- Universität Altdorf
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Die Universität Altdorf, auch Altdorfina oder Academia norica, ist die ehemalige Hochschule der Reichsstadt Nürnberg in Altdorf bei Nürnberg, die 1575 als Akademie eingeweiht und 1622 zur Universität erhoben wurde. 1809 wurde sie vom bayerischen König Maximilian I. aufgelöst.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Vorgeschichte
Im Mai 1526 wurde in Nürnberg unter Beteiligung einer Reihe bekannter Humanisten und Reformatoren – unter ihnen Philipp Melanchton und Martin Luther – das Gymnasium St. Egidien gegründet, das jedoch nur über die kurze Zeit von neun Jahren Bestand hatte. (Bei der späteren Neugründung im 19. Jahrhundert in Nürnberg wurde es in „Königliches Altes Gymnasium“ und 1933 in Melanchthon-Gymnasium umbenannt.) Zunächst jedoch gab Joachim Camerarius, der ehemalige Gründungsrektor des Gymnasiums St. Egidien, mit einem 1565 verfassten Schreiben an den Nürnberger Rat den Anstoß für einen neuen Versuch. Nach der Besichtigung mehrerer infrage kommender Standorte in der Nähe von Nürnberg entschied sich eine Delegation des Nürnberger Rats für Altdorf. Am 30. September 1571 erfolgte die Grundsteinlegung für das durch Spenden des wohlhabenden Nürnberger Patriziats finanzierte Kollegiengebäude – im Gegenzug erwarben die Spender ein Wohnrecht für ihre studierenden Söhne. Nach knapp vierjähriger Bauzeit fand am 29. Juni 1575 die feierliche Einweihung statt. Im Jahre 1582 wurde der durch Sebald Welser finanzierte Ostflügel mit dem größten Hörsaal, ein Jahr später das Torhaus mit einem Buchladen und der Wohnung des Pedells fertiggestellt. Die räumlichen Ausmaße des Gebäudekomplexes lassen vermuten, dass die Nürnberger schon früh über die Einrichtung eines einfachen Gymnasiums hinausdachten. Und so erreichte der Vertreter des Nürnberger Rates am kaiserlichen Hof in Prag schließlich die Erhebung zur Akademie. Im Jahre 1581 konnten an der nun nicht mehr nach Klassen, sondern nach Fakultäten gegliederten Einrichtung die ersten Magistertitel verliehen werden.
Erhebung zur Universität und Dreißigjähriger Krieg
Da die Altdorfer Akademie florierte und sich eines großen Zustroms von Studenten erfreute, erhob Kaiser Ferdinand II. sie am 3. Oktober 1622 auf Drängen des Nürnberger Rates zur Universität. Im Gegenzug musste Nürnberg aus der Protestantischen Union ausscheiden und 25.000 Gulden Hilfsgelder an den Kaiser entrichten. Das offizielle Gründungsdatum wurde auf den 29. Juni 1623 gelegt, den Tag, an dem 1575 die Einweihung des ehemaligen Gymnasiums stattgefunden hatte. Acht Jahre später hatte der Dreißigjährige Krieg auch Altdorf erreicht, als Tillys Truppen im November 1631 Stadt und Universität besetzten und mit Plünderung drohten. Nach einer Zahlung von 1.000 Reichstalern zogen die Truppen aber schließlich ab. Im Juni 1632 wurden Angehörige der Universität auf ihrem Weg von Nürnberg nach Altdorf von kroatischen Reitern überfallen. Der Universitätsrektor Nößler musste als Arzt im Heer Wallensteins bleiben. Die Einschreibungen an der Universität erreichen in dieser Zeit ihren Tiefstand; Studenten und Professoren suchten Schutz im benachbarten Nürnberg.
Blütezeit, Niedergang und Auflösung
Nach Kriegsende erlebte die Universität Altdorf bis ins erste Viertel des 18. Jahrhunderts eine Zeit der Blüte und ständigen Erweiterung. 1650 wurde die Anatomie eingerichtet, 1657 die Sternwarte, 1682 das chemische Laboratorium. Am 29. Juni 1723 wurde die Hundertjahrfeier mit großem Pomp gefeiert. Doch die jährlichen Neueinschreibungen gingen immer weiter zurück. Eine zur Verbesserung der Universität im Jahr 1729 eingesetzte Kommission mahnte eine höhere Disziplin bei Studenten und Professoren an und erwog erstmals eine Verlegung der Universität nach Nürnberg. Mit der Übernahme Nürnbergs fiel 1806 auch die Reichsstädtische Universität Altdorf an das Königreich Bayern. Infolge der neu gegründeten bayerischen Landesuniversitäten musste an anderen Stellen gespart werden. Weil die finanziellen Mittel fehlten, wurde - wie schon 1803 die Universität Dillingen – auch die Altdorfina am 24. September 1809 von König Maximilian I. Joseph (Bayern) aufgelöst.
