Cheng-fa

Cheng-fa

Die drei Zeitalter bzw. drei Zeiten (skt. tri-kāla; tib. dus gsum; chin. 三時, sānshí, W.-G. san-shih; jap. sanji) sind ein im chinesischen Buddhismus geprägtes Konzept zur absteigenden Einteilung der Wirkungsgeschichte der Lehren (Dharma) eines Buddhas (zumeist des historischen Buddhas Siddhartha Gautama) nach dessen Scheiden aus der Welt. Es ist auch als Amalgamierung der einzelnen Namen der Zeitalter unter der Bezeichnung Zhengxiangmo (chin. 正像末, zhèngxiàngmò, W.-G. cheng-hsiang-mo; jap. shōzōmatsu) bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Einteilung

Unterschieden wird dabei zwischen

  1. der wahren, bzw. orthodoxen Lehre (skt. samyag-dharma; avitatha, ānudhārma, uccāraṇa, dharmatā, dharma-deśanā, dharma-netrī, dharma-paryāya, dhārmika, dhārmikī, naya, niṣyanda-dharma, netrī, pravacana, prāvaccana, buddha-dharma, buddha-netrī, śasana; chin. 正法, zhèngfǎ, W.-G. cheng-fa, jap. shōbō): Doktrin, Praxis und Erleuchtung sind möglich. Diese Periode dauert je nach Auslegung entweder 500 oder 1000 Jahre an.
  2. der formal ähnlichen bzw. scholastischen Lehre (skt. saddharma-pratikṣepa, saddharma-pratirūpaka; chin. 像法, xiàngfǎ, W.-G. hsiang-fa; jap. zōhō bzw. zōbō): Doktrin und Praxis sind möglich, aber es gibt keine Erleuchtung mehr. Diese Periode dauert je nach Auslegung entweder 500 oder 1000 Jahre an.
  3. der späten und bereits verfallenden Lehre (skt. saddharma-vipralopa, carima-kāla; chin. 末法, mòfǎ, W.-G. mo-fa; jap. mappō): Es existiert nur noch die Doktrin, sowohl Praxis als auch Erleuchtung sind nicht mehr möglich. Diese Periode dauert 10.000 Jahre an. Nachdem sie endet, verschwindet zuletzt selbst die Doktrin Buddhas.

Entwicklung und Verbreitung

Der Ursprung der Lehre liegt in Indien, war aber dort noch zu keiner spezifischen Systematisierung gelangt. Hauptsächlich wurde dabei der Begriff des ersten Zeitalters verwendet, um Kritik an diversen Entwicklungen in den buddhistischen Gemeinschaften (sangha) unter einen Allgemeinbegriff zu fassen und diese somit als Abkehr von der wahren Lehre Buddhas charakterisieren zu können. Früheste Schriften, in denen diese Thematik begrifflich vorkommt, sind u. a. das Saṃyutta Nikāya und das „Cakkavatti-sīhanāda Suttanta“ im Dīgha Nikāya.

Unter dem Eindruck der buddhismusfeindlichen Herrschaft des Huṇa-Königs Mihirakula von 518 bis 529 entstanden die beiden Sutras Sūryagarbha und Candragarbha, die im 6. Jahrhundert von Narendrayaśas ins Chinesische übersetzt und später in das Mahāyānābhisamaya sūtra integriert wurden. Letzterer Text wurde von Jñānayaśas (564–572) ins Chinesische übersetzt (大乘同性經, Dàshéng tóngxìng jīng, W.-G. Ta-sheng t'ung-hsing ching; jap. Daijō dōshō kyō) und bildete einen der grundlegenden Texte für die Entwicklung der Endzeitideologie im chinesischen und japanischen Buddhismus.

