Chemosensitivität

Chemosensitivität

Der Begriff Chemosensitivität bezeichnet in der Medizin die Empfindlichkeit von Krebszellen gegenüber wachstumshemmenden Substanzen, den so genannten Zytostatika, die im Rahmen der Chemotherapie eingesetzt werden. Die Chemosensitivität von Krebszellen entscheidet häufig mit über den Erfolg der Chemotherapie und hängt von zahlreichen Faktoren ab: So wirken Cytostatika aus der Gruppe der Alkylantien über eine Veränderung des Erbguts der Tumorzellen; die Aktivierung von DNA-Reparaturenzymen in Tumoren kann hier zu einer verringerten Chemosensitivität beitragen. Auch ein verminderter Transport von Cytostatika in das Zellinnere, deren Inaktivierung oder auch die fehlende Expression von wirkungsvermittelnden Rezeptoren kann zu einer Verringerung der Chemosensitivität des Tumors und somit zu einem Ausbleiben des Therapieerfolgs führen.

Neben der Chemosensitivität gibt es auch den Begriff der Chemoresistenz. Dieser Begriff beschreibt die Fähigkeit von Zellen gegenüber einem Chemotherapeutikum unempfindlich zu sein.

Inhaltsverzeichnis

Testung

Die Chemosensibilität von Tumorzellen kann auch experimentell in vitro untersucht werden (Tumor Chemosensitivity Assay).

Historie

In dem Versuch die Ansprechraten von Therapien und das Überleben der Patienten zu verbessern haben Wissenschaftler über die letzten 60 Jahre in vitro Medikamentenansprech-Systeme entwickelt, um die potentielle Aktivität von Chemotherapeutika für einen bestimmten Patienten vor dessen Behandlung zu ermitteln. Die zentrale Hypothese, die diesem Ansatz unterliegt, ist, dass sich das Profil für das Ansprechen von Medikamenten für jeden individuellen Patienten unterscheidet basierend auf seiner intrinsischen genetischen Vielfalt und der Entwicklung von Subklonen innerhalb des Tumors, die divergente Phänotypen haben (Goldie und Coldman, Iyer und Ratain). In vitro Testungen, die individuale Unterschiede in Verhalten von Tumoren gegenüber Medikamenten identifizieren können, machen es möglich Patienten spezifische Regime zusammen zu stellen, die gegen die Tumorcharakteristiken eines entsprechenden Patienten gerichtet sind. Durch das Weglassen von ineffektiven Therapeutika werden dem Patienten toxische Behandlungen ohne Benefit erspart, während die Auswahl von Medikamenten die aktiv in vitro sind, die Wahrscheinlichkeit des Ansprechens erhöhen können. Obwohl dieser Ansatz offensichtlich attraktiv ist, mussten erst einige technische Hürden genommen werden, um diesen Ansatz in die Standardpraxis zu übernehmen.

Colony Forming Assay

Ein Ansatz wurde von Puck und Marcus entwickelt. Sie benutzten ein Agarose-basiertes Zellkultur-System, welches preferentiell das Wachstum von transformierten Zellen unterstützt, während nicht-transformierte Zellen nicht proliferieren (Puck und Marcus). Ihre Erkenntnisse führten zum Agarose-basierten humanen Tumorstammzellen-Chemosensitivitätstest (auch „Colony Forming Assay“ genannt) in den frühen 1970ern (Salmon et al.). Dieser Chemosensitivitätstest hatte jedoch technische Schwierigkeiten und so lag die erfolgreiche Durchführungkeit des Tests bei unter 50% mit einer Testdauer von bis zu drei Wochen.

Thymidin-Einbau-Test

In den späten 70er und frühen 80er Jahren machten es Fortschritte bei der Technologie der Szintillationszähler möglich, relativ einfach und genau den Einbau von Tritium-markierten Thymidin in sich teilende Zellen im Zellkultursystemen zu messen. Radioaktiv-markiertes Thymidine wurde schon seit den 60er Jahren verwendet, um bakterielle Proliferation zu verwenden (Brock). Aufnahme von Tritium-markierten Thymidin als ein Endpunkt für das Verhalten der Tumorzellen auf Chemotherapien korreliert gut mit den Resultaten des „Colony Forming Assays“ in Softagar (Johnson und Glaubiger, Sondak). Die Kombination von Agarose basierten Kulturen mit dem Thymidin-Einbau-Endpunkt resultierte in der dritten Technologiegeneration, die eine erfolgreiche Durchführungkeit des Tests bei über 85% der Messungen bei einer Testdauer von 5 Tagen ermöglichte (Sondak et al, Metha et al).

