Oratorium des Hl. Filippo Neri

Oratorium des Hl. Filippo Neri
Die Südfassade des Gebäudes, links neben Santa Maria in Vallicella

Das Oratorium des Hl. Filippo Neri (italienisch Oratorio di S. Filippo Neri, häufig auch Oratorio dei Filippini, nach einer Quelle auch Oratorio dei Filippi[1]) ist ein Gebäudekomplex in Rom. Er entstand im Wesentlichen im 17. Jahrhundert und gilt als eine der Hauptarbeiten[2] Francesco Borrominis. Sowohl der ihn beauftragende Orden als auch das Gebäude selbst wurden Namensgeber für die musikalische Gattung des Oratoriums.[3][4] Berühmt ist der Bau für seine Südfassade. Er enthält zudem die Biblioteca Vallicelliana, die älteste öffentliche Bibliothek Roms.[5]

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Gebäude liegt im VI. römischen Rione Parione, unmittelbar neben der geistlich und baulich eng verwandten Kirche Santa Maria in Vallicella, bekannt als Chiesa Nuova.

Geschichte und Baugeschichte

Nach Gründung des Ordens der Oratorianer durch den Heiligen Philipp Neri 1561 und der Bestätigung durch Papst Gregor XIII. 1575 legte der Ordensgründer großen Wert auf geistliche Übung durch das Singen einfacher Volksweisen wie auch durch szenischen Gesang.[6] Daher wurde, neben dem Neubau von Santa Maria in Vallicella, auch ein Neubau eines hierfür geeigneten Gebäudes mit entsprechenden Räumlichkeiten notwendig. Nach einem Wettbewerb[1] vom Orden beauftragt wurde zunächst Paolo Marucelli, er entwickelte von 1620 bis 1627 Pläne und führte die Arbeiten von 1629 bis 1637. Im Mai dieses Jahres wurde ihm, aus unbekannten Gründen, vielleicht wegen eines erneuten Wettbewerbs,[7] Borromini zunächst als zweiter Architekt zur Seite gestellt. Marucelli verzichtete noch im selben Jahr auf die weitere Ausführung. Von Borromini stammen die Südfassade, der Hauptsaal, teilweise die Innenhöfe, das Refektorium, die Treppenanlage, die Bibliothek und der Uhrturm auf der Nordseite. Die Bauarbeiten waren bis auf Kleinigkeiten 1650 abgeschlossen, nach einer anderen Quelle erst 1662.[5] Die letzten Arbeiten am Uhrturm wurden 1652 durch Camillo Arcucci abgeschlossen.

Zur Zeit (2010) wird die Fassade Borrominis restauriert.

Fassade

Aufriss der Fassade von Borromini auf einem Stich von Domenico Barrière, 1658[8]

Das bekannteste Bauteil des Gebäudes ist die Südfassade. Borromini erhielt strikte Anweisungen seitens des Ordens hierfür. Er durfte, außer für kleine Elemente, keinen Marmor für die Gestaltung verwenden, da dieses die nebenan liegende, neue Kirchenfassade in ihrer Wirkung beeinträchtigt hätte.[1] Auch die Verwendung von Vollsäulen wurde ihm aus dem gleichen Grund untersagt. Um dennoch eine einheitliche Wirkung der Fassade zu erzeugen, ließ Borromini die gelblichen Ziegelsteine eigens für die Fassade brennen[9] und sie mit extrem schmalen Fugen aufsetzen. Dadurch wirkt die Fassade, trotz der Bauweise aus Ziegeln, einheitlich „wie aus einem Stück gebrannt“[3].

Die Fassade ist fünfachsig und zweigeschossig gestaltet, wobei die Breite in beiden Stockwerken gleich ist, das Untergeschoss ist etwas höher als das obere, die Wirkung kehrt sich allerdings durch die hohen Fenster des Obergeschosses um, dieses wirkt auf die Fassade dominierend.[4] Die vier, jeweils durch Pilaster von einander abgegrenzten äußeren Achsen, jeweils zwei neben der mittleren, sind zwar in der Großform konkav, aber in der jeweiligen Einzelbetrachtung plan in die Fassade gestellt. Bemerkenswert ist, dass die Kapitelle der unteren Geschosshälfte nicht bzw. kaum ausgeführt sind. Dies ist kein Fehler, sondern bewusst geplant.[3] Die Kapitelle der oberen Pilaster sind in einer leichten Abwandlung der korinthischen Ordnung gestaltet. Bemerkenswert und richtungsweisend für die römische Fassadenarchitektur wurde die entgegengestellte konvexe Form der unteren Mittelachse mit dem von zwei Dreiviertelsäulen flankierten Portal. Dieses Element der Entgegenstellung der Konkav- und Konvexform gipfelte letztlich in der völligen Auflösung der Fassade als Fläche bei Santa Maria della Pace.[3] Die verkröpften Gesimse übernehmen die Strukturen der Achsen, der klammerförmig geschwungene Dreiecksgiebel über den mittleren drei Achsen der Fassade war eine völlige Neuheit in der römischen Architektur.[9] Bemerkenswert ist noch die Nische über dem kleinen Balkon im Obergeschoss der Mittelachse. Die Tiefenwirkung der Nische wird über illusionistische Architekturelemente gelöst und erzeugt, tatsächlich ist diese genauso flach wie die nebenan liegenden Flächen.[4] Die Wirkung der Fassade ist einladend und den Besucher begrüßend, was nach Borrominis eigenen Worten die Absicht dieser Konstruktion war.[3]

