Ramazan Avcı

Ramazan Avcı

Ramazan Avcı (* 1959; † 24. Dezember 1985) war ein in Hamburg lebender Türke, der von Jugendlichen aus der rechten Skinheadszene getötet wurde. Die Tat gilt als eines der ersten von Angehörigen der rechtsextremen Szene in der Bundesrepublik Deutschland aus Ausländerfeindlichkeit verübten Totschlagsdelikte. Sie stand, zusammen mit dem Fall des 29-jährigen Türken Mehmet Kaymakcı, der wenige Monate zuvor ebenfalls von rechten Skinheads in Hamburg mit einer Betonplatte erschlagen worden war, am Anfang einer Reihe ähnlicher Taten und erhielt große mediale Aufmerksamkeit auch im Ausland.

Inhaltsverzeichnis

Hergang

Der zu dem Zeitpunkt 26-jährige Ramazan Avcı wartete zusammen mit seinem Bruder und einem Freund wenige Tage vor Heiligabend 1985 an einer Bushaltestelle nahe der Gaststätte Landwehr in Hamburg-Hohenfelde auf einen Bus, als eine Gruppe rechter jugendlicher Skinheads aus Bergedorf, die vor dem Lokal standen, auf die drei Türken aufmerksam wurde. Als es zu kleineren Tätlichkeiten kam, setzten Avcı und seine Begleiter zur Verteidigung ein Gasspray ein. Daraufhin bewaffneten sich die Skinheads in der Gaststätte mit Baseballschlägern und ähnlichem Gerät, woraufhin die drei Türken die Flucht ergriffen. Avcıs Bruder und der gemeinsame Freund entkamen, inzwischen von einem Auto verfolgt und aus Leuchtpistolen beschossen, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel. Avcıs Flucht endete, als er vor ein Auto geriet. Anschließend wurde er, noch unter dem Auto liegend, von den ca. 30 Jugendlichen so schwer mit Keulen und Axtstielen geschlagen, dass er später bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Er starb, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

Reaktionen

Die Tat war bis dahin beispiellos in der Bundesrepublik Deutschland und gehörte tagelang zu den Hauptthemen in den bundesdeutschen Nachrichten. Der türkische Generalkonsul in Hamburg Şen wurde vom NDR zitiert, er hoffe, „dass so eine schreckliche Tat nie wieder passiere und 1986 ein Jahr des Friedens für alle werde“. Von einem Autokorso durch Hamburg aus 250 Kraftfahrzeugen [1] zum Flughafen begleitet, wurde die Leiche Avcıs nach Ankara überführt. Die Wochenzeitung Die Zeit berichtete[2] von weiteren Übergriffen am Tag des Trauerumzuges für Avcı. So hätten sieben „Skins“ einen Türken und seine beiden Söhne mit Bierflaschen und Ketten verletzt. Als direkte Reaktion auf Avcis Tötung seien auch kurzfristig bürgerwehrähnliche Gruppierungen zur Selbstverteidigung innerhalb der türkischen Bevölkerung Hamburgs gegründet worden, die aber nicht lange aufrechterhalten wurden.

Täter

Die Polizei konnte direkt nach der Tat fünf der Skinheads, die noch Waffen bei sich führten, festnehmen. Nach einem Verhör wurden die Täter wieder freigelassen. Zunächst wegen Mordes angeklagt (diese Anklage wurde jedoch später zurückgezogen) mussten sich diese fünf später wegen Totschlages verantworten. Am Ende waren es vier der Angeklagten, die zu Strafen zwischen drei und zehn Jahren verurteilt wurden. Diese wurden zum Teil als Jugendstrafen verhängt. Vergleichbare Strafen hatten auch die Totschläger Kaymakcıs erhalten.

Wirkung

Während zeitgenössische Kommentare in dem Ereignis gern einen Schlusspunkt der Gewalt und Lähmung der rechten Szene sehen wollen, ist rückblickend erkennbar, dass der Fall zumindest der rechten Skinheadszene vielmehr enormen Auftrieb gegeben hat.

„Angekurbelt durch die massive Berichterstattung der Medien über den von Hamburger Naziskins getöteten Türken Ramazan Avcı kam es ab dem Jahr 1985 zu einer regelrechten Invasion der Naziskins. Wurden die Skins seit Jahren als rechte Schläger tituliert, wurde nun ihrerseits nichts mehr unternommen, um den Ruf zu retten, im Gegenteil. Hitlergruß, Aufmärsche, öffentliches Gedenken des Todestags diverser Naziverbrecher und Sieg-Heil-Gegröle in aller Öffentlichkeit kamen in Mode. Die Gewalt nahm proportional zum Anwachsen der Szene zu.“ [3]

Weblinks

Nachweise

  1. NDR-Angabe
  2. Sabine Stamer: Manche lernen Karate. In: Die Zeit 4/1987
  3. Markus Messics; In: Skinheads: Antirassisten oder ‚rechte Schläger‘? (2006), S. 61

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