Ruhedruck

Ruhedruck

Der Ruhedruck ist der sich einstellende Druck einer eindimensionalen Gasströmung, wenn die Strömungsgeschwindigkeit isentrop (d. h. wärmeisoliert und reibungsfrei) durch eine Vergrößerung des Strömungsquerschnitts auf einen vernachlässigbar kleinen Wert reduziert wird. Er ist damit das Pendant zum Staudruck bzw. Gesamtdruck pt einer Hydraulikströmung (Flüssigkeit), welcher nach Bernoulli die Summe aus hydostatischem und hydrodynamischen Druck darstellt. Aus der Ähnlichkeit zum Gesamtdruck in der Hydraulik wird das gleiche Formelzeichen pt verwendet.

Unterstellt man, dass innere Reibung (Reibung der Gasmoleküle untereinander) und äußere Reibung (Reibung des Gases mit der Rohrwandung) vernachlässigbar sind, so bleibt bei konstanter Höhe des Strömungspfades der Ruhedruck über den gesamten Strömungspfad konstant, während der statische Druck in Abhängigkeit von der Strömungsgeschwindigkeit ständig variieren kann (ps < = pt).

Analog zur Definition des Ruhedruckes existiert zu einer eindimensionalen Gasströmung auch eine entsprechende Ruhetemperatur.

Inhaltsverzeichnis

Einordnung und Abgrenzung

Der einfache Ansatz nach Bernoulli über die Druckänderung innerhalb einer Strömung gilt nur für Flüssigkeiten exakt.

Bei einer Gasströmung finden durch die Änderungen des statischen Druckes zusätzliche Dichte- und Temperaturänderungen des Mediums statt, welche sich in der inneren und kinetischen Energie des Mediums bzw. der Strömung niederschlagen und deshalb im Energieansatz berücksichtigt werden müssen. Die Energie- bzw. Leistungsgleichung für die reibungsfreie Strömung eines idealen Gases lautet damit:


  \Delta(p_{\text {s}} \ q_{\text {v}}) + 
\frac {q_{\text {m}}}2{\Delta (w^2)} + 
q_{\text {m}}c_{\text {v}} \Delta T +
q_{\text {m}} \Delta h
= 0
\qquad (1)
(erweiterter Bernoulli für ideale Gase)

Hierbei sind:

  • ps = statischer Druck (absolut)
  • qv = Volumenstrom
  • qm = Massenstrom
  • w = Strömungsgeschwindigkeit
  • cv = spezifische Wärmekapatzität des Gases bei konstantem Volumen
  • T = Temperatur des Gases (absolut)
  • h = geodätische Höhe

Unter der Annahme, dass der potentielle Energieanteil vernachlässigt werden kann (Strömung verläuft horizontal; die Dichte von Gasen ist in der Regel wesentlich geringer als bei Flüssigkeiten), kann der letzte Term der Gleichung entfernt werden und die Gleichung wie folgt umgeformt werden:


\frac {\Delta (w^2)} 2 + 
c_{\text {p}} \Delta T
= 0 
\qquad (2)

bzw.


\frac {w^2} 2 + c_{\text {p}} T = \text {konst}
\qquad \text {(2b)}
  • cp = spezifische Wärmekapatzität des Gases bei konstantem Druck

Einfluss der Geschwindigkeit auf Druck und Temperatur einer Gasströmung

Geschwindigkeitsabhängigkeit der Temperatur einer Luftströmung mit Tt = 20°C
Geschwindigkeitsabhängigkeit des Druckes einer Luftströmung mit Tt = 20°C

Gleichung (2) bzw. (2b) besagt, dass sich bei einem idealen Gas die Temperatur des Gases mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit verringert und umgekehrt. Bei Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit wird quasi ein Teil der ungerichteten mikroskopischen Molekülgeschwindigkeit (Temperatur) in eine gerichtete makroskopische Geschwindigkeit umgeformt. Ähnlich verhält es sich mit dem Druck. Auch hier verringert sich der statische Druck mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit, da die Molekülgeschwindigkeit (und damit der Impulsaustauch) senkrecht zur Wandung zugunsten der Strömungsgeschwindigkeit verringert wird.

Bei Strömungsgeschwindigkeit 0 sind statischer Druck und Ruhedruck identisch, ebenso statische Temperatur und Ruhetemperatur.

Berechnung des Ruhedruckes

Da der Ruhedruck nur an einer Stelle gemessen werden kann, an dem die Strömungsgeschwindigkeit vernachlässigbar klein ist, muss der zum statischen Druck gehörende Ruhedruck in der Regel berechnet werden. Sind die Stoffdaten eines strömenden idealen Gases und dessen Ruhetemperatur bekannt und sind weiterhin der Massenstrom und der Strömungsquerschnitt, an dem sich ein bestimmter statischer Druck einstellt, bekannt, so lässt sich hieraus der Ruhedruck wie folgt berechnen:

 p_\text {t,x} = p_\text {s,x}
                     \left[
                      \frac 1 2 +
                       \sqrt
                       {
                          \ \frac {\kappa - 1} {2 \kappa} \ R_{\text {i}} \ T_{\text {t}} 
                          \left (\frac {q_{\text {m}}}{A_{\text {x}} \ p_{\text {s,x}}} \right)^2 + \frac 1 4 \ 
                       }
                     \ \right]^\frac \kappa {\kappa - 1}
\qquad (3)

