- Joan Robinson
-
Joan Violet Robinson (* 31. Oktober 1903 in Surrey, England; † 10. August 1983 in Cambridge) war eine britische Ökonomin, die mit ihrer Erweiterung der Theorie von John Maynard Keynes die postkeynesianische Rekonstruktion der Politischen Ökonomie initiierte.
Inhaltsverzeichnis
Von Marshall zu Keynes
Als Robinson im Oktober 1921 nach Cambridge kam, waren Alfred Marshalls Principles die Bibel, und andere Ökonomen wie William Stanley Jevons, Cournot oder Léon Walras oder die österreichischen und deutschen Theoretiker dort völlig unbekannt. Marshalls Werk enthält jedoch einen tiefen Konflikt zwischen seinem statischen Modell mit steigenden Skalenerträgen und den Schlussfolgerungen, die daraus gezogen wurden und sich auf eine Volkswirtschaft mit fortschreitender Akkumulation bezogen.
Nach ihrer Rückkehr 1929 nach Cambridge wies Piero Sraffa sie in seinen Vorlesungen auf alternative Lehrauffassungen hin und stellte die Inkonsistenzen bei Marshall heraus, während Pigou Marshalls Lehre auszubauen und zu verteidigen suchte. Angeregt durch Sraffas Artikel The Law of Returns under Competitive Conditions (Economic Journal, Dez. 1926), arbeitete Robinson eine Theorie des unvollständigen Wettbewerbs aus. Ihre Zielsetzung war dabei, die innere Logik des statischen Gleichgewichtsmodells anzugreifen sowie die These, dass Löhne durch die Grenzproduktivität der Arbeit bestimmt werden.
Nach der Weltwirtschaftskrise war es dann Keynes, der einen noch viel stärkeren Angriff gegen die Gleichgewichtstheorie unternahm. In ihren Essays in the Theory of Employment (in Druck erschienen 1937) sucht Robinson die Grundsätze von Keynes' General Theory of Employment, Interest and Money auf weitere Gebiete anzuwenden: den Arbeitsmarkt, die Vollbeschäftigung, offene und verdeckte Arbeitslosigkeit und die makroökonomische Analyse von Geldlohn und Reallohn. Obwohl von ungleicher Qualität, haben diese Aufsätze bereits viele der kritischen Fragen aufgeworfen, die Sidney Weintraub, Paul Davidson (US-Ökonom) und andere später gegenüber der sog. "neo-klassischen Synthese" gestellt haben.[1] Michał Kalecki zeigte eine der keynesschen Theorie vergleichbare Lösung auf, indem er den unvollständigen Wettbewerb in Einklang brachte mit der Analyse der effektiven Nachfrage. Damit war der Grundstein gelegt für die sog. „Cambridge-Theorie der Verteilung“.
Marx-Lektüre
1940 begann Robinson Karl Marx zu lesen, zog daraus aber andere Schlüsse als etwa die zeitgenössischen Marxisten. Bezüglich der Arbeitswerttheorie bewertet Robinson Marxens Wertform-Analyse als "rein dogmatisch".[2]
Allein Kalecki hatte bisher Marxens Schema der erweiterten Reproduktion mit der keynesschen Analyse integriert. Robinson indes suchte eine langfristige Theorie der Beschäftigung, die frei sein sollte von der Dominanz der Gleichgewichtstheorie. Das Transformationsproblem indes war für sie nichts weiter als ein mathematisches Rätsel, für das schließlich Sraffa einen Lösungsweg aufzeigte; doch davon hinge nichts von Bedeutung ab. Das wahre Inkonsistenzproblem zwischen Band I und Band III von Das Kapital war für sie die von Marx behauptete Tendenz zum langfristigen Fall der Profitrate, da damit eine Tendenz zur Reallohnsteigerung impliziert sei. Allerdings stelle Kalecki für die marxistische Wirtschaftstheorie eine große Hilfe dar.