Die „Affäre Wallenstein“
Am 29. August 1599 schrieb sich der damals sechzehnjährige Albrecht von Waldstein, der Sohn eines protestantischen Gutsbesitzers und später unter dem Namen „Wallenstein“ berühmt gewordene Feldherr des Dreißigjährigen Krieges, in die Altdorfer Matrikel ein. Nur wenige Wochen später war er auch schon in den Skandal um die Ermordung von Wolff Fuchs, einem Fähnrich der Altdorfer Bürgerwehr verwickelt, der kurz vor Weihnachten nach einem Streit von dem Studenten Johann Hartmann von Steinau erstochen wurde. Die Vorwürfe, die daraufhin gegenüber Wallenstein erhoben wurden, betrafen nicht allein seine Anwesenheit bei der Tat selbst, sondern auch, dass er in der kurtzen Zeit her, so er zu Altorff gewesen und studirn sollen, sich in mancherley weiß allerley unruhe und muetwillens unterstanden habe, wie ein Brief des Nürnberger Rats an den Rektor der Altdorfina vom 12. Januar 1600 bezeugt. Die Bestrafung fiel ungewöhnlich milde aus, Wallenstein wurde nur mit einem kurzen Hausarrest belegt. Wenig später, am 14. Januar, kam es zu einem weiteren Vorfall, als Wallenstein seinen Diener mit Peitschenhieben schwer misshandelte, weil dieser untätig aus dem Fenster auf den Markt hinausgeschaut hatte. Das daraufhin eingeleitete Verfahren endete damit, dass Wallenstein die Arztkosten für die Behandlung seines Dieners übernehmen und eine Strafe von 30 Gulden zahlen musste. Mitte März 1600 taucht sein Name zum letzten Mal in den Universitätsannalen auf. Wallenstein verschwand aus Altdorf und unternahm eine Grand Tour nach Frankreich und Italien, wo er sein Studium an den Universitäten in Padua und Bologna fortsetzte.
Bedeutende Gelehrte
In Klammern ist jeweils das Jahr der Berufung nach Altdorf angegeben oder die Lebensdauer
- Edo Hildericus (1533-1599) 1582 der erste Rektor der Akademie und ab 1584 Professor für hebräische Sprache.
- Johannes Praetorius oder Johann Richter (1537–1616), Mathematiker, Astronom und Techniker (1576)
- Nicolaus Taurellus (1547–1606), Prof. für Rhetorik, Ethik und ab 1579 der Medizin und Physik und vier mal Rektor
- Konrad Rittershausen (1560-1613), deutscher Jurist (1591)
- Christoph Crinesius (1584–1629), deutscher Orientalist und Hochschullehrer
- Hugo Donellus, Jurist (1588)
- Petrus Wesenbeck, Jurist (1592)
- Ernst Soner, Medizinprofessor, Professor der Naturheilkunde, Unitarier und (1607–1608) Rektor
- Daniel Schwenter, Mathematiker und Philosoph (1608)
- Georg Nößler, Mediziner (1618)
- Abdias Trew, Mathematiker und Astronom (1636)
- Johannes Saubert der Jüngere (1638-1688), Orientalist und lutherischer Theologe (1673)
- Moritz Hofmann (1622–1698), Mediziner (1648/49)
- Johann Christoph Wagenseil, Historiker, Jurist und Orientalist (1667)
- Johann Christoph Sturm, Physiker und Mathematiker (1669)
- Magnus Daniel Omeis, Professor für Rhetorik, Poesie und Moral (1674), ab 1697 Präses des Pegnesischen Blumenordens
- Johann Jakob Baier, Mediziner, Historiker und Fossilienkundler (1704)
- Gustav Georg Zeltner, Theologe (1706)
- Lorenz Heister, Mediziner und Botaniker (1710)
- Johann Heinrich Schulze, Mediziner, Philologe und Numismatiker (1720)
- Johann David Köhler, Bibliothekar und Numismatiker
- Johann Heumann von Teutschenbrunn, ordentlicher Professor für Rechtswissenschaften (1744)
- Konrad Mannert, Historiker und Geograph (1778, 1797)
- Georg Andreas Will, Historiker und Philosoph (1757), Mitglied des Pegnesischen Blumenordens
- Johann Philipp Siebenkees, außerplanmäßiger Professor für Philosophie (1791), ordentlicher Professor für Sprachen (1795)
Bedeutende Studenten
- Melchior Goldast von Haiminsfeld, Schweizer Altphilologe, wurde 1597 promoviert
- Albrecht von Waldstein, genannt Wallenstein, späterer kaiserlicher General, war Student von 1599 bis 1600
- Georg Philipp Harsdörffer, 1623 bis 1626 immatrikuliert, gründete 1644 den Pegnesischen Blumenorden