Hierbei sind:

  • pt,x = Ruhedruck an der Stelle x
  • ps,x = statischer Druck an der Stelle x
  • Tt,x = Ruhetemperatur an der Stelle x
  • Ax = Querschnittsfläche des Strömungspfades an der Stelle x
  • qm = Massenstrom
  • Ri = individuelle Gaskonstante
  • κ = Isentropenexponent (z. B. bei Luft: κ = 1,4)

Da bei einem idealen Gas die Ruhetemperatur entlang eines wärmeisolierten Strömungspfades konstant bleibt (so auch bei der Druckabsenkung durch Reibung/Drosselung), kann die Ruhetemperatur in der Regel an einer beliebigen Stelle entlang des Strömungspfades, bei welcher die Strömungsgeschwindigkeit vernachlässigbar ist, erfasst werden. Ob die Strömung als wärmeisoliert betrachtet werden kann, hängt neben der Wärmeleitfähigkeit der Umgebung auch davon ab, wie groß die Temperaturunterschiede zwischen der Gasströmung und der Umgebung sind und wie groß das Verhältnis von Oberfläche zu Massenstrom ist. Die Gleichung unterstellt weiterhin, dass das Strömungsprofil der Gasströmung eine rechteckige Geschwindigkeitsverteilung aufweist. Bei turbulenter Strömung (welche sich bei höheren Geschwindigkeiten einstellt und bei denen es überhaupt erst zu nennenswerten Unterschieden zwischen dem Ruhedruck und dem statischen Druck kommt) ist dies nahezu gegeben.

Ausströmvorgang aus einem Behälter und Diffusor

Beim Ausströmvorgang aus einem Behälter über eine gut gerundete Düse (→ nahezu reibungsfreier Ausströmvorgang mit in der Regel vernachlässigbarem Wärmeübergang) entspricht der zum statischen Druck im Düsenhalsteil korrespondierende Ruhedruck dem Behälterinnendruck.

Über einen Diffusor mit geringem Erweiterungswinkel kann der statische Druck am Diffusoreintritt ebenfalls weitestgehend auf den Ruhedruck zurück geführt werden, solange die Strömungsgeschwindigkeit am Eintritt des Diffusors unter der zugehörigen Schallgeschwindigkeit liegt.

Anwendung des Ruhedruckes

In der technischen Praxis ist es häufig sinnvoller, mit dem „korrekten“ Ruhedruck zu arbeiten, anstelle mit dem in der Regel einfach und direkt messbaren statischen Druck. Leider wird dies häufig nicht beachtet und führt zu weiteren Fragen und Problemen. Zwei Beispiele aus dem Bereich der Durchflussmessung und Durchflusskennwertebestimmung an pneumatischen Bauteilen sollen diesen Sachverhalt verdeutlichen.

Beispiel 1

Wird an einem strömungsgünstigen Diffusor der Vordruck aufgrund der unterschiedlichen Anschlussquerschnitte mit einem kleineren Druckmessrohr (Rohr, an welchem sich der statische Druck der Strömung rechtwinklig zur Strömungsrichtung abgreifen lässt) und der Hinterdruck mit einem größeren Druckmessrohr gemessen, so tritt das Paradoxon auf, dass der Hinterdruck größer ist als der Vordruck (solange die Schallgeschwindigkeit im Diffusor nicht überschritten wird). Das Medium strömt also vom niedrigeren statischen Druck zum höheren statischen Druck. Betrachtet man die Strömung unter dem Aspekt der Ruhedrücke, so wird der Ruhedruck in Strömungsrichtung niemals zunehmen, sondern bestenfalls nahezu konstant bleiben.

Beispiel 2

Ein gängiger Durchflusskennwert an pneumatischen Komponenten ist der qnN nach VDI 3290. Beim qnN wird der korrelierende Durchfluss zu einem statischen Vor- bzw. Eingangsdruck von 6 bar und einem statischen Ausgangs- bzw. Hinterdruck von 5 bar gemessen. Wird der qnN an einer Ventilinsel (Einheit mit gemeinsamem Versorgungsanschluss und mehreren individuell schaltbaren Einzelventilen) bestimmt, so tritt der Effekt auf, dass der Quotient aus Durchfluss dividiert durch Anzahl geschalteter (identischer) Ventile nicht konstant bleibt (oder sogar abnimmt, wie man vielleicht aufgrund einer internen Begrenzung vermuten könnte), sondern mit jedem weiteren durchgeschalteten Ventil progressiv zunimmt. Ursache dieses Effektes ist, dass der statische Eingangsdruck durch aktives Nachregeln konstant gehalten wird, der unsichtbare Ruhedruck damit aber stetig zunimmt und an den letzten Ventilscheiben zu einem erhöhten Staudruck führt, was in einem vergrößerten Durchfluss resultiert.

Literatur

  • VDMA Einheitsblatt 24 575: Durchflussmessung von Pneumatikbauteilen - Anwendung der ISO 6358:1989 unter Berücksichtigung des Einflusses der Strömungsgeschwindigkeit
  • Zeitschrift für Fluidtechnik O + P, Ausgabe April 2010 - Artikel „Messen in der Fluidtechnik/Durchflussmessung - Besonderheiten in der Pneumatik“, Werner Wunderlich, Erwin Bürk, Wolfgang Gauchel



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