Kapitalkontroverse und Langfristanalyse
In Antwort auf die Herausforderung durch Roy Harrods Towards a Dynamic Economics ging Robinson an den Versuch, Keynes' Theorie zu einer langfristigen auszubauen. Dafür war die Analyse von Profitraten erforderlich. Diese Frage stellte sich dann: Bedeutet eine Kapitalmenge eine Liste von Maschinen, Materialbeständen und Subsistenzmitteln – oder ist darunter ein Geldbetrag zu verstehen, dessen Kaufkraft von Lohnsätzen und Preisen abhängt? Die so gestellte Frage löste zuerst großes Unverständnis aus. Ein Antwortversuch darauf war die Beschreibung von Kapitalgütern als „putty, jelly, steel, leets or ectoplasm“, mit anderen Worten als „formbar“. Im Grunde ging der Streit jedoch nicht um die Frage der Kapitalmessung, sondern es ging um die Rekonstruktion des präkeynesianischen Gleichgewichtes, bei dem die Akkumulation der Produktionsmittel durch die gesellschaftliche Sparneigung determiniert wird. Dann ist die Vollbeschäftigung durch solche Reallöhne gewährleistet, bei der der gegebene Bestand an Kapitalgütern auf die verfügbaren Arbeitskräfte durch entsprechende Änderung der Kapitalintensität verteilt wird.
“Die Gleichgewichtsanalyse ist ein Moloch, dem weiterhin Generationen von Studenten geopfert werden. Ich hoffe, daß ich einige wenige von ihnen retten konnte, nicht um ihnen ein leichtes Leben zu bieten, sondern um ihre Mitarbeit bei der Lösung der ökonomischen Probleme der Welt zu bitten.“[3]
Quellen
- ↑ John E. King: The first post Keynesian: Joan Robinson's Essays in the Theory of Employment (1937). In: Philip Arestis, (Hrg.): Employment, Economic Growth and the Tyranny of the Market. Essays in Honour of Paul Davidson: Volume Two. Edgar Elgar Cheltenham, UK, Brookfield, US 1996. ISBN 1-85898-313-4. S. 165.
- ↑ Wolfgang Müller: Habermas und die Anwendbarkeit der Arbeitswerttheorie. Sozialistische POLITIK, 1. Jg. Nr. 1 April 1969. S. 39ff.
- ↑ Joan Robinson: Geleitwort. In: Jan A. Kregel: Die Erneuerung der Politischen Ökonomie: Eine Einführung in die postkeynesianische Ökonomie. Metropolis : Marburg 1988. ISBN 3-926570-03-2. S. 10.
Werke
- The Economics of imperfect competition, London: Macmillan, 1933.
- An Essay on Marxian Economics, (1942) 2. Aufl. London 1962; dt. Grundprobleme der Marxschen Ökonomie , Marburg : Metropolis, 1987.
- Accumulation of Capital (1956); dt. Die Akkumulation des Kapitals, Wien : Europa-Verl., 1958 - die deutsche Taschenbuchausgabe (Frankfurt, Berlin, Wien: Ullstein 1972, ISBN 3548028624) folgt der dritten englischen Ausgabe 1969.
- Economic Philosophy: An essay on the progress of economic thought, London 1962, Neuausgabe: Aldine Publisher, 2006. ISBN 0202309088; dt. Doktrinen der Wirtschaftswissenschaft. München: C.H. Beck, 1965.
- Economic heresies: : Some Old-Fashioned Questions in Economic Theory , New York: Basic Books, 1971; dt. Ökonomische Theorie als Ideologie: über einige altmod. Fragen d. Wirtschaftstheorie, Frankfurt am Main : Europäische Verlagsanstalt, 1980, ISBN 3434251138.
- (mit John Eatwell) An introduction to modern economics, 1973; dt. Einführung in die Volkswirtschaftslehre, München: verlag moderne industrie, 1974.
- Freedom and necessity; an introduction to the study of society, London 1970; dt. Die Gesellschaft als Wirtschaftsgesellschaft. Grundlagen und Entwicklung, München 1982, ISBN 3406024823.
Sekundärliteratur
- Bill Gibson, (Hrg.): Joan Robinson's Economics: A Centennial Celebration. Edward Elgar Publishing, 2005.
- Karl Dietrich: Joan Robinsons 'Golden Age'. In: Postkeynesianismus: Ökonomische Theorie in der Tradition von Keynes, Kalecki und Sraffa / mit Beiträgen von Karl Dietrich, Hubert Hoffmann, Jürgen Kromphardt, Karl Kühne, Heinz D. Kurz, Hajo Riese u. Bertram Schefold. Metropolis : Marburg 1987. ISBN 3-926570-00-8. S. 71-84.
- Sabine Reiner: Was ist politisch an der Politischen Ökonomie? Joan Robinsons Beiträge zur Politisierung der ökonomischen Theorie. Baden-Baden : Nomos, 1998.
Weblinks
Kategorien:- Ökonom (20. Jahrhundert)
- Hochschullehrer (Cambridge)
- Postkeynesianismus
- Brite
- Geboren 1903
- Gestorben 1983
- Frau
Wikimedia Foundation.