- Wolfgang Gundling, (1637–1689), lutherischer Theologe
- Johann Pachelbel, (1653–1706), deutscher Komponist und Organist
- Johann Adam Schertzer, (1628–1683), deutscher lutherischer Theologe und Hochschullehrer
- Gottfried Wilhelm Leibniz, Philosoph und Wissenschaftler, Mathematiker, Diplomat, Rechtsgelehrter, Physiker, Historiker und Doktor des weltlichen und des Kirchenrechts, wurde 1666 promoviert
- Heinrich Arnold Stockfleth, studierte Theologie, 1666 Magister, 1668 Dichter im Pegnesischen Blumenorden
- Johann Georg Volckamer, 1643 Promotion, 1646 elftes Mitglied des Pegnesischen Blumenordens
- Jacob Paul von Gundling, Historiker (1695)
- Nikolaus Hieronymus Gundling, studierte Theologie und Philosophie, später Prorektor in Halle
- Christoph Fürer von Haimendorf, Präses des Pegnesischen Blumenordens von 1709 bis 1732
- Johann Michael Dilherr, Professor für Beredsamkeit, für Geschichte und Poesie und für Theologie, stand in enger Verbindung zum Pegnesischen Blumenorden
- Johann Gottfried Pahl, ab 1784 protestantische Theologie, 1807 wurde Pahl Ehrenmitglied des Pegnesischen Blumenordens
Nachklang
Zur Erinnerung an Wallensteins Studienzeit finden in Altdorf in regelmäßigem Abstand die sogenannten „Wallensteinfestspiele“ statt, bei denen über 600 Bürgerinnen und Bürger Altdorfs in historischen Kostümen Szenen aus dem Studentenleben zu Beginn des 17. Jahrhunderts nachspielen. Das nächste Festspieljahr ist 2012.
Das Universitätsgebäude ist heute Teil des Wichernhauses, eines Internates für Körperbehinderte.
Weniger als hundert Meter neben dem Universitätsgebäude befindet sich heute ein Universitätsmuseum.
Seit September 2002 setzt sich die Initiative Inua („Internationales Netzwerk Universität Altdorf“) für eine Wiederbelebung der Universität Altdorf ein. Die Inua arbeitet zur Zeit an der Entwicklung verschiedener Studiengänge und an einer Hochschuldatenbank. Dort sollen wichtige Daten sämtlicher deutscher Hochschulen allgemein zugänglich gemacht werden.
Literatur
Quellen
- Ludwig Krauß: Die Altdorfer Gedächtnisrede auf Sebald Welser (gest. 1589). Der lateinische Text mit Übersetzung, Einleitung und Erläuterungen. Nürnberg: Melanchthon-Gymnasium, 1976, 53 Seiten (Einheitssachtitel: Oratio in obitum et memoriam domini Sebaldi Welseri senatoris consularis Norimbergensis)
- Johann Martin Trechsel: Amoenitates Altdorfinae oder Eigentliche nach dem Leben gezeichnete Prospecten der Löblichen Nürnbergischen Universität Altdorf, Nürnberg, ca. 1720
- Johann Georg Puschner: Natürliche Abschilderung des academischen Lebens in gegenwärtigen Vierzehn schönen Figuren ans Licht gestellt von D., Nürnberg ca. 1725
Darstellungen
- Georg Andreas Will: Geschichte und Beschreibung der Nürnbergischen Universität Altdorf. Neudruck der 2. Ausgabe Altdorf 1801, mit Nachtrag von Christian Conrad Nopitsch, Aalen 1975, ISBN 3-511-10095-X.
- Horst Claus Recktenwald (Hrsg.): Gelehrte der Universität Altdorf. Nürnberg 1966.
- Horst Claus Recktenwald: Die fränkische Universität Altdorf, 2. Auflage, Nürnberg 1990, ISBN 3-88929-073-6.
- Hans Recknagel: Die Nürnbergische Universität Altdorf, Altdorf bei Nürnberg 1993.
- Hans Recknagel: Die Nürnbergische Universität Altdorf und ihre großen Gelehrten, Altdorf 1998, ISBN 3-00-003737-3.
Weblinks
Commons: Wichernhaus Altdorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Zur Auflösung der Universität Altdorf. In: Vom Adler zum Löwen – Erlangen wird bayerisch (Ausstellung 22. September bis zum 18. November 2006)
- Wallensteinfestspielverein Altdorf e.V. - Informationsseite des Veranstalters der Wallensteinfestspiele mit Touristeninformationen und Fotos von vergangenen Aufführungen
- Internationales Netzwerk Universität Altdorf (INUA)
49.3848511.356794444444Koordinaten: 49° 23′ 5,5″ N, 11° 21′ 24,5″ OKategorien:- Ehemalige Hochschule in Bayern
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