- Abstrakte Arbeit
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Im Kapitalismus bildet Karl Marx zufolge die abstrakte Arbeit die „Substanz“ der den Waren zugesprochenen Tauschwerte. Nach der Theorie von Karl Marx hat die menschliche Arbeit, soweit sie Produkte für einen Warentausch herstellt, einen zweifachen Charakter:
Die konkret-nützliche Seite der Arbeit schafft die Gebrauchswerte, nützliche Gegenstände, die irgendein menschliches Bedürfnis befriedigen. Tischlerarbeit wäre ein Beispiel für diese Seite der Arbeit. Sie ist näher bestimmt durch die konkreten Tätigkeiten im Produktionsprozess, also Holz sägen, hämmern usw., und ist als solche in jeder historischen Produktionsform anzutreffen.
In einer Gesellschaftsform, in welcher voneinander isolierte Individuen Waren produzieren und gemäß ihrem Tauschwert austauschen, hat die Arbeit außerdem noch den Charakter, tauschwertbildend zu sein. Als tauschwertbildende Arbeit ist die begrifflich zu unterscheiden von der konkreten, wirklichen Arbeit, die den Gebrauchswert einer Ware schafft. Denn der Tauschwert z.B. der Ware "Rock" kann nicht ebenfalls "Rock" sein - ein Rock wird nicht gegen einen anderen Rock ausgetauscht, sondern gegen eine andere Ware bzw. gegen Geld.
Inhaltsverzeichnis
Bedeutung
Diese abstrakte Seite der Arbeit wird relevant, wenn Produkte für den Tausch produziert werden und damit Warenform annehmen. Zusätzlich zu ihrem Gebrauchswert erhalten sie einen Tauschwert. Im Wert bzw. Preis der Ware ist von ihrem Gebrauchswert abstrahiert (unterschiedliche Gebrauchswerte können den gleichen Preis haben, ja, sie müssen ihn haben, um getauscht zu werden), entsprechend muss also auch die Arbeit, die diese Waren hervorgebracht hat, von ihrer nützlichen Seite getrennt betrachtet werden. Selbst wenn die abstrakte Arbeit von z. B. zwei Stunden durch eine Steigerung der Produktivkraft plötzlich die doppelte Menge Produkt (also Gebrauchswerte) zustande bringt, also vielleicht 10 Hosen, wo die Näherin vor einer Rationalisierung nur fünf hergestellt hat, muss der in diesen zwei Stunden geschaffene Wert gleich bleiben, der Wert des einzelnen Stück Gebrauchswertes - der Hose in diesem Beispiel - daher gesunken sein.
Diese nicht gedankliche, sondern "Real"-Abstraktion[1] findet immer dort statt, wo Gebrauchswerte einen über den Markt bestimmten Preis erhalten. Die Existenz dieser praktischen, in der Wirklichkeit geltend gemachten Abstraktion kann also nicht einfach dadurch widerlegt werden, dass es unterschiedliche Arbeitsintensitäten und unterschiedliche Qualifikationen gibt: So etwas wie eine "einfache Durchschnittsarbeit"[2], auf die sich kompliziertere und überdurchschnittlich oder unterdurchschnittlich intensive Arbeiten reduzieren lassen, ist überall gegeben, wo voneinander unabhängige Privatarbeiter für den Tausch produzieren.
Verhältnis von konkret-nützlicher und abstrakter Arbeit
Man kann in einer Gesellschaft, in der Menschen unterschiedliche konkret-nützliche Arbeiten verausgaben, „jede menschliche Arbeit“, daher jede einzelne konkret-nützliche Arbeit nach den zwei Seiten hin unterscheiden. Hierbei kommt die zweite als abstrakte Arbeit bezeichnete Seite lediglich als die allgemeine Eigenschaft einer jeden einzelnen konkret nützlichen Arbeit in den Blick. Diese „allgemeine Eigenschaft menschlicher Arbeit“ (Karl Marx, Das Kapital Band 1, MEW, 23 S. 72) hat also zunächst noch nichts mit „Wertproduktion“ (ebenda) zu tun, daher auch noch nichts mit der historisch spezifischen Weise, in der die einzelnen konkret-nützlichen Arbeiten in irgendeiner Gesellschaftsformation ihre gesellschaftlich allgemeine Form erhalten (Vgl. Produktionsweise). So besitzen die einzelnen konkret-nützlichen Arbeiten zum Beispiel in einer vorkapitalistischen Gesellschaft ihre gesellschaftlich allgemeine Form gerade in ihrer Naturalform, daher in der Form, in der sie als konkret nützliche Arbeit verausgabt werden.