Extreme Drug Resistance (EDR)-Test

Der EDR-Test entwickelte sich basierend auf dem Thymidin-Einbau-Test und der Erkenntnis, dass Chemoresistenzen genauer vorherzusagen sind als Chemosensitivitäten (Fruehauf und Bosanquet). Durch die Methode des Thymidin-Einbau wurde eine hohe Durchführbarkeit erreicht. Durch die Kombination der Methode des Thymidin-Einbaus und der Verwendung von Agarose sind die Resultate spezifisch für die Proliferation von Tumorzellen mit einer minimalen Beeinflussung durch Fibroblasten, Normalzellen, mesotheliale Zellen oder andere Stromazellen. Durch eine extrem lange Expositionszeit der Tumorzellen mit hohen Konzentrationen des Therapeutikums wurde der Test sehr bewusst in die Richtung einer Resistenzaussage verändert. Durch dieses Design des Tests wurde die Spezifität des Diagnostikums maximal verbessert. D.h., wenn ein Medikament als nicht wirksam getestet wird ist dieses Medikament auch zu über 97 % in der Klinik unwirksam (Fruehauf und Bosanquet, Chu und DeVita). Daher wird dieser Test auch sehr bewusst als Chemoresistenz-Test oder Chemotherapie-Resistenz-Test (CTR) bezeichnet.

Untersuchung der Tumorchemosensitivität (UTC-Test)

Patienten mit Tumorerkrankungen des gleichen histologischen Typs können erhebliche Unterschiede im Ansprechen auf eine Chemotherapie zeigen. Oftmals kann die Erkrankung durch die erste Therapie nicht vollständig besiegt werden, so dass weitere Therapien („Second-Line“ und „Third-Line“ mit anderen Medikamenten) notwendig werden. Die Wirksamkeit der Zytostatika lässt sich mit dem UTC vorhersagen, dies gilt insbesondere auch für die Nichtwirksamkeit. Damit wird ein optimaler Behandlungserfolg bei der Tumortherapie greifbar.

Lebende Tumorzellen des Patienten werden „im Reagenzglas“ (in vitro) mit Chemotherapeutika versetzt, die der Onkologe speziell für die Erkrankung auswählt. Nach einigen Tagen wird die Vitalität der Tumorzellen im Labor bestimmt. Das Medikament bei dem die wenigsten Tumorzellen überlebt haben, ist das Wirksamste. Wenn ein ausgewähltes Medikament oder die Kombination unter den Laborbedingungen keine Effektivität zeigt, spricht man von einer Resistenz und die Wirksamkeit gegen den Tumor ist sehr unwahrscheinlich.

Somit bietet der Test eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Wahl der richtigen Behandlung. Der Test hat sich seit Jahren bei soliden Tumoren wie z. B. Brustkrebs, Ovarialkarzinom, Dickdarmtumoren, Pankreaskrebs, Lungenkrebs und anderen Tumoren bewährt. Vorteile der Untersuchung sind:

  • Optimierung der Chemotherapie[1]
  • Test von Kombinationsschemata möglich, höhere Ansprechraten[2]
  • längeres Überleben[3]
  • Vorhersagewert für die Wirksamkeit, z. B. beim Mammakarzinom ca. 80 %[4] und beim Ovarialkarzinom ca. 85–90 %[5]
  • Turmorresistenzen lassen sich mit annähernd 100%iger Sicherheit voraussagen[6]

Einzelnachweise

  1. Neubauer et al., Anticancer Res. 28, 949 (2008)
  2. Lau et al., Biomed Pharmacother 61, 562 (2007)
  3. Chen et al., Ai Zheng 24, 1018 (2005)
  4. Cree et al., Anti-Cancer Drugs 7, 630 (1996)
  5. Konecny et al., Gynecologic Oncol. 77, 258 (2000)
  6. Kurbacher et al., Methods Mol Med 110, 101 (2005)
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