- Parnassische Druckerei
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Parnassische Druckerei, Parnaßische Buch-Truckerey oder Parnasische Officin o. ä. ist eine fiktive Druckerei, die in der frühen Barockzeit zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges als Chiffre bei der Herausgabe anonymer oder pseudonymer Schriften benutzt wurde.
Die Bezeichnung spielt auf den Berg Parnass an, der in der griechischen Mythologie Apollon geweiht ist und als die Heimat der Musen, der Göttinnen der Künste, gilt. Der Ort ist in besonderer Weise der Wahrheit verpflichtet.
Ein Druckort wird nicht angegeben, allenfalls wird als fiktiver Erscheinungsort „aufm Parnasso“, „Monte Parnasso oder Spitzberg“ o. ä. genannt. Als tatsächliche Druckorte von angeblich in der „Parnassischen Druckerei“ erschienen Schriften werden u. a. Straßburg oder Prag vermutet.
Verwendete Pseudonyme sind z. B.:
- Boccalinus, Almanus[1] (1624)
- „Cappuciner Münch“ (1618)
- Cornelius, Justus[2] (1619)
- Flebilis Pelasgos, Heraclitus (1623; = Democritus Risibilis)[3]
- Frangepan, Isbertus (1624)
- Friederich, Christian (1622)
- Hisaias (Isaias) sub cruce (1619; = Mag. Simpert Wehe[4])
- Hus redivivus, Jan (1619; vermutlich = Johann von Roerig[5] oder Janus Meder)
- Jonaeman von Wahrpurg, Jeremias (1618; 1619)
- Persuasor, Fagabundus (1626)
- Procopius, Johannes (1619; = Friedrich Grick[6])
- Risibilis, Democritus (1623; = Heraclitus Flebilis Pelasgos)
- Salerma, Reinmundus de (1622; = Christian Friederich)
- Zoanettus, Philippus (1619; vermutlich = Friedrich Grick)
Unter seinem richtigen Namen veröffentlichte
- Hebenstreit, Johann Baptist[7]
in der Parnassische Druckerei.
Einige der Schriften entstanden im Zusammenhang des Ulmer Kometenstreites im Jahr 1618 und der Auseinandersetzung um das Rosenkreuzertum.
Unter den anonymen Autoren, die sich der „Parnassischen Druckerei“ bedienten, werden unter anderem Theophil Dachtler (um 1553/54−nach 1627) und Julius Wilhelm Zincgref (1591–1635) vermutet.
Literatur
- Emil Weller: Die maskirte Literatur der älteren und neueren Sprachen, Bd. I Index Pseudonymorum, Leipzig: Falcke & Rössler 1856
- Emil Weller: Nachträge zum Index Pseudonymorum, Leipzig: Falcke & Rössler 1857
- Emil Weller: Neue Nachträge zum Index Pseudonymorum und zu den Faschen und fingirten Druckorten, Leipzig: Falcke & Rössler 1862
- Emil Weller: Die falschen und fingierten Druckorte. Repertortium der seit Erfindung der Buchdruckerkunst unter falscher Firma erschienenen deutschen, lateinischen und französischen Schriften, Bd. I enthaltend die deutschen und lateinischen Schriften, Bd. II enthaltend die französischen Schriften / Dictionnaire des ouvrages francais des lieux d'impression et des imprimeurs, 2. Aufl. Leipzig: Wilhelm Engelmann 1864
- Emil Weller: Index pseudonymorum. Woerterbuch der Pseudonymen oder Verzeichniss aller Autoren, die sich falscher Namen bedienten. Drittes Supplementheft. Neue Nachtraege zu den „Falschen und fingirten Druckorten“ Zweite Auflage. Leipzig 1864, Glauchau / Leipzig: Theobald Moritz 1867
- Julius Opel / Adolf Cohn: Der dreißigjähige Krieg. Eine Sammlung von historischen Gedichten und Prosadarstellungen, Halle: Verlag des Waisenhauses 1861, S. 480–484
Einezlnachweise
- ↑ Der „deutsche Boccalinus“; vermutlich eine Anspielung auf Traiano Boccalini (1556–1613): De' Ragguagli di Parnaso, centuria prima / seconda, Venedig: Pietro Farri 1612/13; Pietra del paragone politico tratta dal monte Parnasso, dove si toccano i governi delle maggiori monarchie dell' universo, „Cosmopoli“ [Venedig]: Francesco Prati 1615 = deutsch: Politischer Probierstein auß Parnasso. Darauff der fürnembstem Monarcheyen unnd Freyen Ständen in der gantzen Welt Regierungen gestrichen, unnd dern halt zusehen ist, o. O. 1616, Bd. II. Relation auß Parnasso. Oder Politische und Moralische Discurs, wie dieselbe von allerley Welthändeln darinnen ergehen, o. O. 1617, Bd. III. Politischer Probierstein auß Parnasso. Von allerhand Historischer, Politischen unnd Moralischen Discursen unnd Händeln so darinnen vorgehen, o. O. 1618.
- ↑ Als „Justus Cornelius Cosmopolita“ Briefpartner von Friedrich Grick, verteidigte Johannes Faulhaber (1580–1635) im Ulmer Kometenstreit, vielleicht der Tübinger Student „Justus Cornelius Gölzer Tuttlingensis“; vgl. Urich Neumann: „Olim, da die Rosen Creutzerey noch florirt, Theophilus Schweighart genant“. Wilhelm Schickards Freund und Briefpartner Daniel Mögling (1596–1635). In: Friedrich Seck (Hg.): Zum 400. Geburtstag von Wilhelm Schickard, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1995, S. 93–115, bes. S. 109.
- ↑ Nach einer antiken Sentenz „beweinte Heraklit aus Ephesus, was Demokrit aus Abdera lächerlich fand“; Heraklit und Demokrit galten als der weinende und der lachende Philosoph. Der Verfasser verwendet möglicherweise auch die Pseudonyme „Christodorus Pistopatriota“ und „Christian(us) Friederich“.
- ↑ Auch „Zimprecht Wehe“ u. ä.; 1610 Pfarrer in Jungingen, 1618 Lehrer für Latein in Ulm, 1620 bis 1629 Pfarrer in Reilingen, danach in Ungarn.
- ↑ Auch „Johann Philipp Cuspinianus“.
- ↑ Aus Wesel, * um 1595, 1615 immatrikuliert in Altdorf als stud. jur. „Fridericus Gryckius Clivovesaliensis“, Präzeptor, unter verschiedenen Pseudonymen Verfasser satirischer, scheinbar verteidigender Schriften gegen die Rosenkreuzer, beteiligt am Ulmer Kometenstreit, † nach 1621.
- ↑ Rektor des Ulmischen Gymnasiums, * um 1580 in Augsburg, † 1638 in Ulm.
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