Klaus Wagenbach

Klaus Wagenbach

Klaus Wagenbach (* 11. Juli 1930 in Berlin-Tegel) ist ein deutscher Verleger.

Er ist Gründer und langjähriger Inhaber des Wagenbach-Verlages.[1] Nach 38 Jahren übergab er im Jahr 2002 die Leitung an seine Frau Susanne Schüssler.[2]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Klaus Wagenbach ist der zweite Sohn des Geschäftsführers des Bundes Deutscher Bodenreformer, Bankangestellten und CDU-Politikers Joseph Wagenbach und dessen Frau Margarete, geb. Weißbäcker, einer Telefonistin.[3] Wagenbach absolvierte ab 1949 eine Buchhandelslehre in den Verlagen Suhrkamp und S. Fischer. Sein Lehrmeister und Herstellungsleiter Fritz Hirschmann im S. Fischer Verlag machte ihn mit der Literatur von Franz Kafka bekannt und weckte sein lebenslang anhaltendes Interesse für Kafka.[4] Ab 1951 studierte er Germanistik, Kunstgeschichte und Archäologie in München und wurde bei Wilhelm Emrich in Frankfurt am Main über Franz Kafka promoviert. Nach der Promotion wurde Klaus Wagenbach 1957 Lektor im Modernen Buch-Club Darmstadt, ab Ende 1959 Lektor für deutsche Literatur im S. Fischer Verlag in Frankfurt am Main. Als dieser von Holtzbrinck aufgekauft wurde, gründete Wagenbach in Berlin (West) 1964 gemeinsam mit seiner damaligen Frau Katja Wagenbach seinen eigenen Verlag, der sich die Prinzipien «Geschichtsbewußtsein, Anarchie, Hedonismus» zum Ziel setzte und zunächst als Kollektiv organisiert war.

Für den Sender Freies Berlin realisierte Wagenbach die Schulfunk-Reihe Deutsche Literatur im 20. Jahrhundert, die schließlich mit einem Rauswurf Wagenbachs endete.[5] Für die SPD gründete er vor der Bundestagswahl 1965 das Projekt Wahlkontor der SPD.

Er wurde in den 1960er Jahren zu einer bekannten Persönlichkeit der APO und der Studentenbewegung. Nachdem er 1965 als Verleger von Wolf Biermann entgegen der persönlich vorgetragenen Bitte des späteren DDR-Vize-Kulturministers Klaus Höpcke weitere Auflagen des Buches Drahtharfe von Biermann drucken ließ, erhielt Wagenbach bald ein Ein- und Durchreise-Verbot für die DDR,[5] das bis 1972 (Brandt-Verträge, Transitabkommen) andauerte.

Der Rotbuch Verlag spaltete sich ab. Bei zwei Strafprozessen wurde er durch den damaligen Berliner Anwalt Otto Schily verteidigt. Wagenbach wurde 1974, unter anderem wegen der Veröffentlichung des RAF-Manifests, zu neun Monaten Gefängnis, auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, verurteilt wegen „Aufforderung zur Bildung einer kriminellen Vereinigung, zur erschwerten und einfachen Sachbeschädigung, zum Diebstahl, zur Körperverletzung sowie zum Hausfriedensbruch“.[6] 1975 wurde er wegen Beleidigung und übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 1800 DM verurteilt,[7] weil er die Tötung Benno Ohnesorgs durch den Polizisten Karl-Heinz Kurras sowie die Erschießung des Georg von Rauch als Mord bezeichnet hatte.[5] Wagenbach hielt im März 1972 für seinen engen Freund, den italienischen Verleger Giangiacomo Feltrinelli die Grabrede,[8] am 15. Mai 1976 sprach er am Grab von Ulrike Meinhof.

Von 1979 bis 1999 betreute er als Mitherausgeber auch den Freibeuter, eine literarisch anspruchsvolle und linksorientierte Vierteljahresschrift mit Themenheften zu Kultur und Politik.

Als Verleger veröffentlichte er Liebesgedichte von Erich Fried genauso wie Reiseliteratur über seine Ferienregion Toskana. Er erhielt eine Honorarprofessur für Neuere deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin und gilt als Kafka-Spezialist. Seit vielen Jahren trägt er selbstironisch den Ehrentitel als „Kafkas dienstälteste, lebende Witwe“,[9] da er neben seiner Forschung auch die weltweit größte Sammlung an Dokumenten zu Kafka aufweisen kann.[10] Im Jahr 2002 übergab er die Verlagsleitung an seine Frau Susanne Schüssler und seine Tochter Nina Wagenbach. Er selbst ist seitdem als Lektor im Wagenbach Verlag tätig. Klaus Wagenbach ist seit 1996 in dritter Ehe mit der Lektorin Susanne Schüssler verheiratet und Vater von vier Töchtern.[3]

Auszeichnungen

Wagenbach erhielt zahlreiche, insbesondere italienische Ehrungen.