Dies liegt - was hier nur angedeutet werden soll - daran, dass der gesellschaftliche Zusammenhang den praktischen Tätigkeiten der einzelnen konkret nützlichen Arbeiten vorausgesetzt ist, so dass durch diesen bedingt, die einzelnen konkret nützlichen Arbeiten schon vor ihrer praktischen Verausgabung als gesellschaftlich allgemeine, daher als gesellschaftlich verausgabte anerkannt werden. Dies geschieht nach Marx natürlich für die Menschen auf so unbewusste Weise, wie ihnen ihr gesellschaftlicher Zusammenhang unbewusst ist.
Bedeutung im Kapitalismus
Mit der Warenzirkulation, wie sie als allgemein vorherrschende abstrakte Sphäre des kapitalistischen Gesamtreproduktionsprozesses existiert, ist ein historisch spezifischer gesellschaftlicher Zusammenhang gegeben, der sich unter Abstraktion von Preis und Geld auf die gesellschaftliche Austauschbeziehung der Arbeitsprodukte reduziert, aus denen mit dem Wert auch das Geld erklärt werden muss. Da die Menschen in der kapitalistischen Gesellschaft in Kontakt miteinander treten mittels des Austauschs der Arbeitsprodukte, entscheidet dieser auch auf einfachste Weise darüber, in welcher Form die einzelnen konkret nützlichen Arbeiten den gesellschaftlich allgemeinen Charakter erhalten. Nun interessiert die allgemeine Eigenschaft der Arbeit in der Austauschbeziehung der Arbeitsprodukte zueinander. Diese ist eine gesellschaftliche Gleichheitsbeziehung, worin die Arbeitsprodukte und die in ihnen vergegenständlichten verschiedenen konkret-nützlichen Arbeiten auch in der Hinsicht gleichgesetzt und aufeinander bezogen werden, in der sie tatsächlich gleich sind. Das den verschiedenen konkret-nützlichen Arbeiten Gleiche, nämlich die ihnen gemeinsame „allgemeine Eigenschaft menschlicher Arbeit“ (Karl Marx, Das Kapital, Band 1, MEW 23 S. 72), erhält durch die gesellschaftliche Beziehung der Arbeitsprodukte zueinander die gesellschaftliche Bedeutung, die gesellschaftlich-allgemeine Form der einzelnen konkret-nützlichen Arbeiten zu sein. Unter diesem Aspekt der „Wertproduktion“ (Karl Marx, ebenda) erhält diese allgemeine Eigenschaft durch die Austauschbeziehung der Arbeitsprodukte zueinander die gesellschaftlich allgemeine Wert bildende Form der einzelnen konkret-nützlichen Arbeiten.
Doppelcharakter der Arbeit
Im Kapital heißt es: „Alle Arbeit ist‚ einerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn, und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher oder abstrakt menschlicher Arbeit bildet sie den Warenwert. Alle Arbeit ist andrerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft in besonderer zweckbestimmter Form, und in dieser Eigenschaft konkreter nützlicher Arbeit produziert sie Gebrauchswerte.“ (MEW 23, S. 61) In aller erforderlichen Deutlichkeit spricht Marx hier vom Doppelcharakter der Arbeit, so dass kein Zweifel daran bestehen kann, wie sehr die Umschreibung „im physiologischen Sinn“ als allgemeine Eigenschaft verstanden werden muss, welche die gesellschaftliche Formbestimmung durch den Austausch erhält, es sich also nur um eine Umschreibung für die abstrakt menschliche Arbeit als gesellschaftlicher Form der einzelnen konkret nützlichen Arbeiten handelt. Wird die Wert bildende physiologische Verausgabung von Nerv, Hirn Muskel, Hand so verstanden, dass wirklich Hirn Muskel und Hand schweißtreibend und „Mühsal“ bereitend betätigt werden, dann kann dies nur heißen, dass Gebrauchswerte hergestellt werden, so dass man den „Doppelcharakter der Arbeit“ zerstört hat; denn man hat es nur noch mit „in zweckbestimmter Form“ verausgabter konkret nützlicher Arbeit zu tun hat, die keine gesellschaftlich allgemeine Form der einzelnen konkret nützlichen Arbeiten ist und folglich auch nichts mit dem Wert zu tun hat. „So gelten auch die in diesen Werten enthaltenen Arbeiten nicht durch ihr produktives Verhalten zu Tuch und Garn, sondern nur als Verausgabung menschlicher Arbeitskraft“ (MEW, 23, S. 59), die „nicht mehr Naturstoff enthalten (kann) als etwa der Wechselkurs“.(MEW 23, S. 97). Wenn es als Ergebnis der Untersuchung der Austauschverhältnisse um die allgemein gültige Beschreibung der einzelnen konkret nützlichen Arbeiten als bloße – kein produktives Verhalten zu Tuch und Garn, ausdrückende - Verausgabung menschlicher Arbeitskraft, geht, die Wert bildend ist, dann ist dies konsequenter Weise nichts anderes als eine Umschreibung für die abstrakt menschliche Arbeit, die, bedingt durch den Austausch der Arbeitsprodukte, als „allgemeine Eigenschaft“ (MEW 23, S.72) der einzelnen konkret nützlichen Arbeiten deren gesellschaftlich allgemeine Form ist.