Inneres

Der Uhrturm an der Nordwestseite

Borromini hatte nicht nur die strengen Vorgaben für die Fassade zu beachten, er musste auch ein anderes architektonisches Problem lösen. Ein Eckpfeiler des neben Santa Maria in Vallicella bereits vorher gebauten Kreuzganges machte eine regelmäßige Verteilung der Innenfenster unmöglich[9] und durch die Ecklage des Grundstücks entstanden weitere strukturelle Probleme. Borromini löste die Aufgabe, indem er die Innenräume völlig unabhängig von der Fassade gestaltete. Der Hauptraum des eigentlichen Oratoriums, die Sala Borromini, ist zur Fassade quergestellt und verschoben, nur die Fenster der beiden linken und der mittleren Achsen gehören zu diesem Saal. Aufgrund der Parallelstellung des Saales zur Fassade ist dieser nur über ein Vestibül erreichbar. Die nicht mögliche regelmäßige Verteilung der Fenster kaschierte er, indem er die Abstände der Innenpilaster des Hauptraumes variierte und – darüber hinausgehend – ihnen das Aussehen eines „ornamentalen Motivs“[9] gab. Die Ecken des Raumes sind ausgerundet, seine einfache Lösung für das Eckproblem.[3] Die von den Pilastern ausgehenden Bänder der Decke führte er in Wirkung eines Skelettbaus aus. Diese Konstruktion wird als „eine der durchlässigsten Raumkreationen des 17. und 18. Jahrhunderts“[3] gesehen. In diesem Raum werden bis heute musikalische Darbietungen aufgeführt.[5]

Dem Refektorium gab er eine ovale Grundform. Das hatte den Vorteil, dass die „Leerflächen“ im Vergleich zur ursprünglich geplanten Rechteckform eines Raumes noch für eine kleine Wendeltreppe genutzt werden konnten. Auch der Entwurf des Waschtisches in diesem Raum stammt von Borromini; er begriff ihn wie die anderen Räume des Oratoriums als Einheit.

Die Innenhöfe enthalten konvex profilierte Kolossalpilaster. Borromini konnte damit die Höhendifferenz zwischen Sakristei und Oratorium ausgleichen.[9] Die Arkadenbögen vollendete Carlo Rainaldi.

Auf dem ersten Absatz des ebenfalls von Borromini stammenden „grandiosen“[10] Treppenaufganges befindet sich ein aus Stuck gefertigtes Modell eines Marmorreliefs, dessen Original heute im Petersdom steht. Es stellt die Begegnung zwischen Papst Leo I. und Attila dar.[10]

Literatur

  • Wolfgang Braunfels: Kleine italienische Kunstgeschichte. DuMont Buchverlag, Köln 1984, ISBN 3-7701-1509-0.
  • Marco Bussagli (Hrsg.): Rom – Kunst & Architektur. Könemann, Köln 1999, ISBN 3-8290-2258-1.
  • Ursula Verena Fischer Pace: Kunstdenkmäler in Rom. 2 Bände. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988.
  • Stefan Grundmann (Hrsg.): Architekturführer Rom. Menges, Stuttgart/London 1997, ISBN 3-930698-59-5.
  • Rolf Tomann (Red.): Die Kunst des Barock. Architektur, Skulptur, Malerei. Könemann, Köln 1997, ISBN 3-89508-991-5.
  • Johann M. Wiesel: Rom. Ein Kunst- und Reiseführer. 7. Aufl., Kohlhammer, Stuttgart 1980, ISBN 3-17-005633-6.
  • Manfred Wundram (Hrsg.): Reclams Kunstführer, Italien. Band V. Rom und Latium. Reclam, Stuttgart 1981, ISBN 3-15-008679-5.

Weblinks

 Commons: Oratorium des Hl. Filippo Neri – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Bussagli (Hrsg.): Rom – Kunst & Architektur, S. 510.
  2. Braunfels: Kleine italienische Kunstgeschichte, S. 429.
  3. a b c d e f g Grundmann (Hrsg.): Architekturführer Rom, S. 211.
  4. a b c Wundram (Hrsg.): Reclams Kunstführer, S. 246.
  5. a b c Wiesel: Rom. Ein Kunst- und Reiseführer, S. 221.
  6. Grundmann (Hrsg.): Architekturführer Rom, S. 210.
  7. Grundmann (Hrsg.): Architekturführer Rom, S. 210/211.
  8. Felix Thürlemann, Universität Konstanz
  9. a b c d e Bussagli (Hrsg.): Rom – Kunst & Architektur, S. 511.
  10. a b Verena Fischer Pace: Kunstdenkmäler in Rom, S. 444.
41.89833333333312.46875

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