Zur Systematik wurde die Lehre erst im China des 6. Jahrhunderts ausgearbeitet. Eine erste Zuteilung der drei Zeitalter zu konkreten Zeiträumen der Menschheitsgeschichte wurde von Huisi (慧思, Huìsī; 515–577) vorgenommen, dem zweiten Patriarchen der Tiantai zong. Für ihn war das letzte Zeitalter bereits eingetreten. Wenig später erhielten diese Thesen besonderes Gewicht in den buddhistischen Gemeinschaften Chinas, als unter Kaiser Wu der Nördlichen Zhou-Dynastie von 574 bis 577 eine große Buddhistenverfolgung stattfand.

Aufgrund der Annahme von seiner Gegenwart als dem Zeitalter der Degeneration des Dharma entwickelte Xinxing (信行, xìnxíng; 540–594) die dreistufige Lehre (三階教, Sānjiē jiào), in der die Auswahl verschiedener buddhistischer Doktrinen abhängig vom Lernvermögen bestimmt und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Lernunfähigen als charakteristische Wesen dieses Zeitalters gelegt wurde.

Auch die Meister des chinesischen Amitabha-Buddhismus Daojo (道綽; 562–645) und Shandao (善導, Shàndǎo; 613–681) waren überzeugt, im mòfǎ geboren worden zu sein.

In Japan war das Konzept bereits seit der Nara-Zeit bekannt, erfuhr aber erst in der sozial und politisch chaotischen Zeit des mittelalterlichen Japan (ab der späten Heian-Zeit) eine weite Verbreitung in den religiösen Lehren der buddhistischen Schulen. Als ungefähres Anfangsdatum des mappō galt zumeist das Jahr 1055. Es wurde spätestens seit diesem Zeitraum zu einer theoretischen Grundlage für verschiedene Strömungen im japanischen Buddhismus, insbesondere für die neuen Massenbewegungen der Kamakura-Zeit (Amida- und Nichiren-Buddhismus). Ablehnung hingegen erfuhr es z. B. durch den Zen-Meister Dōgen.

Die Mappō-Ideologie (末法思想, mappō shisō) war ebenfalls wichtig für die alten Schulen des Nara-Buddhismus, wenn auch ihre Vertreter (darunter Jōkei, Eison, Ninshō, Jitsuhan, Kainyo, Kakushin, Kakujō, Shunjō und Donshō) nicht wie die Reformer der neuen Schulen eine praktische Ergebung in die Zeit des Niedergangs, sondern stattdessen eine Rückkehr zu alten Idealen formulierten. Dies äußerte sich u.a. in einer Renaissance der Shaka-Verehrung und einer (insbesondere durch die Risshū initiierten) Bewegung für die Restauration der klösterlichen Mönchsregeln (Vinaya).

Amitabha-Buddhismus

Eine besonders wichtige Rolle spielen die drei Zeitalter im Amitabha-Buddhismus: Da es im letzten Zeitalter (in der die Menschheit sich diesem System zufolge gegenwärtig befindet) keine realistische Aussicht darauf gebe, dass die Menschen Erleuchtung erlangen können, müsse den leidenden Wesen im Geiste der Doktrin des Buddhas eine andere Aussicht gegeben werden. Diese besteht für den Amitabha-Buddhismus in dem Eintritt in das Reine Land (skt. Sukhavati) des Buddhas Amitabha.

Da die Menschen auch die traditionellen buddhistischen Praktiken nicht mehr erlernen oder ausüben könnten, müsse ihnen dazu auch ein anderes Mittel gegeben werden. Dies besteht im Amitabha-Buddhismus in dem völligen Vertrauen in bzw. in der Hoffnung auf die „Kraft des Anderen“, d.h. die Kraft Amitabhas, alle empfindungsfähigen Lebewesen in sein Reines Land aufzunehmen.

Nichiren-Buddhismus

Die Mappō-Ideologie war von eminenter Wichtigkeit für den buddhistischen Reformer Nichiren. Während seiner Zeit als Tendai-Mönch auf dem Hieizan entwickelte er das Kernstück seiner religiösen Lehre: Im Zeitalter der Degeneration der Lehre Buddhas vermöge einzig und allein das Hokke-kyō den Menschen noch Hoffnung auf Erlösung aus dem Kreislauf des Leidens (rinne) zu bieten. Die Verbreitung des Lotos-Geistes und damit die Errettung Japans verstand Nichiren als seine heilige Aufgabe, da der historische Buddha seine Lehre in diesem Zeitalter nicht mehr vermitteln könne.

