts zum Zwecke der Steuerumgehung bzw. Steuerminderung. Nach § 42 Abgabenordnung ist in einem solchen Fall die Steuer so zu erheben, wie sie bei einer angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten liegt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs[1] vor, wenn

  • eine Gestaltung gewählt wird, die unangemessen ist das angestrebte Ziel zu erreichen,
  • die gewählte Gestaltungsmöglichkeit der Steuerminderung oder Steuerumgehung dienen soll und
  • durch wirtschaftliche bzw. nichtsteuerliche Gründe nicht gerechtfertigt werden kann.
Beispiel
Der Steuerpflichtige A ist Eigentümer eines Grundstücks, das er seinem Bruder B verkaufen will. Das Grunderwerbsteuergesetz sieht teilweise Steuerbefreiungen bei Veräußerung zwischen nahen Angehörigen vor (z.B. Veräußerung von Grundstücken zwischen Verwandten in gerader Linie gem. § 3 Nr. 6 GrEStG). Eine Steuerbefreiung bei Veräußerung zwischen Geschwistern existiert jedoch nicht. Daher veräußert A das Grundstück an seinen Vater (Verwandter in gerader Linie) und dieser veräußert an seinen zweiten Sohn B (ebenfalls Verwandter in gerader Linie). Hierdurch wird nach der grammatikalischen Auslegung des § 3 Nr. 6 GrEStG jeweils Steuerbefreiung für den erfolgten Erwerbsvorgang erzielt. Die Finanzbehörde besteuert in diesem Fall jedoch die „fiktive“ Veräußerung von A an B, da die gewählte Veräußerung über den Vater allein der Steuerumgehung dient und nicht durch wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt werden kann. Indiz für den rechtlichen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten können zum Beispiel mehrere kurz aufeinanderfolgenden Rechtsgeschäfte sein.

Nur in besonders gelagerten Fällen kann eine missbräuchliche Gestaltung des Rechts angenommen werden, d.h. es steht dem Steuerbürger zu seine steuerlichen Angelegenheiten dergestalt zu regeln, dass möglichst wenig Steuern zu zahlen sind. Deshalb ist zu beachten, dass der Wille durch eine gewählte Gesetzesgestaltung Steuern zu sparen noch kein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 AO darstellt. Auch braucht die Umgehungsabsicht nicht das alleinige Motiv der gewählten Gestaltung zu sein.[2] Vielmehr genügt es bereits, dass die Absicht die Steuern zu umgehen die gewählte rechtliche Gestaltung maßgeblich mitbestimmt hat. Entscheidend ist zudem, dass in der Absicht gehandelt wurde Steuern zu sparen und dabei einen rechtlich ungewöhnlichen Weg zur Erreichung des Ziels die Steuern zu umgehen oder ganz zu sparen gewählt wurde. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ist immer dann gegeben, wenn die gewählte Gestaltungsmöglichkeiten offensichtlich unangemessen ist. Weiterhin muss die missbräuchliche Gestaltungsabsicht von der Finanzbehörde eindeutig nachgewiesen werden, das bloße Vorliegen von Anhaltspunkt für eine vorliegende missbräuchliche Gestaltungsmöglichkeit genügt insofern nicht.

Einzelnachweise

  1. BFH-Urteil vom 26. März 1996, BStBl. 1996 II S.433.
  2. Ax / Große / Melchior, AO und FGO (Blaue Reihe), S. 130, Rz. 612.

Literaturverzeichnis

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