Paul Davidson (US-Ökonom)

Paul Davidson (US-Ökonom)

Paul Davidson (* 23. Oktober 1930 in New York) ist ein US-amerikanischer Ökonom, welcher als einer der führenden Vertreter des Postkeynesianismus in den Vereinigten Staaten gilt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Davidson ist in Brooklyn aufgewachsen.[1] Er kam zu den Wirtschaftswissenschaften, erst nachdem er am Brooklyn College in Chemie und Biologie graduiert wurde. An der Universität von Pennsylvania hat er in Biochemie geforscht und beabsichtigte, über DNA zu promovieren. Dann hatte er jedoch radikal den Kurs gewechselt und mit einer Diplomarbeit mit dem Titel The Statistical Analysis of Economic Time Series den MBA gemacht. Danach kehrte er an die Universität von Pennsylvania zurück, um unter Sidney Weintraub zu studieren. Von daher stammt sein Interesse an Makroökonomie im Lichte von J. M. Keynes und an den Fragen der Einkommensverteilung. Mit seiner Dissertation Theories of Relative Shares hat er 1959 den Ph.D. in Ökonomie abgelegt.

1952 heiratete Davidson. Nach einer kurzen Zeit akademischer Lehre war er ein Jahr lang Assistant Director of the Economics Division bei der Standard Oil Company, wonach er zur Pennsylvania Universität zurückkehrte. 1966 wechselte er zur Rutgers Universität, wo er zwanzig Jahre lang lehrte. 1986 übernahm er den Holly Chair of Excellence in Political Economy an der University of Tennessee.

Zusammen mit Sidney Weintraub hat er das Journal of Post Keynesian Economics (JPKE) begründet. Er war seit Beginn in 1978 Herausgeber (bis zu Weintraubs Tod 1983 Mitherausgeber).

Theoretischer Ansatz

Was „Keynesianismus“ darstellt, wurde in den Vereinigten Staaten vorwiegend durch Paul Samuelson und John Richard Hicks geprägt, die den Ökonomen John Maynard Keynes durch eine Anpassung an die neoklassische Theorie akademisch salonfähig gemacht haben.[2] Nach Auffassung von Davidson wurde dabei jedoch das Anliegen der General Theory, eine fundamentale theoretische Alternative zur „klassischen Theorie“ zu entwickeln, vollkommen missachtet. Dabei wurden Keynes Aussagen zugeschrieben, die dieser nie gemacht hatte, etwa dass unfreiwillige Arbeitslosigkeit durch die Rigiditäten des Arbeitsmarktes zu erklären sei oder durch eine Liquiditätsfalle.[3] Davidson erklärt diese Verkennung des ursprünglichen Keynes aus der Wissenschaftsgeschichte, indem nämlich Samuelson Keynes durch Robert Bryce kennengelernt hatte, der Keynes' Vorlesungen in Cambridge besucht hatte, bevor dieser noch seine General Theory geschrieben hatte. Bryce ging darauf nach Harvard, und sein Bild von Keynes wurde das der dortigen Ökonomen.[4]

Nach Keynes’ eigentümlichen monetären Theorieansatz ist für die gegenwärtige Wirtschaft eine wesentliche Grundtatsache, dass Verträge Geldforderungen beinhalten, und dass jedes Wirtschaftssubjekt sehen muss, dass es stets liquide bleibt, um überleben zu können, also dass es den in der Zeit anfallenden Geldforderungen nachkommen kann.[5]

In seinen Foundations of Economic Analysis (1947) hat Samuelson zwei Axiome der klassischen Theorie wiederaufgenommen, die Neutralität des Geldes sowie das Substitutionstheorem (gross substitution axiom), wonach jedes reale Produkt, das einen positiven Ertrag abwirft, Geld zu ersetzen vermag.[6] Indem Samuelson seine Version des Keynesianismus propagierte, hat er gleichzeitig diese Axiome als Grundlage der ökonomischen Theorie behauptet, obwohl diese Keynes in seinen Schriften ausdrücklich verworfen hatte.

In seiner Kritik der Mainstream-Ökonomie hat Davidson daher drei Axiome identifiziert, wogegen er seine Theoriekritik konzentrierte.[7]

Axiom der Substituierbarkeit (axiom of substitutability)

Dieses Axiom hält das Saysche Gesetz aufrecht und leugnet die Möglichkeit unfreiwilliger Arbeitslosigkeit.

Axiom der Realwirtschaft (axiom of reals)

Die Neutralität des Geldes wird unterstellt; d.h. der „Geldschleier“ hat keine Bedeutung. Realwirtschaftliche Entscheidungen gründen auf relativen Preisen, Einkommenseffekte werden stets ausgeschaltet durch Substitutionseffekte.

Axiom der Ergodizität (axiom of ergodicity)

Die Zukunft wird unter den Annahme der statistischen Wahrscheinlichkeit gesehen, nicht aber unter dem einer grundsätzlichen Ungewissheit.

Literatur

  • Philip Arestis (Hrg.): Employment, Economic Growth and the Tyranny of the Market. Essays in Honour of Paul Davidson: Volume Two. Edgar Elgar Cheltenham, UK, Brookfield, US 1996. ISBN 1-85898-313-4.
  • Holt/Rosser/Wray: Paul Davidson: The Truest Keynesian? In: Eastern Economic Journal. Band 24, Heft 4, 1998, S. 495–506.

Veröffentlichungen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Philip Arestis: Introduction. In: Philip Arestis (Hrg.): Employment, Economic Growth and the Tyranny of the Market. Essays in Honour of Paul Davidson: Volume Two. Edgar Elgar Cheltenham, UK, Brookfield, US 1996. ISBN 1-85898-313-4. S. xivff.
  2. D. C. Colander, H. Landreth: The Coming of Keynesianism to America. Elgar, Cheltenham 19996. S. 23.
  3. Paul Davidson:Keynes' Serious Monetary Theory. S. 3.
  4. Paul Davidson:Keynes' Serious Monetary Theory. S. 9ff.
  5. Paul Davidson: Keynes' Serious Monetary Theory. S. 3.
  6. Paul Davidson:Keynes' Serious Monetary Theory. S. 13f.
  7. Philip Arestis: Introduction. In: Philip Arestis (Hrg.): Employment, Economic Growth and the Tyranny of the Market. Essays in Honour of Paul Davidson: Volume Two. Edgar Elgar Cheltenham, UK, Brookfield, US 1996. ISBN 1-85898-313-4. S. xvff.

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