Siehe auch
Literatur
Leicht verständlich erklärt im Kapitel 3.3 „Abstrakte Arbeit: Realabstraktion und Geltungsverhältnis“ in
- Michael Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung, theorie.org, 2004, online.
- Alfred Sohn-Rethel: Warenform und Denkform. Mit zwei Anhängen [incl. Dissertation]. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1978
- Alfred Sohn-Rethel: Geistige und körperliche Arbeit. Zur Epistemologie der abendländischen Geschichte. [1970] Rev. u. erg. Neuaufl. Weinheim: VCH 1989 ISBN 3-05-003970-1
- Alfred Sohn-Rethel: Das Geld, die bare Münze des Apriori. Berlin: Wagenbach 1990 ISBN 3-8031-5127-9
- Dieter Wolf: Abstrakte Arbeit als gesellschaftlich allgemeine Form der konkret nützlichen Arbeiten in: Kritische Theorie und Kritik der Politischen Ökonomie. Teil B, Abschnitt I, Zur Konfusion des Wertbegriffs. Wissenschaftliche Mitteilungen. Heft 3. Argument Verlag, Hamburg, 2004. ISBN 3-88619-651-8 online
- Redaktion GegenStandpunkt: "Ein bisschen Grundsätzliches über Geld und Gewalt, Kredit und Krise, Währung und Gold", Antwort auf einen Leserbrief zum Artikel "Der Kampf der Nationen um den Reichtum der Welt", Grundlagentext zum Wertbegriff des Gegenstandpunkts in GegenStandpunkt 1-01
- Ingo Elbe, Tobias Reichardt, Dieter Wolf: Gesellschaftliche Praxis und ihre wissenschaftliche Darstellung. Beiträge zur Kapital-Diskussion Wissenschaftliche Mitteilungen. Heft 6. Argument Verlag, Hamburg, 2008. ISBN 978-3-88619-655-5
Anmerkungen
- ↑ Was die "Real-Abstraktion“ anbelangt, zeigt sich, dass das reale Gleichsetzen als gleiche „allgemeine Eigenschaft menschlicher Arbeit“ (abstrakte Arbeit) und das Aufeinanderbeziehen als dies Gleiche auch die Abstraktion von allen konkret nützlichen Formen zur Kehrseite hat. Was auf diese Weise in der gesellschaftlichen Beziehung der Arbeitsprodukte zueinander vor sich geht, wird dann von Marx als Wissenschaftler mittels methodisch organisierter Abstraktionen gedanklich nachvollzogen.
- ↑ Auf das mit der gesellschaftlichen Quantität des Werts angesprochene Problem, bei dem es als Resultat eines gesamtgesellschaftlichen auch die Konkurrenz der Kapitale einschließenden die Produktivkraftentwicklung beeinflussenden Prozesses um „einfache Durchschnittsarbeit“ geht, soll hier nicht eingegangen werden. Nur so viel soll abschließend gesagt werden, dass „einfache Arbeit“ nicht mit abstrakter Arbeit verwechselt werden darf, die als gesellschaftlich allgemeine Form der einzelnen konkret nützlichen Arbeiten niemals – wie die einfache Arbeit - irgendeine Ausprägung konkret nützlicher Arbeit sein kann. Auszug aus dem Artikel Qualität und Quantität des Werts Makroökonomischer Ausblick auf den Zusammenhang von Warenzirkulation und Produktion (PDF) Zur abstrakten Arbeit siehe ausführlicher:http://www.dieterwolf.net/pdf/ReplikKnA2.2.pdf (Link nicht abrufbar)
Weblinks
- Abstrakte Arbeit im Marx-Lexikon des marx-forum.de
- Michael Heinrich: Abstrakte Arbeit, in: Wolfgang Fritz Haug (Hrsg.), Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd.1, Hamburg: Argument Verlag 1994, Sp.51-64.
- Dieter Wolf: Abstrakte Arbeit als gesellschaftlich allgemeine Form der einzelnen konkret nützlichen Arbeiten
- Dieter Wolf: Marx’ Verständnis des Werts und der abstrakt menschlichen Arbeit in den „Grundrissen“
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