Multizelluläre Tumorsphäroide

Multizelluläre Tumorsphäroide

Die Bezeichnung Multizelluläre Tumorsphäroide auch Tumorsphäroide, Sphäroide – (von engl.: „multicellular tumour spheroids“, MCTS) steht in der Zellbiologie für kugelförmige Aggregate, die aus mehreren Tausend Tumorzellen entstehen.

Multizelluläre Tumorsphäroide finden in Zellkulturlabors Anwendung als in-vitro Modell[1] zur Untersuchung von Tumorerkrankungen sowie zur Etablierung neuer therapeutischer Ansätze.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Anfang des 20. Jahrhunderts leisteten Holtfreter[2] und später Moscana[3] die Pionierarbeit bei ihren Studien an sphärischen Aggregaten, die aus vereinzelten Embryo- sowie malignen Zellen entstanden. Später beschrieben Sutherland und Kollegen erste Bestrahlungsversuche an MCTS[4], und etablierten diese als in-vitro Modell für systematische Untersuchungen an Tumorzellen.[5]

Generierung

Oftmals zeichnen sich maligne Zelllinien dadurch aus, dass sie multizelluläre Sphäroide ausbilden können. Sphäroide lassen sich generieren, indem man eine Suspension von Zellen auf eine mit Agarose beschichtete Petrischale aussät. Nach einigen Tagen bilden sich mehrere kleine Tumorsphäroide, die jedoch unterschiedliche Durchmesser besitzen und nach Größe separiert werden müssen. Um eine einheitliche Sphäroidgröße zu gewährleisten, werden in einer alternativen Versuchsanordnung gleiche Volumen an Tumorzellsuspensionen in agarosebeschichtete Wells einer Mikrotiterplatte pipettiert. Es entsteht schließlich pro Well an der tiefsten Stelle der Krümmung jener Agaroseoberflächen nur ein Sphäroid. Des Weiteren können Sphäroide nach Initiierung auch in Spinnerflaschen überführt werden, wodurch eine bessere Nähr- und Sauerstoffversorgung der Zellen gewährleistet wird. Manche Zelllinien können auch direkt aus einer in Spinnerflaschen kultivierten Zellsuspension heraus Sphäroide ausbilden.

Eigenschaften

MCTS besitzen eine kugelförmige Struktur. Die Proliferationsrate der Zellen in einem Sphäroid korreliert mit der Verfügbarkeit an Nährstoffen und Sauerstoff.[6] Die äußere Schicht des Sphäroids besteht aus proliferierenden Tumorzellen. Die mittlere Schicht wird durch Zellen gebildet, die sich in der G0-Phase befinden. Aufgrund des zum Zentrum hin fallenden Nährstoff-, Metabolit- und Sauerstoffgradienten, kommt es in zentrumsnaher Umgebung zur Ausbildung einer Zentralnekrose.

MCTS in der Anwendung

MCTS imitieren Minimetastasen und Bereiche solider Tumoren in vivo, und stellen damit ein komplexeres und der in vivo Situation ähnlicheres Modell für eine Vielzahl von Anwendungsgebieten in der Tumorzellforschung dar, als Monolayerzellkulturen und Suspensionszellkultur. So gewinnen MCTS eine zunehmende Bedeutung in der Physiologie und Zellbiologie, sowie in der Immunologie, Molekularbiologie und Neurophysiologie. Gegenüber Xenograftmodellen ermöglichen MCTS durch einen gut kontrollierbaren Versuchsaufbau mit hoher Stückzahl eine hohe Durchsatzrate an Versuchen.[7] Über das in-vitro Modell kann man weitreichende Erkenntnisse über das Expressionsverhalten, die Signaltransduktion und den Metabolismus[8] einer Zelllinie im dreidimensionalen Zellverband gewinnen. Ein breites Spektrum an potenziellen Anti-Tumor-Therapeutika können mit MCTS auf ihre Wirksamkeit getestet werden. Als Beispiele sind Naturstoffextrakte aus Grünem Tee zu nennen.[9] Ebenso können Makromoleküle[10] z.B. in Form von polymeren Nanopartikeln auf ihr zytotoxisches Verhalten gegenüber Tumorsphäroide untersucht werden. Auch in der Tumorimmunologie nehmen MCTS zunehmend eine Schlüsselposition ein. So kann die Effizienz von therapeutischen Antikörpern bei der Aktivierung des Immunsystems untersucht werden, wenn man diese mit MCTS und PBMCs (von engl.: „Peripheral Blood Mononuclear Cell“, „Periphere mononukleäre Blutzellen“) kokultiviert.

Quellen

  1. Wolfgang Mueller-Klieser: Three-dimensional cell cultures. From molecular mechanisms to clinical applications. In: American Journal of Physiology. Band 273, Nr. 4, 1997, C1109–C1123, PMID 9357753
  2. J. Holtfreter et al.: A study of the mechanism of gastrulation. In: Journal of Experimental Zoology. Band 95, 1944, S. 171–212.
  3. A. Moscona et al.: The development in vitro of chimeric aggregates of dissociated embryonic chick and mouse cells. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 57, 1952, S. 184–194. PMID 16589996
  4. R. E. Durand und R. M. Sutherland: Radiation studies with spheroids. In: Recent Results Cancer Res. Band 95, 1984, S. 103, PMID 6396754
  5. R. M. Sutherland und R. E. Durand: Growth and cellular characteristics of multicell spheroids. In: Recent Results Cancer Res. Band 95, 1984, S. 24–49, PMID 6396760
  6. W. Mueller-Klieser, J. P. Freyer und R. M. Sutherland: Influence of glucose and oxygen supply conditions on the oxygenation of multicellular spheroids. In: British Journal of Cancer. Band 53, 1986, S. 345–353, PMID 3964538
  7. L. A. Kunz-Schughart, J. P. Freyer, F. Hofstaedter und R. Ebner: The use of 3-D cultures for high-throughput screening: the multicellular spheroid model. In: Journal of Biomolecular Screening. Band 9, 2004, S. 273–285, PMID 15191644
  8. Stefan Walenta, Joerg Doetsch, Wolfgang Mueller-Klieser, Leoni A. Kunz-Schughart: Metabolic imaging in multicellular spheroids of oncogene-transfected fibroblasts. In: Journal of Histochemistry and Cytochemistry. Band 48, 2000, S. 509–522, PMID 10727293
  9. W. Mueller-Klieser, S. Schreiber-Klais, S. Walenta, M. H. Kreuter: Bioactivity of well-defined green tea extracts in multicellular tumor spheroids. In: International journal of oncology. Band 21, 2002, S. 1307–1315 PMID 12429982
  10. G. Fracasso und M. Colombatti: Effect of therapeutic macromolecules in spheroids. In: Critical Reviews in Oncology Hematology. Band 36, 2000, S. 159–178, PMID 11033304

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