- Briefkastengesellschaft
-
Eine Briefkastengesellschaft (Briefkastenunternehmen) ist eine Gesellschaft, die an ihrem satzungsmäßigen Sitz nur einen Briefkasten unterhält, während die Geschäftsführung an einem anderen Ort, dem Verwaltungssitz, stattfindet. Aus Gründen des internationalen Privatrechts existieren Briefkastengesellschaften vornehmlich im Rechtskreis des Common Law. Im kontinentalen Rechtskreis sind aber auch niederländische, schweizerische und vor allem liechtensteinische Briefkastengesellschaften anzutreffen.
Der gegenwärtige Umbruch im europäischen Gesellschaftskollisionsrecht ermöglicht jedoch darüber hinaus Briefkastengesellschaften aus allen EU- und EWR-Mitgliedstaaten. In Folge der EuGH-Urteile Daily Mail, Centros, Überseering und Inspire Art muss Deutschland die nach dem Recht dieser Staaten wirksam gegründeten Gesellschaften anerkennen, auch wenn der Verwaltungssitz in Deutschland liegt. Es ist Deutschland damit versagt, in solchen Fällen die Sitztheorie anzuwenden, nach der ggf. ausländischen Gesellschaften die Rechtsfähigkeit als juristische Person versagt wird.
Traditionell dienen Briefkastengesellschaften der Anonymität und der Steuergestaltung, vor allem aber auch der Steuerhinterziehung oder allgemein der Verschleierung von Geldströmen. Auch werden solche Gesellschaften zum Zweck des Betruges oder anderer Straftaten in Ländern eingerichtet, in denen keine Strafverfolgung zu befürchten ist. Viele Jahre ermöglichten sie vor allem innerhalb der EU, die stark regulierten kontinentalen Rechtsformen zu umgehen und so z. B. das Stammkapital (von 25.000 € Haftungssumme zur Gründung einer GmbH in Deutschland) zu sparen. Der Gesetzgeber versuchte dieser Gestaltungsmöglichkeit durch die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) beizukommen.
Steuergestaltung und Steuerhinterziehung
Unternehmen versuchen durch die Einschaltung ausländischer Gesellschaften oder Betriebsstätten die Steuerlast durch die Wahl geeigneter Standorte zu senken. Für das steuerliche Gestaltungsziel ist die steuerliche Anerkennung als im Ausland ansässige Gesellschaft erforderlich. Die Voraussetzungen für eine steuerliche Anerkennung einer ausländischen Gesellschaft sind nicht erfüllt, wenn diese eine so genannte Briefkastengesellschaft (Das internationale Steuerrecht spricht von einer Basisgesellschaft, üblich sind auch die Bezeichnungen: Sitz-, Domizil- oder Zwischengesellschaft) darstellt. Derartige Gesellschaften werden, auch wenn eine gesellschaftsrechtlich wirksame Gründung vorliegt, steuerrechtlich ignoriert. Die Einkünfte einer Basisgesellschaft werden unmittelbar ihren Gesellschaftern zugerechnet, das ergibt sich aus der allgemein steuerlichen Missbrauchsvorschrift des § 42 Abgabenordnung (AO).
Aus steuerrechtlicher Sicht ist eine Basisgesellschaft durch folgende Bestandteile beschrieben: Basisgesellschaften sind in der Regel ausländische Kapitalgesellschaften, da nur eigenständige Rechtsträger, die weder im Inland ihren Sitz noch den Ort der Geschäftsleitung haben den Zweck der Abschirmung der Gewinne erzielen können. Aufgrund der Absicht ein Steuergefälle zu nutzen, hat die Basisgesellschaft in der Regel ihren Sitz in einem Niedrigsteuerland. Basisgesellschaften unterhalten keinen eigenen nennenswerten Geschäftsbetrieb, die Geschäftstätigkeit geht über die bloße Vermögensverwaltung meist nicht hinaus. In der Regel handelt es sich um Verkaufs-, Einkaufs-, Finanzierungs-, Patentverwertungs- oder Holdinggesellschaften.
Der Bundesfinanzhof (BFH) ging mehrfach der Frage nach, wann von derartigen Basisgesellschaften auszugehen ist und ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO vorliegt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung wird von einem Tatbestand des Rechtsmissbrauch ausgegangen, wenn für die Zwischenschaltung von Briefkastenunternehmen in der Form einer Kapitalgesellschaft im niedrig besteuerten Ausland wirtschaftliche oder sonst beachtlich außersteuerliche Gründe fehlen. Das Fehlen wirtschaftlicher Gründe wird in der Regel angenommen, wenn die ausländische Gesellschaft jeweils über keine eigenen Büroräume, über keine geeigneten Telefon- und Telefaxanschlüsse, über kein eigenes Personal und keinen Geschäftsbetrieb verfügt.
Als Scheinunternehmen (oft fälschlich auch Scheinfirma genannt) wird hingegen eine Gesellschaft bezeichnet, die in Wirklichkeit gar nicht existiert. Regelmäßig erfolgt die Verwendung von Namen oder Adresse eines solchen angeblichen Unternehmens zur Anonymisierung bzw. zur Vorspiegelung von Seriosität. Scheinunternehmen werden daher fast immer für illegale Zwecke genutzt.
Briefkastenbank
Bei Kreditinstituten in Form einer Briefkastengesellschaft spricht man von einer Briefkastenbank.
Quellen
- Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rz 10, 33.
- BFH BStBl. 2001 II 222.
- BFH IStR 2002, 568, 569, 570.
Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten! Kategorien:- Unternehmensart
- Internationales Steuerrecht
Wikimedia Foundation.