Literatur

  • Daigan Lee Matsunaga und Alicia Orloff Matsunaga: Foundation of Japanese Buddhism; Vol. I; The aristocratic age. Buddhist Books International, Los Angeles und Tokio 1974. ISBN 0-914910-25-6.
  • Daigan Lee Matsunaga und Alicia Orloff Matsunaga: Foundation of Japanese Buddhism; Vol. II; The mass movement (Kamakura & Muromachi periods). Buddhist Books International, Los Angeles und Tokio 1976. ISBN 0-914910-27-2.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Cheng — ist der Familienname folgender Personen: Cheng Bugao (1893/1906–1966), chinesischer Regisseur Cheng Chemin (* 1924), chinesischer Physiker Cheng Cong Fu (* 1984), chinesischer Rennfahrer Cheng Enfu (* 1950), chinesischer… …   Deutsch Wikipedia

  • Cheng Pu — General of Sun Quan Names Simplified Chinese 程普 Traditional Chinese 程普 Pinyin Chéng Pǔ Wade Giles …   Wikipedia

  • Cheng Pu — Cheng Pu, 程普, Chéng Pǔ, war ein General der Wu Dynastie unter Sun Jian, Sun Ce und Sun Quan während der Zeit der Drei Reiche im alten China. Cheng Pu diente drei Herrschern der Sun Familie als General und war berühmt für seinen Umgang mit dem… …   Deutsch Wikipedia

  • Cheng —   [tʃ ], Ch eng [tʃ ], Gebrüder, zwei chinesische Philosophen, die Brüder Cheng Hao (oder Cheng Mingdao), * 1032 ✝ 1085, und Cheng Yi (oder Cheng Yichuan), * 1033, ✝ 1108, die im Neokonfuzianismus ein naturhaft moralisches Weltprinzip (Li) in den …   Universal-Lexikon

  • Cheng Pu — servit trois générations de la famille Sun à titre de général, maniant sa fameuse lance serpentée. Lorsque Sun Jian attaque Hua Xiong à la Passe de la Rivière Si dans le conflit contre Dong Zhuo, Cheng Pu tue Hu Zhen et permet à Sun Jian… …   Wikipédia en Français

  • Chéng — Cheng Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Cheng est un monosyllabe chinois présent notamment dans les noms de : Personnes Cheng Lian, général sous Lu Bu, pendant la période des Trois… …   Wikipédia en Français

  • Cheng Wu — Traditional Chinese 程武 Simplified Chinese 程武 Transcriptions …   Wikipedia

  • Cheng — may refer to: Cheng (surname), Chinese surname Cheng County, in Gansu, China Cheng (musical instrument), an ancient Chinese musical instrument Cheng Township, in Malacca, Malaysia Cheng Han, a common name for the Chinese state of Cheng (304 338… …   Wikipedia

  • Cheng Yu — (140 220) est un conseiller de Cao Cao, puissant seigneur de guerre chinois de la fin de la dynastie Han en Chine antique. Il joint les rangs de Cao Cao sur la recommandation de Xun Yu. Dès l’an 193, lorsque Cao Cao part en expédition contre Tao… …   Wikipédia en Français

  • Cheng Yi — may refer to: Cheng Yi (Han Dynasty), a late Han Dynasty general Cheng Yi (Tang Dynasty), a Tang Dynasty chancellor Cheng Yi (philosopher) (1033 1107) This disambiguation page lists articles associated with the same personal name. If an …   Wikipedia

  • Cheng I — (1765 – 1807) [1] (鄭一, pinyin: Zhèng Yī, Cantonese: Jihng Yāt, also romanised as Zheng Yi) was one of the most powerful chinese pirate along the Chinese coast during the 19th century. He and his wife Ching Shih, an prostitute who he fell in love… …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”