Veröffentlichungen

Werke

  • Franz Kafka. Eine Biographie seiner Jugend 1883–1912. Francke, Bern 1958. Erweiterte Neuausgabe: Wagenbach, Berlin 2006, ISBN 978-3-8031-3620-6 (Dissertation)
  • Franz Kafka, in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Klaus Wagenbach, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, Oktober 1964, ISBN 3-499-50091-4 (35. Auflage, 2001).
  • Franz Kafka. Überarbeitete Neuausgabe. Rowohlt, Reinbek 2002, ISBN 978-3-499-50649-9
  • Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben. Wagenbach, Berlin 1983. Erweiterte und veränderte Neuausgabe: Berlin 1995, ISBN 978-3-8031-3547-6
  • Kafkas Prag. Ein Reiselesebuch. Wagenbach, Berlin 1993, ISBN 978-3-8031-1141-8
  • Der Verlag Klaus Wagenbach. Wie ich hineinkam und wie er zwischen 1965 und 1980 aussah. In: Rita Galli (Hrsg.): Ausgerechnet Bücher. Einunddreissig verlegerische Selbstporträts. Ch. Links Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-86153-167-4, S. 96–105, (GoogleBooks).
  • Die Freiheit des Verlegers – Erinnerungen, Festreden, Seitenhiebe, Wagenbach, Berlin 2010, ISBN 978-3-8031-3632-9

Mit-/Herausgeberschaft (Auswahl)

  • Atlas. Deutsche Autoren über ihren Ort. Wagenbach, Berlin 1965. Erweiterte Neuausgabe: Berlin 2004, ISBN 978-3-8031-3188-1
  • Kafka-Symposion. Wagenbach, Berlin 1965 (Als TB: dtv, München 1969)
  • Tintenfisch – Jahrbuch für Literatur Wagenbach, Bd. 1ff, Berlin 1968ff.
  • (Hrsg.): Lesebuch. Deutsche Literatur der sechziger Jahre. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1968.
  • Vaterland, Muttersprache. Deutsche Schriftsteller und ihr Staat von 1945 bis heute. Wagenbach, Berlin 1979. Neuausgabe 2004, ISBN 978-3-8031-3110-2
  • Italienische Liebesgeschichten. Wagenbach, Berlin 1991, ISBN 978-3-8031-1125-8
  • Deutsche Orte. Wagenbach, Berlin 1991
  • Amore! oder Der Liebe Lauf. Wollust, Seitenpfade, Irr- und Unsinn. Wagenbach, Berlin 1996, ISBN 978-3-8031-1160-9
  • Wie der Hund und der Mensch Freunde wurden. Italienische Kindergeschichten. Wagenbach, Berlin 1999, ISBN 978-3-8031-1181-4
  • Nach Italien! Anleitung für eine glückliche Reise Wagenbach, Berlin 2000, ISBN 978-3-8031-1188-3
  • Die weite Reise. Mittelmeergeschichten. Wagenbach, Berlin 2002, ISBN 978-3-8031-2432-6
  • Franz Kafka. Ein Lesebuch (mit Bildern). Rowohlt (rororo 23444), Reinbek 2003, ISBN 978-3-499-23444-6 (auch als Hardcover: Bertelsmann 2004, ohne ISBN)
  • Mein Italien, kreuz und quer. Wagenbach, Berlin 2004, ISBN 978-3-8031-3192-8
  • Warum so verlegen? Über die Lust an Büchern und ihre Zukunft. Almanach anläßlich des vierzigjährigen Jubiläums. Mit einem Verzeichnis aller erschienenen Bücher. Wagenbach, Berlin 2004, ISBN 978-3-8031-2487-6

Über Wagenbach

Filmographie

Weblinks

Interviews
Video- und Hördateien

Einzelnachweise

  1. Offizielle Seite vom Klaus Wagenbach Verlag
  2. Christian Thiel: Verlegerinnen. Das Paradies liegt auf dem Schreibtisch. In: FAZ, 6. Juli 2005
  3. a b Klaus Wagenbach. Biografie, whoswho.de
  4. Sandra Kegel: Der hat sich eingeschlichen. In: FAZ, 9. Juli 2010
  5. a b c Willi Winkler: „Kann ich mal bei dir pennen?“ Im Gespräch: Klaus Wagenbach. In: Süddeutsche Zeitung, 29. Mai 2009
  6. Dieter E. Zimmer: Verurteilt: der Verleger Wagenbach – Neun Monate. In: Die Zeit, Nr. 24/1974
  7. ID-Archiv im Internationalen Institut für Sozialgeschichte (IISG) (Hrsg.): Schwarze Texte. Politische Zensur in der BRD – 1968 bis heute gegen linke Buchläden, Verlage, Zeitschriften und Druckereien. Edition ID-Archiv im IISG, Amsterdam 1989, ISBN 3-89408-002-7, S. 14(Reihe: Dokumente der Gegenöffentlichkeit)
  8. Klaus Wagenbach: Der Verlag Klaus Wagenbach. In: Rita Galli (Hrsg.): Ausgerechnet Bücher. Einunddreissig verlegerische Selbstporträts. Ch. Links Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-86153-167-4, S. 103.
  9. Roland Wiegenstein: „Franz Kafka – Biographie einer Jugend“ von Klaus Wagenbach. In: Die Berliner Literaturkritik, 20. Juni 2006
  10. Volker Weidermann: Sammler und Verleger Klaus Wagenbach. Kafkas Welt in einem Kästchen. In: FAZ, 19. April 2008
  11. Inge Feltrinelli setzte sich bei italienischen Staatsbeamten für diese Anerkennung von Wagenbach ein: Wir tanzten auf allen Festen. Listig und frei: Zum 80. Geburtstag des Verlegers Klaus Wagenbach. In: Die Zeit, Nr. 28/2010
  12. Autorenporträt Klaus Wagenbach, Klaus Wagenbach Verlag
  13. Laudatio von Botschafter Claude Martin (PDF, 3 S.) Französische Botschaft Berlin

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